Jahreswechsel:Lärm macht süchtig

In der Silvesternacht wird es wieder zu spüren sein: An ohrenbetäubender Lautstärke kann sich der Mensch berauschen. Zeit für die interessantesten Fakten zum Krach.

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Illustrationen: Stefan Dimitrov

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Es sind knapp 2000 Meter vom Brandenburger Tor bis zum Großen Stern in Berlin. Es ist eine Strecke, auf der schon an normalen Tagen ein reger Autoverkehr rauscht. Hier ein Hupen, dort eine Trabbi-Safari, und über allem die akustische Haube des ewigen Flughafens Tegel, das Herz der Stadt hört nie auf zu schlagen.

Man kann dann fragen: Warum ausgerechnet hier Bands wie die Höhner auftreten müssen, warum die Spider Murphy Gang, warum Rednex, wenn der Pegelauf dieser vermeintlichen "Meile" zum Jahreswechsel noch mal so richtig hochgefahren wird? Eine Million Partygäste, verteilt auf zwei Kilometer, um Mitternacht dann Geböller und Raketengepfeife, ist das nicht zu viel Krach in einer Stadt, deren hörbares Profil selbst von den eigenen Bewohnern bloß als "laut" beschrieben wird?

Doch das ist es eben, nicht genug. Der Mensch ist süchtig nach Lärm. Das leuchtet nicht sofort ein, gerade wenn man an die Nachbarn über einem denkt und das Bobbycar des Kindes, das dort wohnt. Oder wenn man sich an die Warnungen erinnert, sich zu lange zu großem Lärm auszusetzen. Aber es gibt ja viele Dinge, die unangenehm und schädlich sind, und von denen der Mensch trotzdem nicht lassen kann. Nikotin, Alkohol, Fernsehen, Gummibärchen, alles nicht so gut, man will es trotzdem.

Die Frage nach dem Warum stellt sich beim Lärm aber wohl eher als beim Bier, schließlich ist der akustische Rausch kein offenkundiger, höchstens vielleicht, wenn man ihn über gute Musik erfährt. Aber sicher nicht auf der Sonnenallee in Neukölln, wenn der mattschwarz lackierte, tiefergelegte Sportwagen einschlägigen Fabrikats vor der Ampel steht und im Leerlauf brüllt wie Godzilla, während man daneben auf dem Fahrrad sitzt und hofft, es möge rasch vorbeigehen. Aber doch, Autolärm ist offenkundig ein Rausch, zumindest für die Fahrer und für Motorsport-Fans. Als der akustische Ausstoß der Formel-1-Wagen 2014 durch den Verbau moderner Motoren reduziert werden sollte, ging ein Aufschrei durch die Anhängerschaft des Sports. Man vermisste "emotionalisierenden Auspufflärm", der australische Promoter der Formel 1 verlangte "Geld zurück" und Sebastian Vettel beklagte, man sei doch nicht auf dem ADAC-Übungsplatz, und wollte seinen V12-Motor wiederhaben. Schließlich wurden die Boliden wieder lauter gemacht, es war ein Sieg der Abhängigen.

Lärm ist ein Ausdruck von Stärke, ein Zeichen von Macht, vor der Digitalisierung war er gewiss auch ein herausragendes Merkmal der technischen Zivilisation. Alexander Graham Bell steht für diesen zivilisatorischen Lärm wie kaum ein anderer Name aus der Wissenschaft. Das Telefon, dieser penetrante Apparat, geht auf seine Kappe, der Vorläufer des Grammofons als Beschallungsquelle auch, und nicht zuletzt trägt die Einheit, in der Lärm gemessen wird, Bells amputierten Namen: das Bel. Die Skalierung dieser Einheit sagt viel aus, auch wenn sie sich den meisten Menschen schwer erschließt: Das Bel beschreibt die logarithmische Änderung des Schalldrucks. Man zählt in Zehnteln, Dezibel, weil sich das Getöse sonst nicht fein genug unterscheiden ließe.

Ein Presslufthammer ist der Dezibelskala zufolge viermal so laut wie ein Fernseher. Das ist von der menschlichen Schmerzgrenze zwar noch ein Stück entfernt, aber schon schwer erträglich und ein gutes Beispiel für die Macht des Lärms, hier: die Macht des Bauarbeiters über die Befindlichkeit der Anwohner. Dann nämlich, wenn morgens um sieben erst mal der Kompressor angeworfen wird, obwohl um halb acht schon wieder Frühstückspause ist. Dieses Spiel mit der Macht bleibt nicht folgenlos. Wie die Sozialpsychologie schon in den 1970er-Jahren erschöpfend gezeigt hat, kompromittiert die Ohnmacht eines unfreiwillig Hörenden erheblich auch dessen Sozialverhalten.

Was zum Jahreswechsel bedenkenswert, aber wohl weniger relevant ist, denn Lärm ist zwar Macht, er kann aber auch sozialer Klebstoff sein. An keinem Tag im Jahr ist das so offenkundig wie an Silvester, wenn wildfremde Menschen es gemeinsam mächtig krachen lassen. Selbst wenn sie dabei gemeinsam ohnmächtig der Spider Murphy Gang lauschen müssen. Das aber zum Glück nur in Berlin.

Nehmen Sie sich die Ruhe und lesen Sie unter den folgenden Bildern weitere interessante Aspekte zum Thema "Lärm".

Kathrin Zinkant

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Böller:Sprengstoff zu Silvester

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Illustrationen: Stefan Dimitrov

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Der Kubische Kanonenschlag kommt, wie der Name vermuten lässt, in Würfelform daher und ist mächtig laut. Das Lauteste, was für das Lichter- und Lärmspektakel an Silvester in Deutschland zugelassen ist. Die Kanonenschläge werden aus China importiert, sind von einem dicken Faden umwickelt, die rund einen halben Zentimeter breite Zündschnur ist durch eine Plastikkappe geschützt. Noch lauter sind aber illegale Kracher wie die "Polenböller". Sie werden überwiegend an der deutsch-polnischen Grenze verkauft und enthalten mehr Sprengstoff als die in Deutschland zugelassenen Böller, oft ist gar nicht klar, welche Stoffgemische darin zu finden sind. Werden sie in Dosen oder Holzkisten gesteckt und gezündet, dann fliegen die Behälter nach der Explosion wie Geschosse meterweit durch die Luft. Sie entfalten eine enorme Zerstörungskraft, können auch vorzeitig zünden und Menschen schwer verletzen oder gar töten Die Hamburger Feuerwehr ließ Interessierten vor zwei Jahren in einer Demonstration zeigen, was mit den illegalen Böllern passieren kann: sie zerfetzten einer lebensgroßen Puppe die Hand.

Astrid Viciano

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Gesundheit:Eine Million verlorene Jahre

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Illustrationen: Stefan Dimitrov

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Das Ohr eines Menschen ist ein Wunderwerk. Der Schall der Welt lässt Hammer und Amboss schwingen, und brüllt der Chef noch so laut, der Mensch mag sich erschrecken, taub wird er davon nicht. Das Ohr also, ja mehr, auch das Gehirn kann Schall selektieren, sodass eine Mutter durch ein leisen Ziepen ihres Babys aufschreckt, den Ehemann aber, der nachts mit drei Bier im Bauch ins Bett stolpert, hört sie gottlob nicht.

Lärm hat viel mit der eigenen Situation und nicht immer nur etwas mit der Lautstärke zu tun. Die weitläufige Definition beschreibt Lärm als störende Geräusche, die in den Schädel hämmern, gegen den eigenen Willen. Die Kinder, die unten im Hof Versteck spielen, mögen ähnlich laut sein wie der 2,5-Tonnen-SUV des Nachbarn. Sie können aber unterschiedlich stören.

Das menschliche Gehör nimmt auch im Schlaf Geräusche auf, das Gehirn muss immer entscheiden, ob Freund oder Feind an der Türe klopft. Chronischer Lärm, also die Dauerbeschallung im Alltag, bringt dieses System an seine Grenzen, der Körper schüttet Stresshormone aus, Blutdruck und Herzfrequenz steigen, der Schlaf leidet. Nicht ohne Grund wird laute Musik als Folterinstrument eingesetzt; wer stundenlang AC/DC oder Britney Spears im Ohr hat, wird mürbe. Zahlreiche Studien zeigen, welche Auswirkungen chronischer Lärm auf die Gesundheit hat, zum Beispiel Verkehrslärm in Flughafeneinflugschneisen und an Autobahnausfallstraßen.

Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Krankheitslast durch Lärm in Europa untersucht. Dazu haben Wissenschaftler das komplexe Modell der disability-adjusted life years verwendet, also berechnet, wie viele gesunde Jahre Menschen verlieren, wenn sie ständigem Lärm ausgesetzt sind. Sie zeigten, dass Lärm den Europäern ungefähr 903 000 gesunde Lebensjahre durch Schlafstörungen raubt. Herzprobleme durch Lärm führen zu 61 000 verlorenen Jahren. Für Tinnitus-Erkrankungen sind es 22 000 Jahre. Insgesamt kostet der Verkehrslärm allein in Westeuropa jedes Jahr mindestens eine Million gesunde Lebensjahre. In der Wissenschaft wird zudem diskutiert, ob Lärm auch das Risiko für Depressionen und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes erhöht.

Zwar ist im Grunde jeder Mensch von Geräuschen umgeben, doch chronischer Lärm ist besonders für arme Menschen ein Problem. Wer es sich leisten kann, wohnt nicht am City-Ring, sondern mit Blick ins Grüne. Studien zeigen, dass Armut und Krankheit eng zusammenhängen; Lärm ist hier eine mächtige, aber leider nicht die einzige Komponente.

Auch im Berufsleben ist die Dauerbeschallung ein Problem. Viele Menschen klagen über Lärmbelastung und Konzentrationsschwierigkeiten am Arbeitsplatz - dennoch geht der Trend zum Großraumbüro. Dabei hätte der Kampf gegen Geräusche enorme Vorteile - zum Beispiel auch für die Sicherheit der Patienten auf dem OP-Tisch. Kinderchirurgen der Medizinischen Hochschule Hannover ist es in einem Pilotversuch gelungen, die Lautstärke im OP durch Rede- und Handyverbot um die Hälfte zu senken. Ergebnis: Die Operateure waren konzentrierter bei der Arbeit - und die Patienten hatten nach den Eingriffen seltener mit Nachblutungen oder Infektionen zu kämpfen.

Beinahe in allen Bereichen des Alltags sind Menschen von Lärmverschmutzung betroffen - und das Problem wird zunehmend ernst genommen. Lärmschutzfenster verzieren Neubaufassaden, Flugzeugtriebwerke sollen weniger donnern und der Asphalt auf der Straße leiser knistern. Doch Innovationen alleine werden nicht helfen, auch ein geräuscharmer Lebensstil ist gefragt. Man sagt doch so schön, in der Ruhe liegt die Kraft.

Felix Hütten

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Krakatau:Als die Welt erzitterte

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Illustrationen: Stefan Dimitrov

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Wir leben in ruhigen Zeiten. Der letzte, richtig große Rumms liegt viele Jahrzehnte zurück. Es war am 27. August 1883, als der lauteste, je von Menschen registrierte Knall die Luft erzittern ließ. In diesem Moment explodierte die indonesische Vulkaninsel Krakatau im Meer zwischen Java und Sumatra. In etwa 160 Kilometern Entfernung lag der Schalldruckpegel bei 172 Dezibel, das als ohrenbetäubend zu bezeichnen wäre verniedlichend. Die Schmerzgrenze des Menschen befindet sich bei 134 Dezibel; die Triebwerke eines Flugzeugs erzeugen in 100 Metern Entfernung einen Pegel von 110 bis 140, ein Presslufthammer schafft 100 Dezibel und mehr. Eine Steigerung um zehn Dezibel entspricht übrigens einer Verdopplung der empfundenen Lautstärke. Als der Krakatau explodierte, war das bis ins damalige Ceylon und nach Australien zu hören, die Druckwelle in Wien, München, New York messbar, jedoch nur als laues Lüftchen. Ganz anders in der Nähe des Vulkans: Der Hälfte der Seeleute an Bord der Norham Castle riss durch den Knall das Trommelfell. Das Schiff lag in 65 Kilometern Entfernung vom Krakatau.

Sebastian Herrmann

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Tiere:Duell unter Pistolenkrebsen

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Das lauteste Tier der Welt ist nur etwa fünf Zentimeter groß. Der Pistolenkrebs, der in tropischen Korallenriffen wohnt, kann mit seiner rechten Schere einen Knall von mehr als 200 Dezibel erzeugen - das ist um einiges lauter als ein Düsenjet. Die Garnele stört damit sogar das Sonar von U-Booten. Gerät sie in Gefangenschaft, schießt sie sich frei, indem sie ihr Wasserglas sprengt. Ihre Schusstechnik ist einzigartig: Die Tiere lassen die zwei Hälften ihrer Knallschere derart schnell zuschnappen, dass ein Wasserstrahl entsteht. Dieser bildet eine dampfgefüllte Blase, die mit lautem Knall implodiert. Mit seiner Waffe "erschießt" der Pistolenkrebs Beute, zum Beispiel kleine Fische, Krabben und Würmer, die durch den Druck betäubt werden. Treffen sich zwei Pistolenkrebse am Riff, geht es zu wie bei einem Duell im Wilden Westen. Die Gegner belauern sich eine Weile, ziehen ihre Waffe - und schießen. So finden sie heraus, wer die größere Pistole hat, wer also der Stärkere ist. Tote gibt es dabei nicht: Anders als im Wilden Westen achten die Krebse streng darauf, genügend Abstand zu halten, um ihren Gegner nicht ernsthaft zu verletzen.

Tina Baier

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Psychoakustik:Schaurig schön

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Kein Mensch wird gerne vom Jaulen einer Kreissäge oder von einem Presslufthammer vor dem Schlafzimmerfenster geweckt. Dennoch ist es bei Weitem nicht so, dass allein die Lautstärke darüber entscheidet, ob ein Geräusch als unangenehm empfunden wird. Die meisten Menschen würden wohl - mehr oder weniger - den Ergebnissen einer Umfrage zustimmen, die Forscher der University Newcastle vor einigen Jahren erstellt haben. Sie spielten den Probanden 74 Geräusche vor und baten um eine Wertung. Dabei ergab sich folgende Rangfolge des akustischen Horrors: (1) Ein Messer auf einer Flasche, (2) eine Gabel auf einem Glas, (3) Kreide auf einer Tafel, (4) ein Lineal auf einer Flasche, (5) Fingernägel auf einer Tafel, (6) der Schrei einer Frau, (7) eine Trennscheibe, (8) quietschende Bremsen am Fahrrad, (9) ein schreiendes Baby, (10) ein Elektrobohrer.

Menschen hassen offensichtlich vor allem hohe, kreischende Töne zwischen 2000 und 5000 Hertz. Womöglich liegt das daran, dass Töne in diesen Frequenzlagen am ehesten an Schreie erinnern, also auch an Angst und Gefahr. Dafür spricht auch eine Untersuchung mit funktioneller Magnetresonanz-Tomografie, die von den Forschern aus Newcastle parallel zu der Befragung durchgeführt wurde. Demnach war bei den schlimmsten Geräuschen neben dem auditorischen Cortex auch die Amygdala besonders aktiv, jene Gehirnregion, die stark an der Furchtkonditionierung beteiligt ist.

Doch scheint die rein akustische Dimension noch von einer inhaltlichen Deutung überlagert zu sein. So ergab eine weitere britische Studie, dass ein Geräusch als besonders unangenehm empfunden wird, das nun wirklich nicht schrill ist: das Geräusch, das ein Betrunkener macht, der sich übergibt. Offensichtlich ist es wichtig, was man assoziiert. Wobei sich Menschen dabei unterscheiden. Der passionierte Motorradfahrer wird beim Brummen einer Harley Davidson vielleicht gerührt an seine wilde Jugend denken; ein Anlieger ist nur genervt vom Verkehrslärm. Das Zischen einer Espressomaschine ist rein psychoakustisch nicht unbedingt ein angenehmes Geräusch. Aber in Erwartung des köstlichen Getränks, verstärkt noch vom Geruch des frisch gebrühten Kaffees, wird es bei vielen Menschen gute Gefühle auslösen.

Und so kann auch Krach von gewaltiger Lautstärke als angenehm empfunden werden, wie die Forscher der Newcastle University ebenfalls herausgefunden haben. Der angenehmste Lärm ist demnach der Applaus nach einer Darbietung, gefolgt von glücklichem Baby-Gegluckse, Gewitterdonner und Wasserrauschen.

Christian Weber

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Schallkanone:Gleich knallt's

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Wenn man jemandem was auf die Ohren geben will, ist das manchmal wörtlich zu verstehen. Etwa wenn man als Pirat im Indischen Ozean vorhat, ein Schiff zu entern. Da kann es passieren, dass die Security ein koffergroßes Long Range Acoustic Device (LRAD) auf einen ausrichtet und es plötzlich so laut wird, dass die Trommelfelle unerträglich schmerzen. So wurde am 5. November 2005 ein Angriff auf das Kreuzfahrtschiff Seabourn Spirit abgewehrt. Das LRAD ist eine Art Schallkanone, die stark gebündelt - ein bisschen wie ein Laser - sehr laute akustische Signale aussendet. Ein Standardmodell aus den USA erreicht bis in eine Entfernung von 20 Metern einen Schalldruck von 120 Dezibel und überschreitet damit die Schmerzgrenze. Harmlos ist das nicht. Als die New Yorker Polizei im Dezember 2014 Demonstranten aus wenigen Metern Entfernung derart beschallte, klagten diese über Migräne, Benommenheit und Ohrgeräusche. Und ob die Geräte die ideale Abwehrwaffe gegen Piraten ist, bleibt umstritten. Der schmerzende Schall lässt sich nämlich leicht abwehren: mit Ohrenschützern.

Christian Weber

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Tinnitus:Pfeifen im Ohr

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Krawumm, der Silvesterböller ist direkt neben dem Ohr explodiert! Eine Lautstärke von mehr als 150 Dezibel können die bunten Knallkörper erreichen. Sie sind damit ähnlich lärmend wie ein in 30 Meter Entfernung startender Düsenjet, warnen Ärzte ganz aktuell wieder zum tosenden Ausklang des Jahres. Was traditionell böse Geister verscheuchen sollte, setzt manchen Menschen mindestens kurzzeitig einen Fiepton ins Ohr. Oder ein Klingeln, Piepsen oder einfach das unangenehme Gefühl, alles nur durch Watte zu hören. Das Geräusch muss überhaupt nicht stören, bei vier Fünftel aller Betroffenen verschwindet es wieder komplett oder wenigstens fast vollständig. Sind die lästigen Fieptöne 24 Stunden nach Auftreten noch nicht wieder verstummt, empfiehlt es sich, einen HNO-Arzt aufzusuchen. Kortison kann helfen, Mittel, um die Durchblutung zu fördern, auch eine Therapie mit hyperbarem Sauerstoff, wobei der Nutzen all dieser Behandlungen noch nicht endgültig bewiesen ist. Kognitive Verhaltenstherapie ist bei chronischem Tinnitus wirksam. Die Patienten lernen dann, sich nicht ständig auf das Ohrgeräusch zu fokussieren.

Astrid Viciano

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Infraschall:Der Sound von Atombomben

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Kein Knall bleibt mehr unbemerkt, egal wo auf der Welt. Dafür sorgt seit einigen Jahren ein globales Netzwerk von Infraschall-Detektoren. Diese Horchposten arbeiten im Dienst einer Behörde namens CTBTO mit Sitz in Wien, die über die Einhaltung des international vereinbarten Atomteststopps wacht. Um mögliche völkerrechtswidrige Atombomben-Tests zu entdecken, betreibt die CTBTO neben den Schall-Detektoren auch Geräte, die radioaktive Spaltprodukte aufspüren sowie seismische Sensoren, die verdächtige Erschütterungen der Erdkruste entdecken. Die weltweit rund 60 Schalldetektoren messen atmosphärische Druckschwankungen, wie sie nukleare Explosionen auslösen. Die Messstationen sind möglichst weit weg vom Lärm der Zivilisation installiert. Eine Station, für deren Betrieb die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zuständig ist, befindet sich im Bayerischen Wald. Infraschall, also akustische Töne unterhalb der für Menschen noch hörbaren Frequenz von 20 Hertz kann auch von Vulkanen und Meteoren ausgelöst werden, weshalb die CTBTO-Messungen auch zivilen Nutzen haben.

Patrick Illinger

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Big Bang:Urschrei des Universums

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Am Anfang war kein Wort, nicht mal ein Wispern, rein gar nichts: Der Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren vollzog sich vollkommen lautlos. Eigentlich logisch, schließlich entstand ja erst mit ihm Zeit, Materie und der Raum, in dem sich Schallwellen hätten ausbreiten können. Erst mit der Zeit bildeten sich Dichteschwankungen, die sich als Schallwellen bemerkbar machten. Die Schwankungen wurden größer, und der Kosmos wurde lauter. Es war eher ein verspätet einsetzender Urschrei als der ganz große Knall, meint der Astronom Mark Whittle von der University of Virgina. Er nutzte Satellitendaten zur sogenannten kosmischen Hintergrundstrahlung, eine Art Echo des Urknalls, und simulierte so - mithilfe eines Computers und einiger Tricks - das Lärmen der ersten 100 Millionen Jahre. Nach dem zunehmend tieferen Schrei kam ein dumpfes Grollen, schließlich ein lauter werdendes Fauchen, mehr als 110 Dezibel seien aber nie erreicht worden. Mittlerweile aber hat sich die Materie im Weltall so weit verteilt, dass ein fast perfektes Vakuum herrscht. Und das bedeutet: Ruhe im All.

Christian Weber

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Weißes Rauschen:Hast du Töne?

Doppelseite Lärm/Krach Wissen Silvester, Illustrationen: Stefan Dimitrov

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Quelle: SZ

Weißes Licht ist bekanntlich nicht weiß, sondern ein Gemisch von Lichtstrahlung verschiedener Farben beziehungsweise Wellenlängen. Daraus entstand in der Akustik der Begriff vom Weißen Rauschen. Gemeint ist in der Praxis ein Gemisch von Tönen verschiedener Frequenzen, die mit gleicher Leistungsdichte abgestrahlt werden. Weil das menschliche Ohr unterschiedlich sensibel auf Tonhöhen reagiert, nehmen Probanden das akustische weiße Rauschen indes eher als höhenbetont wahr. Tatsächlich klingen manche der Frequenzgemische, wenn sie mathematisch korrekt erzeugt werden, oft unnatürlich und unangenehm. Nützlich sind manche Tonmischungen aber in der Behandlung von Tinnitus, jenem Leiden, bei dem die Patienten von innerlichen Pieps- oder Fiepgeräuschen geplagt werden. Bei Apps hingegen, die mit weißem Rauschen als Entspannungsmittel werben, ist Skepsis angebracht. Zumal wenn Anbieter sie zur Beruhigung von Babys anpreisen. Für Ingenieure hingegen ist Weißes Rauschen ein wichtiges Werkzeug, zum Beispiel um die Funktion von Übertragungsleitungen aller Art zu testen.

Patrick Illinger

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Schreien:Die lauteste Frau der Welt

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Die Assistenzlehrerin Jill Drake möchte man eher nicht zur Nachbarin haben. Die fröhliche, blonde Britin hat nämlich im Jahr 2000 einen besonders ausgefallenen Weltrekord aufgestellt. Sie kann von allen Frauen auf der Welt am lautesten schreien, so sagt es zumindest das Guinness-Buch der Rekorde, das ihren Schrei bei einem Wettbewerb in London mit einer Lautstärke von 129 Dezibel beziffert. Drakes Vorgängerin in Sachen Weltrekord war interessanterweise auch Lehrerin, was einen etwas nachdenklich macht, welchen Lautstärken wohl die eigenen Kinder in der Schule ausgesetzt sind, ohne dass wir Eltern es ahnen. Zum Vergleich: Das Ticken einer Taschenuhr hat eine Lautstärke von 20 Dezibel und ein vorbeirauschender Bach etwa 50. Ein Lastwagen in fünf Metern Entfernung bringt es auf 80 Dezibel und ein Presslufthammer in einem Meter Entfernung auf 120. Darüber kann Jill Drake vermutlich nur milde lächeln. Würde die Britin in ihrer Schule laufend schreien, müssten die Schüler und Kollegen vermutlich einen Gehörschutz tragen. Der wird in Deutschland ab 80 Dezibel empfohlen, ab 85 ist er sogar Pflicht.

Astrid Viciano

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Körper und Geist:Ruhe jetzt!

Doppelseite Ruhe
Wissen an Weihnachten
Illustrationen: Stefan Dimitrov

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In einer lärmenden Welt ist Stille zum Luxusgut geworden. Lesen Sie hier, was Forscher über Ruhe wissen: Welche deutsche Stadt ist am leisesten? Und wie klingen Schneeflocken?

© SZ.de/beu
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