Iranischer Physiker:Zehn Jahre Haft für eine Doktorarbeit

Iranischer Physiker: Omid Kokabee, 32, Doktorand und offenbar politischer Häftling.

Omid Kokabee, 32, Doktorand und offenbar politischer Häftling.

(Foto: freeomid.org)

Ein junger Physiker sitzt in Teheran in Haft, mutmaßlich weil er sich geweigert hat, an Waffen-Programmen mitzuarbeiten. 31 Nobelpreisträger haben seine Freilassung gefordert. Das Wissen, über das der Mann verfügt, könnte die Herstellung von Kernwaffen erleichtern.

Von Philipp Hummel

Als Omid Kokabee am 30. Januar 2011 nach einem Besuch in seiner Heimat Iran in die USA zurückkehren will, um seine Doktorarbeit an der University of Texas in Austin fortzusetzen, endet sein Leben in Freiheit. Der heute 32-jährige Physiker wurde in Teheran am Flughafen festgenommen und kam in Untersuchungshaft. Nach 15 Monaten im Gefängnis warf ihm die Anklage vor, in den USA mit einer "verfeindeten Regierung" kollaboriert und illegale Geldmittel angenommen zu haben. Beweise dafür wurden nicht vorgelegt. Kokabee wurde am 13. Mai 2012 in einem im Fernsehen übertragenen Prozess zu zehn Jahren Haft verurteilt. Er sitzt im Teheraner Evin-Gefängnis, in dem schon seit Zeiten des Schahs politische Gefangene inhaftiert werden.

Kokabee selbst vermutet, dass er in Haft kam, weil er sich weigerte, für das iranische Militär zu forschen. Der Laserphysiker hatte in einem privaten Brief aus dem Gefängnis erläutert, dass er auch für Projekte mit "nuklearen Anwendungen" vorgesehen gewesen war, wie das Fachjournal Nature bereits im April 2013 berichtete. Dabei ging es allem Anschein nach um die Entwicklung eines Hochleistungs-CO₂-Lasers. Diese Art von Laser lässt sich in einem neuen Verfahren zur Anreicherung von Uran verwenden.

Das Verfahren, das unter dem Namen Silex bekannt ist, befindet sich zwar noch in der Erprobungsphase, eine Testanlage wird derzeit im US-Bundesstaat North Carolina gebaut. Sollte es aber Forschern gelingen, diese Methode in den Griff zu bekommen, ließe sich technisch relativ einfach und in erheblich unauffälligeren Anlagen als bisher das Uran-Isotop 235 anreichern. Dieses braucht man für bestimmte medizinische und mikroelektronische Anwendungen. Man kann damit aber auch Kernkraftwerke betreiben oder Kernwaffen bauen.

Appell an den Ayatollah

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) hatte schon 2012 vor dem Silex-Verfahren gewarnt, weil es vergleichsweise leicht zur versteckten Herstellung von Kernwaffen missbraucht werden könne. "Es erscheint äußerst plausibel, dass Omid Kokabee dafür bestraft wurde, sein Wissen dem iranischen Atomprogramm vorenthalten zu haben", sagt Götz Neuneck, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Physik und Abrüstung der DPG von der Universität Hamburg.

Kokabee selbst hat berichtet, dass seit seinem Studienabschluss an der iranischen Sharif-Universität 2005 immer wieder Kontaktleute auf ihn zugekommen seien, um ihn von einer Mitarbeit in Rüstungsprojekten zu überzeugen. Sie nutzten seine Aufenthalte im Iran - Kokabee hatte zunächst in Barcelona und von 2010 an in den USA für seine Doktorarbeit geforscht -, um ihn zu ködern. Kokabee lehnte alle Angebote ab. Mittlerweile haben ihn die Amerikanische Physikalische Gesellschaft APS und der US-Wissenschaftsverband AAAS in Abwesenheit mit Preisen für seine Weigerung ausgezeichnet, sich an militärischer Forschung zu beteiligen.

Ende September bat eine Gruppe von 18 Physik-Nobelpreisträgern Irans Obersten Führer Ayatollah Ali Chamenei in einem offenen Brief um die Freilassung Kokabees. Anlass war unter anderem sein schlechter Gesundheitszustand. Kokabee leidet offenbar an Nierensteinen, Herzrasen, einem Stechen in der Brust und Magenproblemen. Vier Zähne habe er verloren, weitere seien dringend behandlungsbedürftig, wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte berichtet. Eine Anfrage bei der iranischen Botschaft in Berlin mit Bitte um Auskunft blieb ohne Antwort.

Petitionen für die Freilassung

Mittlerweile ist die Zahl von Kokabees Unterstützern auf 31 Physik-Nobelpreisträger angestiegen. Mit Klaus von Klitzing vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart und Wolfgang Ketterle vom Massachusetts Institute of Technology sind auch zwei Deutsche vertreten. Der SZ sagte Ketterle, er hoffe, dass öffentlicher Druck zu Kokabees Freilassung führen werde. Am vergangenen Montag übergaben Vertreter von Amnesty International, der US-Organisation Committee of Concerned Scientists, der International Campaign for Human Rights in Iran und der APS die Briefe und Tausende Petitionen der UN-Mission des Iran in New York.

Ende September hatte der oberste iranische Gerichtshof angekündigt, das Verfahren gegen Kokabee zu überprüfen, wie sein Anwalt über Facebook mitteilte. Offen ist aber, ob der öffentliche Druck nun zu einer Freilassung beiträgt oder eher hinderlich ist, weil das iranische Regime sich keinen Anweisungen aus dem Westen beugen will. Einige Monate dürfte es laut der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte noch dauern, bis es Neues im Fall Kokabee gibt.

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