Ionen-Beschleuniger FAIR:Kleinkrieg in der Großforschung

Kollision von Atomkernen - Illustration

Die Illustration zeigt die Kollision von Atomkernen, bei der Tausende, neuerzeugte Teilchen in alle Richtungen umherfliegen.

(Foto: Cern/dpa)

Kommende Woche ist Spatenstich für den Ionen-Beschleuniger FAIR. Klingt toll - zeigt aber in Wahrheit, wie katastrophal das Projekt aus dem Ruder gelaufen ist.

Kommentar von Patrick Illinger

Der Vorhang hob sich im Jahr 2002, und das seither andauernde Schauspiel hat mehr Akte als jeder noch so tränenreichen griechischen Tragödie würdig wären. Es begann mit der Empfehlung des deutschen Wissenschaftsrats, mehrere Großforschungsgeräte in Deutschland zu bauen, darunter ein neues Forschungsflugzeug, einen Hochleistungslaser und einen Ionen-Beschleuniger.

Das Flugzeug fliegt seit fünf Jahren im Dienst des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Der Laser wird in diesem Jahr in Hamburg eingeschaltet. Und der Ionen-Beschleuniger? Tja, von dieser Anlage, FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research) genannt, gibt es bis heute nur 20 Hektar gerodeten Wald und einige im Erdreich versenkte Betonstützen.

Eine externe Kommission kam zu einem vernichtenden Ergebnis

Nun soll es aber losgehen, heißt es. Diesmal wirklich. Am kommenden Dienstag ist "Spatenstich" für FAIR, eine "einzigartige Anlage zur Erkundung der Struktur exotischer Atomkerne", die neben dem Gelände der Gesellschaft für Schwerionenforschung GSI bei Darmstadt entstehen soll. Ein Spatenstich, das klingt wie ein freudiges Ereignis. Tatsächlich ist FAIR das Musterbeispiel eines katastrophal aus dem Ruder gelaufenen Großprojekts. Es dauerte alleine fünf Jahre von der Empfehlung des Wissenschaftsrats bis zu einer ersten Verständigung mit möglichen internationalen Partnern.

Weitere drei Jahre vergingen bis zu einer bindenden Vereinbarung. 2011 begannen erste Bauarbeiten, und sofort türmten sich planerische und finanzielle Probleme auf, gepaart mit Kleinkriegen zwischen GSI, FAIR, Auftragnehmern, Aufsichtsgremium und Partnerländern. 2014 eskalierte die Sache, und eine externe Kommission unter Leitung des CERN-Chefs Rolf-Dieter Heuer sollte die Zustände in Darmstadt durchleuchten. Das Ergebnis war vernichtend, Geschäftsführer wurden gefeuert, und die Gutachter legten nahe, die Anlage um wesentliche Teile zu verkleinern. Letzteres war jedoch für die Partnerländer inakzeptabel.

Vor drei Monaten hat auch der Bundesrechnungshof massive Kritik geäußert: "Der Bundesrechnungshof sieht erhebliche Versäumnisse des Bundesforschungsministeriums als Gesellschafter und Zuwendungsgeber." Der Terminplan ist fraglich, und Deutschland muss sich nach den explodierten Kostenprognosen der vergangenen Jahre auf weitere Steigerungen einrichten. Weit mehr als eine Milliarde Euro wird das den deutschen Steuerzahler kosten. In Asien entstehen unterdessen Forschungsanlagen, die FAIR zumindest in Teilen obsolet machen.

Der Karriere der lange Zeit verantwortlichen Ministerialbeamtin aus dem Bundesforschungsministerium tat das nie einen Abbruch. Sie vertritt bis heute Deutschland in höchsten forschungspolitischen Gremien, auch auf EU-Ebene.

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