Indonesien:Baustelle Korallenriff

Durch Fischfang mit Dynamit und Zyanid ist ein großer Teil der Atolle vor Indonesien zerstört oder schwer beschädigt. Bremer Ökologen wollen sie wiederbeleben.

Beate Kittl

Wo einst ein üppiges Korallenriff lag, gähnt eine submarine Wüste. Die Meeresbiologin Yvonne Sawall taucht über ein Geröllfeld aus abgebrochenen Geweihkorallen, totes, mit violettem Algenschleim bedecktes Kalkgestänge. Fische sind rar und winzig: fingerlange Damsellen, handtellergroße Falterfische, der größte ist ein einsamer Kugelfisch unter einer umgestürzten Tischkoralle.

Indonesien: Die Korallenriffe vor Indonesiens Küste sind gefährdet - und damit auch die Fischbestände.

Die Korallenriffe vor Indonesiens Küste sind gefährdet - und damit auch die Fischbestände.

(Foto: Foto: AP)

Der Boden ist mit Bombenkratern der Dynamitfischer übersät. Im verschmutzten Wasser wuchern Algen.

Doch das Riff ist nicht verloren. Sawall zeigt auf mehrere zentimetergroße Korallensprösslinge. Die Korallen wachsen nach. Wie schnell das geht und wie sich ihr Stoffwechsel an Umweltbelastungen anpasst, will Sawall wissen, die am Bremer Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) promoviert.

Sie ist einer von mehreren deutschen Wissenschaftlern, die im Zuge einer Forschungskooperation mit Indonesien die schwer geschädigten Riffe vor Südsulawesis Provinzhauptstadt Makassar erforscht und Strategien zu ihrer Rettung entwickelt.

Es steht viel auf dem Spiel. Das Dreieck zwischen Sulawesi, den Philippinen und Papua Neuguinea wird das Amazonasbecken der Meere genannt. Meeresbiologen zählten dort mehr als 500 der weltweit 793 riffbildenden Korallenarten und rund 1200 Fischarten.

Mantarochen ziehen durch die Region, 22 Delphin- und Walspezies und sechs der acht Meeresschildkrötenarten. Es gibt ungezählte Raritäten, darunter den urtümlichen Quastenflosser, ein lebendes Fossil, das sonst nur aus Südafrika bekannt ist.

Diese Preziosen existieren hier jedoch nicht allein. 60 Prozent der 230 Millionen Indonesier leben an der Küste, Millionen Fischer verdienen ihren Lebensunterhalt in den Riffen. Die Fischbestände stehen vielerorts vor dem Kollaps.

Fischfang mit Dynamit

"Mein Großvater fischte 20 Meter vor unserem Haus. Heute müssen wir für 24 Stunden hinausfahren", klagt ein Fischer auf der Insel Lae-Lae vor der Großstadt Makassar. Deshalb stellen die Fischer den Flossentieren mit Dynamit und Zyanid nach.

Schon die Hälfte der indonesischen Riffe ist schwer geschädigt oder zerstört; der Staat verliert jährlich Einnahmen von über 100 Millionen Euro. Neben der Überfischung belasten Klimaerwärmung und Verschmutzung durch Industrie und Landwirtschaft die Riffe der Welt: zwei Drittel könnten bis 2030 verschwunden sein - der Grund, warum 2008 zum "internationalen Jahr des Korallenriffs" ausgerufen wurde.

Willem Moka von der Hassanuddin Universität in Makassar dokumentiert den Korallentod vor Sulawesi seit 30 Jahren. "Es ist den Leuten nicht klar, dass mit den Riffen auch die Fische verschwinden", sagt der Forschungspartner der Deutschen. Seine Mittel reichen gerade zur Erhebung des Riffzustands und um ein paar Korallenbrocken in zerstörte Gebiete zu verpflanzen.

Baustelle Korallenriff

Darum ist die Hilfe der Bremer Wissenschaftler willkommen. Doktoranden untersuchen die Todesursachen schwindender Seegraswiesen, der Kinderstuben vieler Fische; sie erkunden das Überleben von Korallen- und Fischlarven im verschmutzten Wasser vor Makassar und inspizieren den Zierfischhandel, für den lebende Fische mit giftigem Zyanid gefangen werden. Nebenbei bringen sie einheimischen Studenten Ökologie bei.

Yvonne Sawall interessiert sich für die Widerstandskräfte der Korallentiere. Sie inspiziert unter Wasser Tontafeln, die sie in geschädigten Riffen auf tote Korallenblöcke geschraubt hat. Sie vergleicht, wie viele der winzigen Korallenpolypen sich neben Würmern, Algen und Bakterienschleim darauf ansiedeln. An erwachsenen Korallen untersucht sie, wie Stoffwechsel und Gewebe auf unterschiedliche Wasserqualität reagieren.

Das Wachstumspotential der Nesseltiere gibt Grund zur Hoffnung. Anders als Meeresbiologen lange angenommen haben, können sich Korallen nach Störungen schnell wieder erholen. Eigentlich stünde dem nichts im Weg. Die Dynamitfischerei geht zumindest im Spermonde Archipel vor Makassar zurück, sagt Moka - die Polizei hat viele Boote und Sprengstoff beschlagnahmt.

Auf losen Korallenfragmenten schaben vielerorts Wellen die Jungkorallen wieder ab. Künstliche Riffstrukturen könnten Abhilfe bieten. Sebastian Ferse vom Bremer ZMT, nahm in Sulawesi eine vielversprechende Technik namens Biorock unter die Lupe, bei der Schwachstrom die Kalkablagerung und so das Korallenwachstum fördert.

Weniger fischen, mehr fangen

Sein Fazit: Nicht alle Arten profitieren gleich von den Wachstumsförderern, manche wachsen sogar schlechter. "Die Wissenschaft der Riffrekonstruktion steckt noch in den Kinderschuhen", sagt Meeresbiologe Mark Erdmann von der Umweltorganisation The Nature Conservancy.

Angesichts der vielen zerstörten Riffe leisten künstliche Strukturen nur einen kleinen Beitrag zum Wiederaufbau. Abhilfe können nur Meeresschutzgebiete bringen. Die Riffe erholen sich dort erwiesenermaßen von selbst und befruchten umliegende Gebiete mit ihrem Fischreichtum. Am besten funktioniert es, wenn Einheimische für die Schutzzonen verantwortlich sind.

Als Segen für Fischer und Fische erwies sich ein Projekt des Meeresschutzprogramms Coremap im Bonerate Nationalpark in Südsulawesi - dem drittgrößten Korallenatoll der Welt. Die Bewohner verboten für 2003 vor ihren Dörfern das Fischen und verteidigten das Atoll selbst. "Wir fischen weniger, fangen aber mehr Fische", staunte ein Fischer.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: