Impfungen:Kein Zusammenhang mit Autismus

Impfkritiker verweisen gern auf eine britische Studie, derzufolge die kombinierte Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln Autismus hervorrufen könne. Dass eine aktuelle Studie diese Ergebnisse widerlegt, werden Eltern ungeimpfter Kinder nicht gerne hören.

Handfeste wissenschaftliche Beweise sind nicht immer nötig, um eine Meinung vehement zu vertreten. Und doch verweisen impfkritische Eltern gern auf eine vor acht Jahren im Fachmagazin Lancet veröffentlichte Studie, derzufolge die kombinierte Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) Autismus bei Kindern hervorrufen könne.

Der britische Arzt Andrew Wakefield glaubte damals, diesen Zusammenhang erkannt zu haben, als er von zwölf Kindern hörte, die nach der Impfung Autismus entwickelten.

Wakefields Warnung vor der Dreifachspritze kam gut an im Lager der Impfkritiker. Dass jetzt die Entwarnung folgt und eine aktuelle Studie Wakefields Ergebnisse widerlegt, werden Eltern ungeimpfter Kinder nicht gerne hören (Pediatrics, Bd. 118, S. 139, 2006).

"Zusammenhang ausgeschlossen"

Doch Eric Fombonne von der Kinderklinik der McGill University in Montreal schlussfolgert aus seinen Untersuchung in der kanadischen Provinz Quebec unmissverständlich: "Unsere Ergebnisse schließen einen Zusammenhang zwischen Entwicklungsstörungen wie Autismus und der MMR-Impfung aus."

Der Arzt verfolgte die Entwicklung von fast 28000 Kindern, die zwischen 1987 und 1998 geboren wurden - also im gleichen Zeitraum, in dem auch Wakefield seine Beobachtungen machte.

Doch da hört die Gemeinsamkeit zwischen beiden Studien schon auf. Denn anders als sein britischer Kollege, der seine Ergebnisse anhand von lediglich zwölf und nicht einmal zufällig ausgewählten Teilnehmern gewann, ging Fombonne das Problem von verschiedenen Seiten an.

Denn die Kritik der Impfgegner betrifft mehrere Punkte: So sollen Kinder, die (wie auch in Deutschland von der Ständigen Impfkommission empfohlen) zwei Spritzen während der ersten beiden Lebensjahre erhalten, ein größeres Autismus-Risiko haben als Kinder mit nur einer Impfung.

Außerdem wurden immer wieder Vermutungen laut, dass auch andere Impfstoffe Autismus auslösen - zum Beispiel, wenn ihnen der quecksilberhaltigen Konservierungsstoff Thiomersal zugesetzt worden ist.

Nun entkräftet Fombonne auch diese Vorwürfe. "Auch wenn Kinder zweimal geimpft werden, besteht kein Zusammenhang zwischen der Impfung und Autismus", sagt der Arzt. Thiomersal könne man ebenfalls nicht mit der Entwicklungsstörung in Verbindung bringen.

Denn der Konservierungsstoff wurde in Kanada nur bis 1996 in Vakzinen eingesetzt - die Zahl der von Autismus betroffenen Kinder ist aber während der gesamten Studienzeit, also auch seit 1996, kontinuierlich gestiegen. Es ist das, was Statistiker die Storchenfalle nennen: Selbst wenn sowohl die Zahl der Störche als auch die der Babys steigt, heißt das noch nicht, dass Störche die Babys bringen. Es muss gar keinen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen geben.

Fombonne identifizierte denn auch andere Ursachen als Impfungen für den steten Anstieg der Autismusfälle. "Heute gelten einfach andere Diagnosekriterien als noch vor einigen Jahren", sagt er.

"Da kann man nicht vernünftig argumentieren"

Welche Auswirkungen das haben kann, zeigt eine finnische Studie über Autismus: Forscher wandten jeweils die alten und neuen Kriterien auf die gleichen Fälle an und erhielten gemäß der neuen Definition doppelt bis dreimal so hohe Krankheitszahlen.

Darüber hinaus seien Eltern heutzutage vorsichtiger und gingen früher zum Arzt, wenn ihnen die Entwicklung ihrer Kinder auffällig erschiene, fügt Fombonne hinzu.

Trotz aller wissenschaftlicher Argumente schätzt Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut die Durchschlagkraft der neuen Studie unter deutschen Impfgegnern als ziemlich gering ein: "Die Angst vor Nebenwirkungen ist zwar ein wichtiger Aspekt der Kritiker, aber nicht der einzige", sagt sie.

"Und bei ideologischen Vorbehalten kann man nun einmal nicht mehr vernünftig argumentieren."

Zumindest in der Wissenschaftsgemeinde hat Wakefield sein Ansehen aber längst verloren. Das Fachmagazin Lancet zog seine Veröffentlichung bereits im Februar 2004 zurück, und dem Magen-Darm-Spezialisten Wakefield droht eine Klage der britischen Ärztekammer sowie der Ausschluss aus dem Ärzteregister.

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