Hyperaktivität:Schwerhörig und rastlos

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Kinder und Jugendliche mit Hör- und Gleichgewichtsstörungen leiden häufig auch an Problemen wie Hyperaktivität. Eine Studie an Mäusen deutet nun darauf hin, dass beides mit einer Fehlbildung im Innenohr zusammenhängen könnnte.

Von Christian Weber

Es ist eine verbreitete und in den meisten Fällen ja auch gut begründete Annahme: Die Ursache von Verhaltensstörungen liegen immer im Gehirn, wobei Außenfaktoren wie die soziale Umwelt auch mehr oder weniger Einfluss nehmen.

Jetzt aber haben Mediziner um Jean Hébert vom Albert Einstein College of Medicine der Yeshiva University in New York zumindest an Mäusen erstmals einen weiteren Mechanismus belegt: Demnach können auch Fehlbildungen des Innenohrs neurologische und psychiatrische Störungen verursachen ( Science, Bd. 341, S.1120, 2013).

Ärzten ist seit Jahren bekannt, dass Kinder und Jugendliche mit Hör- und Gleichgewichtsstörungen häufig auch an Problemen wie Hyperaktivität leiden, doch war der Zusammenhang unklar. Den New Yorker Forschern war nun zufälligerweise aufgefallen, dass auch ungewöhnlich aktive Mäuse in ihrem Labor unter schweren Defekten der Cochlea - der Hörschnecke - und des Gleichgewichtsorgans litten, die beide zum Innenohr gehören.

Dabei stellte sich heraus, dass dieses Problem auf einer Mutation im sogenannten Slc12a2-Gen beruht, das im Ohr exprimiert wird. Über dieses Gen verfügt auch der Mensch. In weiteren Versuchen verglichen die Wissenschaftler dann ansonsten gesunde Mäuse, denen entweder nur dieses Gen oder bestimmte Gehirnregionen entfernt wurden, die der Bewegungssteuerung dienen.

"Zu unserer Überraschung beobachten wir eine erhöhte Bewegungsaktivität nur dann, wenn das Gen entfernt worden war", sagt Hébert. Daher liefere die neue Studie "die ersten Beweise, dass eine Fehlfunktion des Innenohrs bestimmte molekulare Änderungen im Gehirn verursacht, die wiederum Verhaltensstörungen verursacht, deren Ursprung man üblicherweise allein im Gehirn sieht."

Die Studienautoren vermuten, dass die Innenohr-Defekte zu einer Störung im sogenannten Striatum führen, einer Region im Großhirn, von der aus die Bewegung kontrolliert wird. Da die Wissenschaftler anschließenden Untersuchungen auch die molekularen Signalwege vom Ohr zum Gehirn entschlüsselt haben, lassen sich auf Basis der Befunde womöglich auch neue Medikamente gegen Hyperaktivität entwickeln. Bei den Mäusen ist das zumindest schon gelungen.

© SZ vom 06.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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