Hydrologie:Vom Wasser

Vehicles parked on ice on the surface of Lake Baikal Siberia Russia March 2008 PUBLICATIONxINxGE

Der Baikalsee: größter Süßwasserspeicher weltweit.

(Foto: imago/Nature Picture Library)

Seen bieten erstaunliche Rekorde: vom größten Süßwasservorrat der Erde, Abgründen und Untiefen, endlosen Stränden und Küstenlinien sowie erstaunlich viel Durchblick.

Von Werner Bartens

So ein See ist etwas Feines. Eine Gebrauchsanweisung für Müßiggänger hat schon Bertolt Brecht im Gedicht "Vom Schwimmen in Seen und Flüssen" gegeben: "Natürlich muss man auf dem Rücken liegen / So wie gewöhnlich. Und sich treiben lassen." Möglichkeiten dazu gibt es genug, auch wenn es die Menschen im Urlaub vor allem ans Meer zieht. Kein Wunder, dass sie dort in Bedrängnis kommen, denn an Binnengewässern wären die Chancen weitaus größer, einen ruhigen Platz zu finden: Die Küstenlinie aller Seen auf der Erde ist immerhin viermal so lang wie jene der Küsten und Strände an den Ozeanen und beträgt ungefähr sieben Millionen Kilometer. Das ist zehnmal die Strecke von der Erde zum Mond - und wieder zurück.

Diese und viele andere überraschende Details über Seen beschreiben Wissenschaftler der kanadischen McGill-Universität im Fachmagazin Nature Communications (online). So haben die Geografen um Bernhard Lehner errechnet, dass die Wassermenge aus allen Seen der Erde so gewaltig ist, dass sie die komplette Landmasse des Planeten mit einer 1,30 Meter tiefen Schicht bedecken würde. Diese beeindruckende Wasserfülle kommt zusammen, da es weltweit 1,4 Millionen Seen gibt, deren Oberfläche mehr als zehn Hektar beträgt.

Ein Traum, dieser See in Neuseeland: fast so klar wie destilliertes Wasser

Der größte See der Erde ist das Kaspische Meer, ein riesiger Salzsee, dessen Oberfläche mit etwa 390 000 Quadratkilometern sogar größer als jene von Deutschland ist. Der tiefste See der Erde ist hingegen der in Südsibirien gelegene Baikalsee. Seine tiefste Stelle reicht 1642 Meter hinab, im Mittel ist das Gewässer immerhin mehr als 700 Meter tief. Mit knapp 32 000 Quadratkilometern Fläche ist der Baikal zwar "nur" der siebtgrößte See der Erde und damit etwas kleiner als Nordrhein-Westfalen. Er enthält jedoch aufgrund seiner enormen Tiefe ein Fünftel aller Süßwasservorräte des Planeten. Im Sommer wird es am See zwar an vielen Tagen 20 Grad Celsius warm. Seine enorme Tiefe und Wassermenge verhindern jedoch, dass sich der See auf mehr als 10 Grad erwärmt. Der Plattensee, immerhin flächengrößter See Mitteleuropas, ist von seinem Profil her das Gegenteil vom Baikalsee. In den Balaton kann man von vielen Uferstellen aus Hunderte Meter ins Wasser gehen, ohne dass es die Schultern erreicht. Im Mittel ist der See nur drei Meter tief, die tiefste Stelle misst gerade mal zwölf Meter.

Die Forscher um Bernhard Lehner haben mit Satellitenmessungen und Rechenmodellen erfasst, welche Dimensionen die Seen der Erde haben - und wie sie sich verändern. Diese Art der Forschung hat es nicht allein auf Größenrekorde abgesehen. Für den Lebensraum vieler Tiere und Pflanzen, das Wetter, das Klima und die Emission von Treibhausgasen spielen Seen auch eine wichtige Rolle. "Es heißt immer, dass wir mehr über die Oberfläche von Mond und Mars wissen als über den Meeresboden", sagt Lehner. "Mag sein, aber das gilt ganz ähnlich auch für das, was unter der Oberfläche der meisten Seen passiert."

Finnland bringt sich zwar gerne als "Land der hunderttausend Seen" ins Gespräch und kommt laut Eigenwerbung auf 187 888 Stillgewässer. Das ist aber wenig im Vergleich zu Kanada, das - als Erbe der Eiszeit - über 900 000 Seen und damit etwa 62 Prozent aller derartigen Binnengewässer verfügt. Im Mittel verbleibt Wasser ungefähr fünf Jahre in den Seen, dann ist es durch Zufluss, Abfluss oder Verdunstung ausgetauscht. Etwa 3000 Seen verändern sich jedoch so langsam, dass ihr Wasserinhalt nur alle 100 Jahre wechselt.

Die zehn größten Seen der Erde beinhalten 85 Prozent allen Seewassers. Beschaulicher ist es jedoch vermutlich an den kleineren Gewässern, wo mit Bert Brecht gilt: "Der Leib wird leicht im Wasser. Wenn der Arm / Leicht aus dem Wasser in den Himmel fällt." Dann wird alles klar und durchsichtig, wozu man nicht am Blue Lake in Neuseeland stehen muss, der mit 70 bis 80 Meter Sichtweite als klarster See der Welt gilt - und damit fast so durchsichtig ist wie destilliertes Wasser.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: