Hunger in Westafrika:Das Glücksspiel der Ärmsten

Seit einigen Jahren würfelt der Klimawandel die Jahreszeiten in Westafrika durcheinander. Das Leben der Bauern ist damit unkalkulierbar geworden.

Sebastian Herrmann

Eine Autostunde östlich von Ougadougou schießt ein Laser über die Bauern von Burkina Faso. Das Gerät steht auf einem Tafelberg, der sich vielleicht 70 Meter über das topfebene Land erhebt. Das Ziel der Laserkanone befindet sich einen Kilometer entfernt auf einem weiteren Tafelberg. Alle paar Minuten feuert das Scintillometer einen Strahl hinüber. Aus der Brechung des Lichts errechnen Wissenschaftler die Durchschnittstemperatur knapp über dem Boden. "Grundlagenforschung auf höchstem Niveau", schwärmt der Hydrologe Jan Hendrickx. Und doch erzählen diese abstrakten Daten vom Schicksal der Menschen, über deren Köpfe der Laser hinwegschießt.

Afrika, Hunger

Westafrika hat sich in den vergangenen 25 Jahren schneller aufgeheizt als der globale Durchschnitt.

(Foto: Foto: getty)

Auf der Ebene stehen vereinzelte Gehöfte, grüne Flecken im kargen rotbraunen Land. Die Kleinbauern, die dort leben, können sich nicht mehr auf die Abfolge der Jahreszeiten verlassen. Genauso ist es im angrenzenden Ghana und den anderen Ländern Westafrikas. Der Klimawandel verschiebt den Beginn der Regenzeit und sorgt für extreme Wetterereignisse. Das zeigen die Daten verschiedener Messstationen in Westafrika, zu denen auch das Scintillometer auf dem Berg bei Ougadougou gehört. Und das erzählen auch die Bauern der Region.

"Unsere Ernten sind immer in Gefahr"

Die Menschen müssen deshalb oft Hunger leiden. "Unsere Ernte und unser Leben sind immer in Gefahr", sagen die Bauern von Kandiga, knapp 200 Kilometer weiter südlich in Ghana. Im vergangenen Jahr hatte sich die Regenzeit im Frühjahr wie immer mit einigen Regengüssen angekündigt. Wie stets, säten die Bauern darauf Hirse, Erdnüsse und andere Feldfrüchte aus. Weiterer Regen blieb jedoch aus, die Keimlinge verdorrten, die Ernte war verloren. Im Sommer 2008 stürzten dann Wassermassen vom Himmel und schwemmten die letzten Pflanzen und die fruchtbare Erde von den Äckern. Im September diesen Jahres verloren Hunderttausende in Burkina Faso bei verheerenden Überschwemmungen ihre Häuser und ihre Ernten.

In Westafrika bedroht der Klimawandel bereits akut das Leben der Menschen, er raubt ihnen die Möglichkeit, sich zu ernähren. Die Region hat sich in den vergangenen 25 Jahren schneller aufgeheizt als der globale Durchschnitt. "Vor allem hat aber die Variabilität zugenommen", sagt Harald Kunstmann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung in Garmisch. Er wertet Daten aus, die nahe Ougadougou gesammelt werden und erstellt Modelle und Prognosen für Westafrika.

Die Niederschlagsmenge hat sich im Jahresmittel in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert, sie konzentriert sich jedoch auf wenige Starkregen. Der Beginn der Regenzeit hat sich etwa um 30 Tage verschoben. Das macht Regenfeldbau unberechenbar. Darauf sind die Bauern aber angewiesen, sie leben von dem, was auf ihrem Land wächst.

Ähnlich ist die Situation in Kamerun. Namanga Ngongi, Vorsitzender der Alliance for a Green Revolution in Africa, berichtete auf einer Tagung in Salzburg jüngst aus seinem Heimatdorf. Anfang des Jahres habe es dort ungewöhnlich heftige Regenfälle und Überschwemmungen gegeben. "Aber niemand schreibt das auf", sagte Ngongi. Niemand sammele die Daten, damit sich die Bauern für die Zukunft wappnen können.

Harald Kunstmann und sein Kollege Patrick Laux haben für Kamerun Computermodelle entwickelt, um den optimalen Aussaattermin für die Bauern Jahr für Jahr zu ermitteln. Doch damit dies die Ernährung der Menschen sichern hilft, müssten die Daten den Weg in die Lehmgehöfte Westafrikas finden. Das wird so bald nicht geschehen. Auch der Rhythmus der Jahreszeiten wird seinen Takt so schnell nicht wiederfinden.

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