H1N1:Tamiflu - jeder will es

Einige Firmen wie BMW haben für ihre Mitarbeiter bereits Grippemittel-Vorräte angelegt.

Gebina Doenecke

Seit dem Wochenende versetzt sie die Menschen in Angst: die Schweinegrippe. Laut Online-Apotheke Medpex bestellen die Deutschen derzeit bei Apotheken verstärkt virusfilternde Schutzmasken: "Da wird es im Großhandel schon eng", berichtet Frank Müller, Sprecher der Versandapotheke.

Tamiflu, ddp

Darf nur auf ärztliche Verordnung hin ausgegeben werden: das Grippemedikament Tamiflu.

(Foto: Foto: ddp)

Doch es ist gar nicht der Mundschutz allein, der im Falle einer echten Pandemie nützen würde. Zu den wirksamen Präparaten gegen Viren der neuen Krankheit gehören das gängige Grippemittel Tamiflu des Schweizer Roche-Konzerns und Relenza des britischen Pharmaunternehmens GlaxoSmithKline. Tamiflu kann als Tablette eingenommen werden, während Relenza inhaliert werden muss.

Doch Mediziner warnen immer wieder eindringlich davor, die Präparate vorschnell oder gar auf Verdacht einzunehmen. Beide Mittel dürfen deshalb nur nach Vorlage eines ärztlichen Rezeptes ausgegeben werden - auch bei der Online-Apotheke Medpex. "Unsere Kunden wissen darüber sehr gut Bescheid. Wer Tamiflu bestellt, muss ein Original-Rezept einschicken."

Ausdrücklich raten Mediziner davon ab, sich bei dubiosen Internet-Firmen eines der Medikamente prophylaktisch zu bestellen: Oft sind die angebotenen Mittel gefälscht, das Haltbarkeitsdatum überschritten oder aber es wird gar nicht geliefert.

Längst existiert auch ein nationaler Notfallplan: Die Bundesländer sollen bei Bedarf 20 Prozent der Bevölkerung mit Medikamenten versorgen. Oberstes Ziel ist es dabei, die öffentliche Ordnung aufrechtzuhalten, deshalb wird der "zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderliche Personenkreis" zuerst mit Medikamenten oder einem Impfstoff versorgt

Roche prüft derzeit, wie der Konzern schnell mehr Tamiflu produzieren kann. "Wir sind dabei, unsere Aktivitäten wieder aufzunehmen und prüfen alle Prozesse, um zu sehen, wie wir die Produktion erhöhen können", so die Sprecherin des Basler Konzerns.

Das ursprünglich von der US-Biotechnologiefirma Gilead Sciences entwickelte Präparat hatte schon vor einigen Jahren im Zusammenhang mit der Vogelgrippe Bekanntheit erlangt. Überall auf der Welt hatten sich Regierungen und Unternehmen mit Tamiflu eingedeckt, um für den Fall eines globalen Ausbruchs gerüstet zu sein.

Der Betriebsarzt hat Tamiflu

Roche selbst verfügt nach eigenen Angaben über gewisse Tamiflu-Vorräte, um den Bedarf für die saisonale Grippe zu decken. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe, so die Sprecherin, auf den von Roche im Jahr 2005 gestifteten Tamiflu-Notfallvorrat für drei Millionen Behandlungen noch nicht zugegriffen. Zusätzlich stünden der WHO im Bedarfsfall weitere zwei Millionen Packungen mit dem Medikament zur Verfügung. Für eine wirkliche Pandemie dürften die Vorräte aber trotzdem nicht reichen.

Einige deutsche Unternehmen haben deshalb für ihre Mitarbeiter schon selbst vorgesorgt: So gibt es beim BMW-Konzern einen allgemeinen Notfallplan - und es existieren eigene Tamiflu-Vorräte. "Wir haben an allen relevanten Standorten ausreichende Mengen an Tamiflu zur Verfügung", berichtet BMW-Sprecher Michael Rebstock im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Natürlich werde das Mittel nicht prophylaktisch ausgeteilt, könne aber von den Betriebsärzten verschrieben werden. Auch die Reiserichtlinien hat der Konzern verschärft: So dürfen die BMW-Mitarbeiter derzeit keine Reisen nach Mexiko unternehmen. Jeder Angestellte des Konzerns, der aus Mexiko zurückkehrt, muss - vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz - drei Tage zu Hause zur Beobachtung verbringen.

Eine spezielle Reiseregelung hat auch der Siemens-Konzern getroffen: So müssen derzeit alle Mitarbeiter Reisen nach Mexiko in der Zentrale prüfen und genehmigen lassen. Wer aus dem Land zurückkehrt, solle sich selbst beobachten und eventuell einen Arzt aufsuchen. Die Situation werde von einem Sicherheitsstab im Haus sehr genau verfolgt, jedoch gebe es keine extra Tamiflu-Bestände in den Siemens-Niederlassungen: "Wir haben keine größeren Medikamenten-Vorräte angelegt", berichtet Georg Haux, einer der Siemens-Sprecher.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin empfiehlt seinen Mitgliedern nicht, eigene Tamiflu-Vorräte anzulegen, bei den Reiserichtlinien gilt: "Wir richten uns grundsätzlich nach den Angaben des Auswärtigen Amtes - und empfehlen das auch unseren Mitgliedern", so Ute Brüssel, Sprecherin des Verbandes.

Das Auswärtige Amt rät derzeit von "nicht unbedingt erforderlichen" Reisen nach Mexiko dringend ab. Die Bundesregierung bemüht sich, die Bürger zu beruhigen.

So versichterte am Dienstag Staatssekretär Klaus Theo Schröder vom Bundesgesundheitsministerium, dass Deutschland für den Ernstfall gerüstet sei. In der Bundesregierung seien alle notwendigen Vorkehrungen getroffen worden: "Im Moment sehen wir keine konkrete Bedrohung, kein Szenario, das es notwendig macht, Krisenstäbe auf allen Ebene einzurichten."

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