HIV-Prävention:Chemie statt Kondome

In Afrika startet der weltweit größte Test einer Creme, mit der sich Frauen vor Aids schützen können.

Kristina Läsker

Sich beim Freund oder Ehemann mit Aids anzustecken: Für viele Frauen in Afrika, Asien und Osteuropa gehört diese Angst zum Alltag. Denn obwohl Forscher seit Jahren nach einem Impfstoff gegen die Immunschwächekrankheit fahnden, gibt es bisher nur zwei sichere Methoden gegen die Infektion: Enthaltsamkeit oder Kondome. Beides ist in Entwicklungsländern kaum zu praktizieren. Wenige Frauen wagen es, den Partner um den Gebrauch eines Kondoms zu bitten - selbst wenn dieser HIV-positiv ist, berichtet Unaids, die Anti-Aids-Initiative der Vereinten Nationen.

Aids-Gel, AP

Ein Gel soll HI-Viren aufhalten.

(Foto: Foto: AP)

Daher arbeiten Wissenschaftler schon seit längerem mit Hochdruck an einer Creme, die Sexualleben und Familienplanung von Frauen in Entwicklungsländern revolutionieren soll: In Südafrika, wo etwa fünf der weltweit 40 Millionen mit HIV infizierten Menschen leben, startet dieser Tage der weltweit größte Test mit so genannten Mikrobiziden. Das sind Salben, Cremes oder Zäpfchen, die auf die Schleimhaut der Scheide aufgetragen werden. Sie sollen die Aidsviren darin hindern, in den Körper einzudringen.

Pharmastudie mit Placebo-Creme und Kondomen

Im aktuellen Feldversuch muss ein halber Teelöffel eines durchsichtigen Mikrobizid-Gels etwa eine Stunde vor dem Geschlechtsverkehr eingeführt werden, um mehrstündigen Schutz zu bieten. "Wir wollen eine billige, effiziente und leicht anzuwendende Methode entwickeln, wie Frauen sich gegen Aids oder Geschlechtskrankheiten schützen können", sagt Studienbetreuerin Helen Rees von der HIV-Abteilung der Witwatersrand-Universität in Johannesburg. "Bisher sind Frauen davon abhängig, ob ihr Freund oder Mann ein Kondom benutzen will", so Rees. "Und das ist meist nicht der Fall."

Mit den Mikrobiziden rückt der Schutz der Frauen in den Fokus. Mittlerweile ist laut Unaids knapp die Hälfte der HIV-Infizierten weiblich. Weil Frauen in Entwicklungsländern häufig weniger Rechte hätten, seien sie stärker gefährdet als Männer, berichtet Dominique De Santis von Unaids. Auch nehme ihr Anteil unter den Infizierten zu. Die Mikrobizide seien eine der "vielversprechendsten kommenden Methoden"

In Südafrika beteiligen sich die Städte Soweto, Durban, Orange und Mtubatuba an dem auf drei Jahre ausgelegten Test. Durchgeführt wird die Studie aber nicht nur im südlichsten Zipfel Afrikas: Insgesamt testen 12 300 Frauen in Südafrika, Sambia, Uganda und Tansania den Wirkstoff.

Jeweils ein Jahr lang können die Frauen das Mittel mit dem Namen Pro 2000 beim Sex nutzen, monatlich müssen sie zum HIV-Check. Wie es bei großen Pharmastudien nötig ist, um die Wirkung eines Mittels unabhängig vom psychologischen Effekt zu ermitteln, sollen einige Testerinnen nur eine Placebo-Creme nutzen. Darüber würden aber alle Probandinnen aufgeklärt, sagt Rees. Weder die Ärzte noch die Probandinnen wüssten aber, wer die wirkungslose Creme benutzt. Aus ethischen Gründen würden zusätzlich Kondome verteilt.

Exakte Laborerfolge bleiben im Dunkeln

Weltweit, so Rees, würde derzeit an mehr als 100 unterschiedlichen Mikrobiziden geforscht, einige davon sollen der Verhütung dienen. Nur sechs Wirkstoffe sind bisher in die letzte der drei vorgeschrieben Studienphasen vor der Zulassung gelangt. Der Pro-2000-Test ist derjenige mit den meisten Teilnehmerinnen, sagt der Betreiber, die britische Initiative zur Entwicklung von Mikrobiziden.

Falls die Studie erfolgreich verläuft, könnte Pro 2000 frühestens in fünf Jahren auf den Markt kommen, 2010 also. Etwa 26 Millionen Euro kostet die Vier-Länder-Studie, das Geld stammt ebenfalls aus Großbritannien, von dem staatlich finanzierten Department for International Development.

Gerade Südafrika setzt große Hoffnungen auf die Chemiekondome in Frauenhand, denn jüngste Studien des Medizinischen Forschungsinstituts in Kapstadt haben die Forscher aufgeschreckt: In der Region um Durban sind bereits zwischen 38 und 47 Prozent aller Frauen mit HIV infiziert.

"Wenn wir effiziente Mikrobizide finden, können wir die Ausbreitung von Aids bremsen", sagt Salim Abdool Karim, Aidsforscher und Professor für Epidemie an der Universität Kwa Zulu-Natal. Wenn nur jede fünfte Frau in den Entwicklungsländern die Creme nutzen würde, ließen sich innerhalb von drei Jahren bis zu 2,5 Millionen Infektionen verhindern, schätzt das Londoner Institut für Hygiene und Tropenmedizin.

Hundertprozentigen Schutz können Anti-Aids-Cremes allerdings nicht garantieren, und die Hersteller schweigen über exakte Laborerfolge. Für viele Forscher liegt der Charme der Chemiekondome darin, dass sie Frauen künftig auch dann vor Aids schützen könnten, wenn sie Kinder möchten und deshalb auf Kondome verzichten. Kritiker warnen allerdings vor zu viel Euphorie: Bevor Frauen gezielt Mikrobizid-Cremes verwenden, ist noch viel Aufklärung über die Ansteckung mit dem HI-Virus nötig.

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