Hirnforschung:Wo der Optimismus sitzt

Wir tendieren dazu, unsere Zukunftsaussichten zu gut zu beurteilen. Wissenschaftler haben nun herausgefunden, welche Hirnregionen dafür verantwortlich sein sollen.

Markus C. Schulte von Drach

Menschen tendieren dazu, ihre Zukunftsaussichten besser zu beurteilen, als es der Realität entspricht. So erwarten wir normalerweise, länger zu leben und erfolgreicher zu sein als der Durchschnitt. Auf der anderen Seite unterschätzen die meisten von uns das Risiko einer Trennung oder an Krebs zu erkranken.

Hirnforschung: Aufnahmen der Hirnaktivität der "Optimismus-Regionen". Oben:  rostraler anteriorer cingulärer Cortex. Unten: Mandelkern.

Aufnahmen der Hirnaktivität der "Optimismus-Regionen". Oben: rostraler anteriorer cingulärer Cortex. Unten: Mandelkern.

(Foto: Foto: Sharot/Phelps)

Forscher der New York University (NYU) haben nun zwei Hirnregionen entdeckt, die offenbar mit dieser Tendenz zum Optimismus zusammenhängen. Es sind Bereiche, die auch bei Depressionen eine wichtige Rolle spielen.

Elizabeth Phelps von der NYU und Tali Sharot, jetzt am University College London, hatten 15 Versuchsteilnehmer gebeten, in einem Magnetresonanztomographen an vergangene oder mögliche zukünftige emotionale Ereignisse zu denken.

So sollten sie sich etwa vorstellen, einen Preis zu gewinnen, oder dass ihre Partnerschaft zerbricht. Oder sie sollten an eine zurückliegende Beerdigung denken. Darüber hinaus wurden die Teilnehmer mit einem Standardtest auf ihre Tendenz zum Optimismus überprüft.

Im Durchschnitt stellten sich die Probanden positive Ereignisse in der Zukunft häufiger und lebhafter vor, als negative. Und gerade bei diesen angenehmen Vorstellungen waren der sogenannte rostrale anteriore cinguläre Cortex, kurz rACC, sowie der Mandelkern (Amygdala) aktiv. Bei negativen Vorstellungen dagegen war die Aktivität dort gering. An auffälligsten war dies bei den größten Optimisten.

Demnach scheinen diese Hirnbereiche eine wichtige Rolle für eine positive Sichtweise auf die Zukunft zu spielen, vermuten die Forscher im Fachmagazin Nature (doi: 10.1038/nature.06280).

Bereits zuvor hatten Forscher Hinweise darauf gefunden, dass der rACC, der Mandelkern und andere Hirnregionen, die wichtig sind für die Verarbeitung von Gefühlen, bei depressiven Patienten gestört sind.

Bislang ist noch unklar, ob die Störungen eine Folge oder eine Ursache von Depressionen sind. Sollten weitere Studien den Zusammenhang bestätigen, könnten Aufnahmen der Hirnaktivität jedoch helfen, Depressionen zu diagnostizieren, hoffen die Forscher.

Marcello Costa von der Flinders University im australischen Adelaide warnt allerdings, dass solche Methoden auch eingesetzt werden könnten, um nicht nur unsere geistige Gesundheit, sondern auch unsere Lebenseinstellung zu überprüfen.

"Die Neurowissenschaften werden sicher eine wichtige Rolle dabei spielen, um die biologischen Prozesse unseres Geistes zu bestimmen", so Costa. "Aber in welchem Ausmaß sie von der Gesellschaft genutzt werden sollten, um Entscheidungen für uns zu treffen, bleibt eine offene Frage."

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