Heimliche Gewinner der Tierwelt:Gift für die Liebe

Heimliche Gewinner der Tierwelt: Die männliche Großtrappe nimmt sogar freiwillig Gift, um für Weibchen schöner zu werden.

Die männliche Großtrappe nimmt sogar freiwillig Gift, um für Weibchen schöner zu werden.

(Foto: Francesco Veronesi / CC by SA)

Großtrappen müssen hart um ihre Weibchen kämpfen und werden gleichzeitig von Parasiten geplagt. Deshalb nehmen die Vögel freiwillig Gift, um sich aufzuputschen. Wenn der Mensch das nachahmt, geht es meist schief.

Von Andreas Wenleder

In der Paarungszeit versammeln sich die männlichen Großtrappen in ihrer Balzarena. Brust an Brust stehen sich die rund zehn Kilo schweren Hähne dann gegenüber. Den Kopf recken sie nach oben. Jeder will die anderen übertrumpfen. Ihre Tänze wirken skurril, immer wieder heben sie die Federn und zeigen den Weibchen ihre Geschlechtsorgane.

Spanische Biologen vermuten, dass die Hähne bessere Paarungschancen haben, wenn untenrum alles sauber ist. Die Forscher haben über mehrere Jahre hinweg eine Großtrappen-Population in der Nähe von Madrid beobachtet. Sie stellten fest, dass die Vögel häufig von Parasiten und Krankheitserregern geplagt werden. Würmer befallen den Darm der Tiere genauso wie sexuell übertragbare Bakterien. Weibchen meiden befallene Hähne, glauben die Forscher. Die Balz scheint der ideale Zeitpunkt für eine Inspektion der Intimregion aus der Ferne zu sein. "Für die extrem wählerischen Weibchen ist eine weiße, saubere Kloake ohne Infektion ein zuverlässiger Qualitätsindikator zur Beurteilung der Hähne", schreibt das Forscherteam.

Doch es gibt Hoffnung für befallene Männchen. In Spanien stellt die Natur den Vögeln ein Medikament zur Verfügung, dass sie sich selbst verordnen: Ölkäfer. Die Käfer produzieren das Gift Cantharidin zum Schutz vor Fressfeinden. Die Großtrappen vertragen das Gift in kleineren Mengen sehr gut, ihre Bakterien und Parasiten dagegen nicht. In der Paarungszeit fressen die Hähne deshalb besonders viele Käfer der Familie Meloidae - auch um gesund genug für die Balz und den prüfenden Blick der Weibchen zu sein, vermuten die spanischen Biologen.

Heimliche Gewinner der Tierwelt: Ölkäfer der Art Berberomeloe majalis wirken bei den Großtrappen wie ein Medikament und Aufputschmittel

Ölkäfer der Art Berberomeloe majalis wirken bei den Großtrappen wie ein Medikament und Aufputschmittel

(Foto: Gailhampshire / cc by 2.0)

"Spanische Fliege" verursacht Dauererektionen und Schmerzen

Auch in Indien soll eine verwandte Großtrappen-Art Ölkäfer fressen. Die in Afrika heimischen Sporngänse sind sogar ganz immun gegen das Gift. Sie fressen die Käfer mit dem erstaunlichen Nebeneffekt, dass sie selbst giftig für Fressfeinde werden. Die Taktik kann auch den Menschen treffen. Die Truppen Napoleons sollen auf ihrem Feldzug in Ägypten wie von zu Hause gewohnt Frösche gefangen und gegessen haben. Die Nilfrösche hatten aber wiederum viele Ölkäfer verspeist und vergifteten so die Soldaten.

Auch Ärzte in der Antike wussten um die Wirkungen und verschrieben Ölkäfer als Medikament gegen Darmkrankheiten. Am Ende setzten sich die Käfer aber in einem anderen Anwendungsbereich durch: "Spanische Fliege" gilt bis heute als Aphrodisiakum. Das Mittel wird aus einer gleichnamigen Unterart der Ölkäfer hergestellt, die Käfer werden einfach fein zerrieben. Der Wirkstoff auch hier: Cantharidin. Auch wenn die Intention die gleiche sein mag wie bei den Großtrappen, zu empfehlen ist eine Käferbehandlung für den Menschen auf keinem Fall. Bei Männern löst Cantharidin schmerzhafte Dauererektionen aus, bei Frauen starke Unterleibsschmerzen. Zusätzlich können Nierenschäden, Hautreizung bis hin zu Nekrosen und schwere Schleimhautreizungen auftreten. Es kann eben nicht jeder so gut mit den Arzneimitteln der Natur umgehen wie die Großtrappen.

In der Serie "Heimliche Gewinner" stellen SZ-Autoren in loser Folge Lebewesen mit erstaunlichen Fähigkeiten vor. In der Wirtschaftswelt bezeichnet der Begriff "Hidden Champions" Firmen, die in einem hochspezialisierten Markt äußerst erfolgreich sind, die aber kaum jemand wahrnimmt. Solche unbekannten Sieger kennen die Ökosysteme schon seit Millionen von Jahren.

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