Handel in der Antike:Tausche Glasperlen gegen Bernstein

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  • Forscher haben in einem vor der Türkei gesunkenen Schiff zahlreiche blaue Glasperlen entdeckt - ein Luxusgut im Ägypten des 14. vorchristlichen Jahrhunderts.
  • Ähnliche Funde wurden nun auch in Dänemark gemacht - dies weist darauf hin, dass zwischen Skandinavien und Ägypten sehr früh Handelsbeziehungen bestanden haben.
  • Womöglich verliefen die Handelsrouten auf großen Flüssen wie der Elbe oder dem Rhein.

Von Hans Holzhaider

Niemand weiß, warum das Schiff sank. War es im Sturm auf ein Riff gelaufen? Hatten Piraten es versenkt? Oder hatte der profitgierige Schiffseigner es einfach zu schwer beladen?

1982 entdeckten Schwammtaucher das Wrack nahe des Kap Uluburun an der türkischen Südküste. Vom Rumpf aus Zedern- oder Pinienholz war nur wenig erhalten. Aber die Ladung machte das Schiff von Uluburun zu einer wahren Schatzkammer der Archäologie. Zehn Jahre und mehr als 20 000 Tauchgänge brauchten amerikanische und türkische Wissenschaftler, um die Preziosen aus 60 Metern Tiefe an die Oberfläche zu holen: zehn Tonnen Kupferbarren aus Zypern, eine Tonne Zinnbarren, Keramik aus Kanaan, afrikanisches Ebenholz, Elfenbein, Amphoren mit Oliven, Öl, Granatäpfeln und Pistazienharz, Tausende Perlen aus Bernstein, Achat, Karneol und Bergkristall, Goldschmuck aus Ägypten, darunter ein Skarabäus der Königin Nofretete.

Und Glas. Mehr als 300 Kilo blaues Glas, wie es einst in Werkstätten in Mesopotamien und in Amarna am Nil, der Stadt des Königs Echnaton hergestellt wurde. Ein Luxusgut im 14. vorchristlichen Jahrhundert. Die kostbare Ladung des Schiffs von Uluburun vermittelt ein lebendiges Bild von den Handelsbeziehungen in der mittleren Bronzezeit, der Blütezeit des Hethiterreiches und der mykenischen Stadtstaaten.

Dass dieser Handel nicht auf den Mittelmeerraum beschränkt war, dass ägyptische Luxuswaren ihren Weg bis ins südliche Skandinavien fanden, hat jetzt die dänische Archäologin Jeanette Varberg von der Universität Aarhus in Zusammenarbeit mit dem Institut de Recherche sur les Archéomatériaux (IRAMAT) in Orléans bewiesen ( Journal of Archaeological Science, Bd. 54, S. 168, 2015). Sie analysierte eine türkise und 22 blaue Glasperlen, die in Gräbern auf den dänischen Inseln Seeland, Jütland, Fünen und Bornholm gefunden wurden, und verglich sie mit Glasabfällen aus den Werkstätten von Amarna und Nippur im heutigen Irak. Die Ergebnisse lassen den eindeutigen Schluss zu, dass zwei Perlen aus derselben Produktionsstätte stammen, in der auch das Glas gefertigt wurde, das für die Grabbeigaben des Pharaos Tutanchamun verwendet wurde. Die anderen 20 blauen Perlen stammen der chemischen Analyse zufolge aus Werkstätten in Mesopotamien.

Metalloxide entscheiden über die Färbung: Kobalt macht die Perlen blau, Kupfer grün

Mesopotamien und Ägypten waren die ersten Länder, in denen Menschen das Geheimnis der Glasherstellung entdeckten. Siliziumhaltige Mineralien werden geschmolzen; dazu muss der Schmelzpunkt durch die Zufügung von Natrium- oder Kaliumkarbonat, das aus Pflanzenasche gewonnen wird, herabgesetzt werden. Farbiges Glas wird durch Zusatz von Metalloxiden gewonnen: Kobalt färbt das Glas blau, Kupfer grün oder türkis.

Diese Rezepturen waren den Glasmachern sowohl in Mesopotamien wie in Ägypten bekannt. Die Unterscheidung zwischen den beiden Herkunftsländern gelang nur mittels der Analyse von Spurenelementen. Die Glasabfälle aus Amarna enthalten weniger Chrom und Lanthan und dafür mehr Zirkon und Titan als mesopotamisches Glas. Auch das Kobalt, das zur Färbung verwendet wurde, lässt auf ägyptische Produktion schließen. Es korreliert mit Nickel-, Zink- und Mangananteilen, wie sie typisch für Alaunvorkommen in den Oasen Kharga und Dakhla in der libyschen Wüste sind.

Schon im 19. Jahrhundert kamen Archäologen auf den Gedanken, dass die blauen Glasperlen aus dänischen Frauengräbern aus Ägypten stammen könnten. Bis heute fehlen aber Belege für Handelsbeziehungen, die vom Nil bis zur Ostsee reichten, zumal es in Mitteleuropa keine vergleichbaren Glasfunde gab. Auch neuere Forschung an Fundstücken aus Mitteleuropa liefert keinen Beleg für Importe aus Ägypten. Stephanie Mildner vom Institut für Altertumswissenschaften an der Universität Würzburg hat 176 Glasperlen aus 43 Fundorten in Deutschland und Österreich analysiert und kam zu dem Ergebnis, dass diese Fundstücke nicht aus Ägypten oder Mesopotamien stammen. Gut möglich, dass diese Glasperlen in einheimischen Manufakturen produziert wurden, allerdings wurden bislang keine Überreste einer bronzezeitlichen Glaswerkstatt im heute deutschsprachigen Raum gefunden. Die einzige bisher bekannte in Mitteleuropa befindet sich bei Rovigo in Norditalien.

Wahrscheinlich verliefen die Handelsrouten entlang der Flüsse Oder, Elbe und Rhein

Wie ist es also zu erklären, dass ausgerechnet im entlegenen Dänemark Schmuckstücke aus Mesopotamien und Ägypten auftauchen? Jeanette Varberg stellt die These auf, dass der Grund dafür in einer besonders begehrten Tauschware zu suchen ist, die nur an der Ostseeküste zu finden war: Bernstein - das "Gold des Nordens". So wie die chemische Analyse die ägyptische Herkunft der Glasperlen belegt, lässt sich nachweisen, dass der Bernstein, der auch für Grabbeigaben Tutanchamuns verwendet wurde, von der Ostseeküste stammt. Es muss also einen Austausch zwischen diesen entferntesten Regionen der damals bekannten Welt gegeben haben. Varberg weist darauf hin, dass in mehreren Hortfunden, so in Neustrelitz, Schwarza in Thüringen und im rumänischen Cioclovina Perlen aus Bernstein und aus blauem Glas entdeckt wurden. Und auch die Ladung des Schiffs von Uluburun ist ein Beleg dafür, dass ägyptisches Kobaltglas und nordischer Bernstein auf denselben Handelsrouten transportiert wurden. "Möglicherweise wurde Bernstein und Glas eine glückbringende magische Wirkung zugeschrieben, wenn man sie gemeinsam trug", schreibt Varberg.

Auf welchen Wegen der Handel zwischen den Vorfahren der Wikinger und den Hochkulturen Ägyptens und Mesopotamiens stattfand, muss noch erforscht werden. Wahrscheinlich verliefen die Handelsrouten entlang der großen Flüsse, der Oder, der Elbe und dem Rhein. Sicher ist, dass die alten Dänen schon vor 3500 Jahren unternehmungslustige Leute waren und seetüchtige Schiffe bauten. "Die Strontiumanalyse von Zähnen zeigt, dass die Menschen in der Bronzezeit sehr weite Reisen unternahmen. Ich wäre nicht überrascht, wenn sich bei künftigen Forschungen herausstellen würde, dass Leute aus Skandinavien bis ans Mittelmeer und umgekehrt reisten", sagt Jeanette Varberg.

© SZ vom 27.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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