Grüne Gentechnik:Knatsch um die Knolle

Es scheint folgerichtig, dass nach dem Gen-Mais auch die Gen-Kartoffel verboten werden soll. Doch die Knolle gibt weniger Anlass zu Kritik.

Tina Baier

Eigentlich hätte die Kartoffel "Event EH92-527-1", besser bekannt unter dem Namen Amflora, so etwas wie ein Türöffner für die grüne Gentechnik in Deutschland sein sollen. Denn mit Argumenten gegen diese Feldfrucht tun sich auch hartnäckige Kritiker schwer.

Amflora, dpa

Die Kartoffelsorte Amflora ist vor allem für die Papier- und Textilindustrie interessant.

(Foto: Foto: dpa)

Das liegt einmal daran, dass die Hightech-Knolle gar nicht zum Verzehr gedacht ist. Amflora wurde von BASF Plant Science entwickelt, um industriell verwertbare Stärke zu liefern.

Zum anderen ist, anders als beim gentechnisch veränderten Mais Mon810, dessen Anbau Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) in der vergangenen Woche verboten hat, bei einer Kartoffel kaum zu befürchten, dass Pollen auf benachbarte Äcker fliegen.

Kartoffeln vermehren sich fast ausschließlich ungeschlechtlich: Aus der Mutterknolle wachsen unterirdische Ausläufer, deren Enden sich zu neuen Kartoffeln verdicken. Diese sind genetisch identische Klone der Ursprungsknolle. Zwar blühen Kartoffelpflanzen auch. Doch die Samen fliegen nicht weiter als 20 Meter. Und selbst für den Fall, dass Amflora-Pollen eine konventionelle Kartoffel befruchten, entstünden daraus lediglich Beeren, die ungenießbar und in der Regel nicht keimfähig sind.

Auch das sonst schlagende Argument vieler Gentechnikkritiker, wonach sich manipulierte Pflanzen unkontrolliert mit natürlichen Gewächsen kreuzen könnten, greift bei Amflora nicht. Anders als Raps haben Kartoffeln in Deutschland keine wilden Verwandten, mit denen sie sich kreuzen könnten.

Trotzdem wartet der Hersteller schon mehr als zwei Jahre lang auf die Zulassung für den europäischen Markt. Die EU-Kommission hat bei der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA bereits fünf Gutachten zu Amflora in Auftrag gegeben. Und die Bundesregierung erwägt nun sogar, den Versuchsanbau auf einer 40 Hektar großen Fläche in Mecklenburg-Vorpommern zu verbieten, der in den vergangenen Jahren stets genehmigt wurde. Die BASF-Tochter will auf diesen Feldern Saatgutkartoffeln produzieren.

Versuchsfeld zu nahe am Naturschutzgebiet?

"Das Problem ist, dass die Versuchfelder in der Müritzseenplatte in der Nähe verschiedener Naturschutzgebiete liegen", sagt Christoph Then, Mitverfasser einer Greenpeace-Einwendung gegen den Freisetzungsantrag der BASF-Tochter. Die Autoren bemängeln unter anderem, dass der Einfluss von Amflora auf geschützte Tierarten wie Feldlerchen, Wachteln oder Rebhühner nicht untersucht worden sei. Außerdem blieben bei der Kartoffelernte immer Knollen im Boden zurück, die nach einem milden Winter im folgenden Frühjahr wieder auskeimen können.

"Aus diesem Grund bauen wir auf einem Amflora-Feld im Folgejahr auch keine Kartoffeln an, sondern eine andere Feldfrucht, sagt Susanne Benner, Sprecherin der BASF Plant Science. Doch Greenpeace kritisiert auch, dass das Erbgut von Amflora ein Gen enthält, das die Pflanze widerstandsfähig gegen das Antibiotikum Kanamycin macht. Dieses könne auf Bakterien im Boden übertragen werden und dazu führen, dass Krankheitserreger resistent gegen das Medikament werden. "Dieser Punkt soll in dem noch ausstehenden EFSA-Gutachten erneut geprüft werden", sagt Susanne Benner. "Es hätte eigentlich am 31.März fertig sein sollen. Bis jetzt haben wir noch nichts gehört, gehen aber davon aus, dass die Behörde die Sicherheit der Pflanze auch diesmal bestätigt."

Manche Industriezweige bekunden bereits starkes Interesse an der Amflora: Die Unternehmen Avebe, Emsland Group und Lyckeby haben bereits im Dezember 2008 zusammen mit der BASF eine Pressemitteilung herausgegeben, in der sie die "rasche Zulassung von gentechnisch optimierten Kartoffeln" fordern. Die Unternehmen sehen in Amflora "einen zusätzlichen Marktwert von 100 bis 200 Millionen Euro pro Jahr und damit eine Möglichkeit, ihre Wettbewerbsposition zu verbessern".

Der Nutzen der Gentech-Kartoffel soll darin bestehen, dass sie eine pure Form von Stärke bildet, die industriell verwertbar ist, das so genannte Amylopektin. Herkömmliche Kartoffeln enthalten zu mindestens einem Viertel eine weitere Stärke namens Amylose, die in einem mühsamen Verfahren entfernt werden muss. Bei Amflora wurde ein Gen ausgeschaltet, das an der Bildung von Amylose beteiligt ist. Für Amylopektin gibt es viele Anwendungen: Unter anderem verhindert es als Oberflächenbeschichtung von Papier, dass beim Schreiben die Farbe verläuft. Die Textilindustrie umhüllt zudem Garne mit der Substanz , was sie stabiler und weniger empfindlich gegen Schmutz macht.

Doch nicht alle Stärkeproduzenten sind von den Vorteilen überzeugt. "Für uns kommt eine Verarbeitung von Amflora derzeit nicht in Frage, sagt Josef Königbauer, Geschäftsführer der Südstärke GmbH in Schrobenhausen. "Das steht sogar in unseren Leitlinien." Das Problem: Südstärke beliefert auch die Lebensmittelindustrie, und die verlangt gentechnikfreie Produkte.

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