Golf von Mexiko:Die Reste der Ölpest

Das defekte Bohrloch ist geschlossen, die Ingenieure ziehen ab. Die Reinigung der verseuchten Natur bleibt Bakterien überlassen. Und die langfristigen Folgen?

Christopher Schrader

Wenn die Ingenieure abziehen, bleiben die Chemiker und Biologen zurück. Das Bohrloch im Golf von Mexiko ist seit dem vergangenen Sonntag endgültig verschlossen, seit einem Monat wird mangels Bedarf nicht mehr berechnet, wohin Ölteppiche auf dem Meer treiben, Küsten und Strände sind bis auf etwa 180 Kilometer frei, Fischer dürfen wieder Netze auswerfen.

Ölpest im Golf von Mexiko - Ölsperre

Ein Foto aus dem Mai 2010 zeigt Öl vor der Küste von Biloxi, Mississippi. Das Bohrloch ist geschlossen. Und was passiert nun?

(Foto: dpa)

Natur und Menschen der Region müssen nun aber die langfristigen Folgen der Umweltkatastrophe bewältigen - und Naturwissenschaftler versuchen, die Abläufe zu verstehen.

Das kann sehr schwierig werden. Zum einen, weil die nötigen Rahmenbedingungen fehlen: Finanzierung für neue Studien war meist nicht so schnell zu finden, die Wissenschaftler sahen sich oft genug bedrängt von BP und den Behörden.

Kompliziert dürfte es aber auch werden, die kurz- und langfristigen Folgen der Freisetzung von 800 Millionen Litern Öl und womöglich 400Millionen Kubikmetern Erdgas einigermaßen vollständig zu dokumentieren und zu analysieren.

Das fängt mit den Mengen an, die noch in der Umwelt sind. Anfang August erklärte die Meeresbehörde Noaa, nur noch 26 Prozent des Öls verblieben im Wasser, der Rest sei aufgefangen, verdunstet, verbrannt oder durch Chemikalien zu winzigen Partikeln zerstäubt worden.

Mit diesen Tröpfchen aber macht der Rest im Wasser schon die Hälfte aus, und Forscher um Samantha Joye von der University of Georgia bezweifeln die Noaa-Statistik ohnehin: Drei Viertel des Öls sei noch im Wasser, konterte sie Mitte August. Dazu passend hat sie vor zwei Wochen einige Stellen am Meeresgrund gefunden, wo sich das Öl in Zentimeter-dicken Schichten ablagert.

Öl und Gas endgültig zu zersetzen, ist eine Aufgabe für Bakterien. Weil sie dabei Sauerstoff verbrauchen, fürchteten Helfer und Forscher die Entstehung von toten Zonen, in denen kein Meeresorganismus leben kann. Bis Anfang August, so Forscher von Noaa vor kurzem, sei der Sauerstoff-Gehalt im Mittel jedoch nur um 20 Prozent gesunken und liege überall weit über der Gefahrenschwelle. Das Problem dabei: Niemand weiß genau, was die Bakterien machen. Sie überraschen die Forscher immer wieder.

Einerseits berichteten Forscher um Terry Hazen vom Lawrence Berkeley Nationallabor Ende August in Science (online), offenbar seien bisher unbekannte Mikroorganismen in der Lage, Öl ohne großen Sauerstoffbedarf zu verdauen.

Widersprüchliche Studien

Andererseits schreiben jetzt Wissenschaftler um John Kessler von der Texas A&M University im gleichen Blatt, Mikroben hätten sich auf das Erdgas gestürzt und zunächst die größten Moleküle verdaut, also Butan und Propan. Der Anteil des einfachen Methan sei kaum vermindert. Da aus der Quelle 20-mal so viel Methan wie Propan entwichen ist, haben die Bakterien diesen Anteil noch vor sich - und dürften dabei viermal so viel Sauerstoff verbrauchen wie bisher.

Die Studien widersprechen sich also in der Frage, ob die Sauerstoff-Mengen noch weiter abnehmen. Und obwohl sie schnell veröffentlicht wurden, sind ihre Daten schon drei Monate alt; die Forscher wissen also nicht, was jetzt gerade im Wasser passiert.

Ähnliche Probleme haben Biologen, die sich um die Zukunft der Krabben, Austern oder Fische im Golf sorgen. Womöglich dauert es Jahre, die Folgen der Ölpest zu erkennen. Das Interesse der Öffentlichkeit könnte dann erlahmt, das Geld für Studien erschöpft sein.

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