Gesundheitsrisiko:Diabetesmittel vor dem Aus

Das Diabetesmedikament Avandia erhöht das Risiko für Schlaganfall und Herzschwäche. Nun entscheidet die amerikanische Zulassungsbehörde FDA über die Zukunft des Mittels.

Werner Bartens

Es wird schwer für die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA, diesmal keine Warnung auszusprechen. In wenigen Tagen steht ein Treffen der Medikamentenprüfer an. Die Experten werden über die Sicherheit des Diabetesmittels Rosiglitazon entscheiden, das in Deutschland unter dem Namen Avandia auf dem Markt ist.

Avandia

Das Mittel Avandia erhöht offenbar das Risiko für Knochenbrüche, Infarkte, Schlaganfälle, Herzschwäche und Todesfälle aller Art.

(Foto: AFP)

Zu berücksichtigen haben die Pharma-Kontrolleure besonders die neuesten Ergebnisse, die das Fachblatt Journal of the American Medical Association am heutigen Dienstag veröffentlicht.

Kalifornische Mediziner und Mitarbeiter der FDA um David Graham zeigen, dass Rosiglitazon bei älteren Menschen das Risiko für Schlaganfall, Herzschwäche und unklare Todesfälle erhöht. Die Studie wurde vorab online publiziert, damit vor der Zusammenkunft der FDA die aktuellsten Daten verfügbar sind.

Die Wissenschaftler hatten mehr als 227.000 Senioren jenseits der 65 untersucht, die entweder Rosiglitazon oder das Vergleichsmittel Pioglitazon drei Jahre lang erhielten. Beide Medikamente gehören zur Substanzgruppe der Glitazone und erhöhen die Empfindlichkeit des Körpergewebes für Insulin, so dass mehr Blutzucker in die Zellen aufgenommen wird und der Blutzuckerspiegel sinkt.

Sie kamen vor zehn Jahren auf den Markt und wurden zu Bestsellern - "erstaunlich, weil die Ergebnisse der Langzeitstudien enttäuschend sind", wie der Arzneiverordnungsreport schon vor Jahren vermerkte.

Im Jahr 2005 wurde ein erhöhtes Knochenbruchrisiko für Frauen beobachtet und die Ärzteschaft per Rote-Hand-Brief gewarnt. 2007 ergab eine Meta-Analyse im New England Journal of Medicine ein um 43 Prozent erhöhtes Infarktrisiko durch Rosiglitazon.

In der aktuellen Untersuchung war das Risiko für einen Schlaganfall um 27 Prozent erhöht, für Herzschwäche um 25 Prozent und für Todesfälle aller Art um immerhin 14 Prozent, wenn Patienten Rosiglitazon statt Pioglitazon erhielten.

"Rosiglitazon steht kurz vor dem Aus, die Studie zeigt erstmal auch eine erhöhte Sterblichkeit", sagt Diabetes-Experte Martin Reincke, Chef der Inneren Medizin der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Vor dem Hintergrund der verfügbaren Daten sehe ich keinen Grund mehr, Rosiglitazon einzusetzen. Die Substanzgruppe der Glitazone hat insgesamt enttäuscht."

Die FDA ist in den vergangenen Jahren vermehrt in die Kritik geraten. Der Behörde wurde vorgeworfen, die Öffentlichkeit lange über die Risiken des Diabetesmittels im Unklaren gelassen zu haben und auch bei Gefahren durch andere Mittel die Industrie geschont und die Sicherheit der Patienten womöglich gefährdet zu haben.

"Es gibt eine sichere Alternative"

Die FDA stufte die Rosiglitazon-Studien 2007 zunächst als unzuverlässig ein, bis ein Gremium nur zwei Monate später feststellte, dass die Gesundheit der Bürger doch gefährdet sei.

In einem Kommentar zu den Ergebnissen der aktuellen Studie findet der kanadische Arzneimittelexperte David Juurlink von der Universität Toronto eindeutige Worte:

"Noch muss der Epilog zur Rosiglitazon-Geschichte zwar geschrieben werden, aber schon jetzt kann man mit Sicherheit feststellen: Anhand der vielen Zweifel und Bedenken gibt es kein überzeugendes Argument mehr, warum die Patienten Rosiglitazon wollen oder warum es Ärzte gibt, die es weiter verschreiben - es gibt schließlich eine sichere Alternative."

Allerdings geht auch das Konkurrenzprodukt Pioglitazon mit starken Nebenwirkungen einher - die Patienten nehmen innerhalb eines Monats um bis zu sechs Kilogramm zu und lagern Wasser ein.

"Ob Pioglitazon tatsächlich eine echte Alternative ist, muss sich erst noch herausstellen", sagt Diabetesexperte Reincke. "Die Lehre aus den beunruhigenden Sicherheitsdaten zu Rosiglitazon ist aber, dass Diabetespräparate noch gründlicher ,auf Herz und Nieren' geprüft werden müssen, bevor man sie zulässt."

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