Gesundheit:Streit über Muttermilch

Unter der Federführung Ecuadors wurde im Mai eine WHO-Resolution diskutiert, wonach das Stillen von Babys weltweit gefördert werden solle. Niemand erwartete Disput zu dem Thema, doch dann schossen die USA auf einmal quer.

Von Berit Uhlmann

Die USA haben laut Medienberichten versucht, einen Beschluss der Weltgesundheitsorganisation WHO zu verhindern, der das Stillen von Babys stärker fördern soll. Am Wochenende berichtete die New York Times über einen Streit, der sich bereits Ende Mai bei der Versammlung aller WHO-Mitgliedsstaaten zugetragen hatte. Zuvor hatte schon die Internetplattform News Deeply die seltsamen Vorgänge beschrieben. Die Resolution war von verschiedenen Ländern unter der Federführung von Ecuador eingebracht worden. Ein solches Papier ist rechtlich nicht bindend, und auch der Inhalt war im konkreten Fall wenig überraschend. Die Länder forderten im Prinzip, stärker zu beachten, wofür die WHO seit Jahrzehnten einsteht: Muttermilch ist in den ersten sechs Lebensmonaten die beste Babynahrung. Niemand erwartete einen größeren Disput zu dem Thema.

Die US-Delegation drohte mit Handelsbeschränkungen und reduzierter Militärhilfe

Umso erstaunter waren die Delegierten, als die Vertreter der USA vehement gegen die Resolution vorgingen. Der New York Times zufolge soll die US-Delegation Ecuador Handelsbeschränkungen und Einschnitte bei der militärischen Unterstützung angedroht haben. Das Land zog daraufhin sein Engagement in Sachen Babyernährung zurück. Auch andere Staaten zögerten, sich weiter für das Stillen stark zu machen. Am Ende brachte Russland die Resolution ein. Die USA versuchten daraufhin noch, den Text zu verwässern.

Offenbar störten sich die US-Delegierten unter der Leitung von Gesundheitsminister Alex Azar an Formulierungen, die ein striktes Vorgehen gegen aggressive Werbung von Herstellern industrieller Flaschennahrung forderte. In einem Alternativ-Text, den die US-Gesandten laut News Deeply vorlegten, ist jegliche Andeutung in Hinblick auf die Werbung gestrichen. Stattdessen wird die Notwendigkeit betont, eine "optimale komplementäre" Ernährung zum Stillen zu fördern. Inwieweit die milliardenschwere Babynahrungsindustrie hinter dem Ansinnen steht, lässt sich nur vermuten. So nannte etwa Paul Spiegel von der Johns Hopkins School of Public Health das US-Vorgehen auf Twitter "traurig und zynisch". "Es zeigt, wie stark Wirtschaftsinteressen in diesem Land sind."

Ein anonymer Mitarbeiter des Washingtoner Gesundheitsministeriums sagte hingegen der New York Times, es gehe darum, eine Stigmatisierung von Müttern zu verhindern, die nicht stillen könnten oder wollten. US-Präsident Donald Trump schaltete sich am Montag per Twitter in die Diskussion ein. Die Regierung unterstütze Stillen, schrieb er: "Aber wir glauben nicht, dass Frauen der Zugang zu Säuglingsnahrung verweigert werden sollte. Viele Frauen brauchen diese Möglichkeit aufgrund von Unterernährung und Armut."

Schließlich aber war die US-Delegation nicht erfolgreich. Die Resolution wurde mit sehr wenigen Änderungen verabschiedet. Die WHO wollte zu den Vorgängen keine Stellung beziehen. Den Meinungsaustausch verschiedener Delegationen werde man nicht kommentieren, sagte Sprecher Tarik Jašarević.

Die WHO empfiehlt ausschließliches Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten. Tatsächlich aber werden nur 40 Prozent aller Kinder in diesem Zeitraum allein mit Muttermilch ernährt. Würde die Rate weltweit auf 100 Prozent steigen, so die WHO, könnten jedes Jahr 820 000 Kinder vor dem Tod gerettet werden. Vor allem weil Muttermilch optimal vor Infektionskrankheiten schützt. Gerade in Entwicklungsländern kann Säuglingsnahrung oft nicht ausreichend hygienisch zubereitet werden.

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