Geschichtsforschung:Es ist Editha

30 Forscher haben Knochen, Zähne, Kleider einer Toten im Magdeburger Dom untersucht. Ihr Schluss: Es handelt sich tatsächlich um die Gemahlin des Kaiser Otto des Großen.

Hubert Filser

Die Tote aus dem Magdeburger Dom war eine 1,57 Meter große Frau, zwischen 30 und 40 Jahre alt, die wohl plötzlich, aber ohne erkennbare Gewalteinwirkung gestorben ist.

Identität von Königin Edithas Sarkophag bestätigt

Eine Darstellung von Königin Editha auf ihrem Grabdeckel im Dom 'Sankt Katharina und Sankt Mauritius' in Magdeburg.

(Foto: dpa)

Die Frau stammt ursprünglich aus England, aus der Grafschaft Wessex und war dort viel unterwegs, ehe sie dann nach Sachsen-Anhalt kam. Dort - und deshalb machen sich die Forscher um den Mainzer Anthropologen Kurt Alt auch so viel Mühe mit ihren Untersuchungen - heiratete sie im Alter von 19 Jahren Kaiser Otto den Großen. Die Tote aus dem Dom war Königin Editha. Sie starb im Jahr 946 in Magdeburg.

Damit sind eineinhalb Jahre Ermittlungsarbeit abgeschlossen. 30 Forscher haben Knochen, Zähne, Kleider der Toten untersucht. Alle Daten deuten darauf hin, dass sich in dem Bleisarg, den die Forscher bei Ausgrabungen im Magdeburger Dom Mitte November 2008 entdeckt hatten, tatsächlich Edithas Überreste befinden.

Schon die Inschrift auf dem 70 Zentimeter langen Bleisarg war eine Steilvorlage: "Die geborgenen Reste der Königin Edith sind in diesem Sarkophag" steht in lateinischen Lettern auf dem eingedellten Deckel der länglichen Kiste. Doch oft sind im Mittelalter bei Umbettungen Knochen von Heiligen oder Königen im Reliquienhandel verschwunden. Auch Edithas Skelett ist nicht vollständig: die Füße sowie Teile der Hände und des Schädels fehlen.

Den Forschern genügten aber schon wenige Überreste eines Menschen für ihren Indizienbeweis. So enthalten die Zähne und die Knochen Hinweise darauf, wo ein Mensch gelebt haben könnte. Das eingelagerte Element Strontium ist wie ein geochemischer Fingerabdruck. Der Mensch nimmt es etwa aus dem Trinkwasser auf.

Da Strontium in der Natur in unterschiedlichen Isotopen vorkommt, deren Verhältnisse sich je nach Region unterscheiden, hat jede Gegend ihr typisches Profil. Menschen, die in Wessex leben, haben so ein anderes Strontiumprofil als Menschen aus Magdeburg.

Die im Zahnschmelz eingelagerten geografischen Profile lassen sich noch Jahrhunderte später wie Jahresringe lesen. Gleichen die Forscher die geochemischen mit den biografischen Daten einer Person ab, können sie zu erstaunlichen Erkenntnissen kommen.

Laut Mark Horton von der Universität Bristol scheint die Tote während ihrer ersten acht Lebensjahre in Südengland gelebt und häufig den Wohnort gewechselt zu haben. Das passt zur Biografie von Editha. "Editha muss in der Gefolgschaft ihres Vaters, König Edwards des Älteren, im Reich umhergezogen sein", sagt Horton. "Als die Mutter 919 geschieden wurde, also Editha zwischen neun und zehn Jahre alt war, wurden beide in ein Kloster verbannt. Genau in diesem Alter von etwa neun Jahren bleiben die Isotopenwerte in den untersuchten Zähnen konstant."

So ist jedes Detail aus dem Bleisarg der Königin Editha wie ein Puzzlestück ihres Lebens. Auch die edle Machart und das Alter der Stoffe, welche die Forscher im Sarg gefunden haben, passen. Sogar ein nettes Detail haben die Anthropologen entdeckt. Als der Sarg im Sommer 1510 während der Umbettung eine Nacht im Freien stand und nicht versiegelt war, sind Laufkäfer der Art Harpalus rufipes hineingeschlüpft. Die Forscher haben die Reste von 169 Käfern gefunden, die vor allem im Juli unterwegs sind. Diese Käfer müssen durch Fackelschein oder den hellen Stoff im Bleisarg angelockt worden sein, glauben die Experten vom Landesamt für Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt.

Nur ein Befund passt nicht ganz. Die Knochen sind laut Radiokarbon-Datierung 100 bis 300 Jahre älter. Der Anthropologe Kurt Alt bietet eine ungewöhnliche Erklärung an: "Die Abweichung erklärt sich daraus, dass Editha viel Fisch gegessen hat." Bewohner von Küstenregionen oder Menschen, die sehr viel Fisch essen, erscheinen bei der Datierung älter, als sie waren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: