Geschäfte mit Palmöl:Das Dschungel-Paradox

US-Wissenschaftler fordern Umweltschützer auf, in das Geschäft mit Palmöl-Plantagen einzusteigen, um den Regenwald zu bewahren. Kritiker bezeichnen die Idee als "Silvesterscherz aus dem Elfenbeinturm".

Martin Kotynek

Mit einem radikalen Vorschlag, wie Regenwälder vor weiterer Abholzung geschützt werden könnten, sorgen Ökologen der amerikanischen Princeton-Universität für Empörung unter Umweltschutzorganisationen.

Geschäfte mit Palmöl: Nur vereinzelte Ölpalmen stehen noch in diesem abgeholzten Wald in Ecuador.

Nur vereinzelte Ölpalmen stehen noch in diesem abgeholzten Wald in Ecuador.

(Foto: Foto: dpa)

Der WWF spricht von "einem provokanten, aber unrealistischen Vorschlag", für Greenpeace ist die Idee "stark fragwürdig" und der Verein Rettet den Regenwald nennt den Vorschlag einen "Silvesterscherz aus dem Elfenbeinturm". Unter der Hand ist sogar "Schwachsinn" zu hören.

Die Forscher schlagen im Fachblatt Nature vom heutigen Donnerstag vor, Umweltschutzorganisationen sollten in das lukrative Geschäft mit Palmöl-Plantagen einsteigen (Bd. 448, S. 993, 2007). Mit den Gewinnen aus dem Verkauf des Öls, das zum Kochen, in Kosmetika und als Biokraftstoff eingesetzt wird, sollten die Organisationen Waldflächen kaufen und private Naturschutzgebiete errichten.

"Das ist eine Chance, Ökonomie mit Artenschutz zu verknüpfen", schreiben die Princeton-Ökologen Lian Pin Koh und David Wilcove.

Das Palmöl-Geschäft ist stark in Verruf geraten. Um Plantagen zu errichten, werden Regenwälder in Südostasien gerodet. Zwölf Millionen Hektar Naturland sind nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO bisher in Plantagen umgewandelt worden - das entspricht etwa der Fläche von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zusammen. Bis 2030 soll sich die Plantagenfläche verdoppeln, denn die Nachfrage nach dem Pflanzenöl steigt rasant an.

Schon werden die Anbauflächen knapp, am Dienstag warnte der malaysische Rohstoffminister Peter Chin vor Nachschubproblemen in diesem Jahr. Malaysia will daher die Produktion von derzeit 15,8 auf 20 Millionen Tonnen im Jahr 2020 steigern - auf Kosten des Tropenwaldes.

In Indonesien sind nur mehr 25 Prozent der ursprünglichen Wälder intakt, in Malaysia gar nur 11,6 Prozent. Eine weitere Zerstörung wäre für die Artenvielfalt desaströs, warnen Umweltschützer einhellig, denn viele Tiere und Pflanzen kämen ausschließlich in den Regenwäldern Südostasiens vor.

Tatsächlich stehen 146 Säugetierarten in Indonesien und 47 Amphibienarten in Malaysia auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten. "Weniger als zehn Prozent der Regenwälder in Malaysia und nur knapp 20 Prozent der Wälder in Indonesien stehen unter staatlichem Schutz", schreiben die Ökologen der Princeton-Universität.

Eine Alternative wäre daher, private Schutzgebiete zu errichten. In Entwicklungsländern Afrikas und Lateinamerikas werde das bereits erfolgreich praktiziert, so die Autoren.

Profitabel nach sechs Jahren

Für Greenpeace geht der Vorschlag in die falsche Richtung. "Wir werden sicher keine Monokulturen auf ehemaligem Urwaldboden anbauen", sagt Oliver Salge, Leiter der Waldabteilung bei der Umweltorganisation.

"Vielmehr fordern wir einen Verzicht auf Palmöl, da es kein ökologischer Rohstoff ist." Vor allem die Verwendung als Biokraftstoff in Fahrzeugen und als Brennstoff in Heizkraftwerken macht Salge Sorgen: "Die Ökobilanz stimmt nicht, wenn man die intensive Düngung, die Pestizide und die Treibhausgasemissionen der Transporte berücksichtigt."

Er fordert daher einen Stopp des Anbaus der Ölpalme. Doch mit jährlich 33 Millionen Tonnen weltweit ist das Produkt mittlerweile das wichtigste Pflanzenöl geworden. "Die Expansion der Palmöl-Industrie ist nicht mehr zu bremsen", sagt der Studienautor David Wilcove.

Zudem seien allein in Malaysia eine halbe Million Menschen direkt vom Palmöl-Geschäft abhängig, ein Produktionsstopp habe also gravierende gesellschaftliche Folgen, so Wilcove.

"Unser Vorschlag kann den Verlust von Regenwäldern hingegen reduzieren, ohne die Existenzgrundlage der lokalen Bevölkerung zu zerstören", ergänzt der Erstautor Lian Pin Koh.

Seine Rechnung klingt einfach: Eine Palmöl-Plantage werfe Profite von 2000 Dollar pro Hektar ab. Ein Hektar Plantagen-Land koste in Malaysia momentan etwa 12.500 Dollar, das eingesetzte Kapital wäre also nach etwa sechs Jahren refinanziert. Danach brächte eine 5000 Hektar große Plantage jährlich zehn Millionen Dollar ein. "Genug, um Jahr für Jahr 1800 Hektar Wald zu kaufen und vor der Abholzung zu schützen", sagt David Wilcove.

"Die Rechnung leuchtet ein, aber wir würden unsere Glaubwürdigkeit verlieren", sagt Matthias Diemer, Leiter des Waldprogramms beim WWF. "Als Plantagenbesitzer könnten wir die anderen Marktteilnehmer nicht mehr unabhängig kontrollieren." Er setzt vielmehr auf zertifiziertes Palmöl.

Gemeinsam mit der Nahrungsmittelindustrie und Palmöl-Produzenten hat der WWF strenge Umweltschutz-Kriterien entwickelt. Rodungen von Tropenwald sind tabu, zudem verpflichten sich die Plantagenbesitzer, faire Löhne zu bezahlen. In der kommenden Woche hätte das zertifizierte Öl bereits erhältlich sein sollen, nun soll es "im Laufe des Novembers" soweit sein - die Partner konnten sich noch nicht auf ein gemeinsames Logo für das Öko-Palmöl einigen.

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