Geologie:Das brodelnde Mittelmeer

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Ein Geruch nach faulen Eiern, Tausende tote Fische treiben im Wasser, das Meer scheint zu kochen - vor Sizilien dringt vulkanisches Gas aus dem Meeresboden. Droht eine große Eruption?

Ute Kehse

Die Fischer waren die Ersten, die etwas bemerkten. Am frühen Morgen des 3. November 2002 waren sie vor der süditalienischen Insel Panarea unterwegs, zwischen den Vulkanfelsen Lisca Bianca und Lisca Nera.

Vor acht Jahren drangen neben dem Vulkanfelsen Lisca Bianca vor Sizilien große Blasen schwefligen Gases an die Oberfläche. (Foto: INGV)

Auf einmal stieg ihnen Schwefelwasserstoff in die Nase: Es stank nach faulen Eiern. Dann sahen die Männer tote Fische, Tausende trieben im Wasser. Das Meer schien zu kochen. Riesige Blasen quollen aus der Tiefe, die schäumende See färbte sich weiß.

Schnell drehten die Fischer ab. Doch was sie gesehen haben, beschäftigt seitdem nicht nur den italienischen Zivilschutz, sondern auch die Wissenschaft. "Bis 2002 wussten wir nicht, dass es solche Gaseruptionen im flachen Wasser überhaupt gibt", sagt Thomas Monecke, ein deutscher Mineraloge an der Colorado School of Mines in den USA.

Doch sie sind nicht einmal selten, berichtete er am vergangenen Montag auf der Jahrestagung der Geologischen Gesellschaft von Amerika in Denver. Insgesamt 150 Krater mit Durchmessern zwischen zehn und mehr als 100 Metern, allesamt während der vergangenen 10.000 Jahre entstanden, entdeckte er mit Kollegen kürzlich während einer Expedition des Forschungsschiffes Meteor im Wasser vor Panarea.

Die kleine Insel im Tyrrhenischen Meer ragt als Spitze eines großen Vulkankegels aus dem Wasser und zählt zu den Liparischen Inseln. Ihr Feuerberg galt bislang als erloschen. Doch nun ist klar, dass er nicht ungefährlich ist.

"Wenn man mit einem Boot über eine Gasblase fährt, geht man sicherlich unter", sagt Monecke. Auch Taucher könnten Schwierigkeiten mit der Druckanpassung bekommen, wenn sie in einem Gasstrudel in die Tiefe sinken. Die Gefahr ist durchaus real: "In den Sommermonaten ist Panarea ein Ferienparadies. Im Hafen liegen viele Yachten vor Anker, es wird getaucht und Jetski gefahren", berichtet der Forscher.

Inzwischen haben seine Kollegen und er rekonstruiert, was sich 2002 ereignete. Offenbar befindet sich tief in der Erdkruste unter Panarea ein Reservoir mit erkaltendem Magma, das ständig Gas ausschwitzt.

Dieses sammelt sich knapp unter dem Meeresboden, nur kleine Mengen perlen als silbriger Vorhang in die Höhe. Wenn ein kritischer Druck überschritten wird, bricht es durch Schwachstellen schlagartig heraus. "Um trotz des Drucks der Wassersäule eine Explosion zu erzeugen, muss der Überdruck erheblich sein", sagt Monecke.

Der Krater von 2002 lag in zehn Meter tiefem Wasser, hatte einen Durchmesser von etwa 30 Metern und war sieben Meter tief. Doch die Forscher spürten noch weit größere Krater auf, in bis zu 100 Metern Tiefe.

Reine Gasexplosionen ereignen sich zuweilen auch an Land. Bei diesen sogenannten hydrothermalen Eruptionen werden nicht nur heißer Dampf und Wasser in die Luft geschleudert, sondern auch festes Gestein. In Neuseeland forderten solche Ausbrüche im vergangenen Jahrhundert mehrfach Todesopfer.

Auch in Japan, Griechenland, Indonesien und den USA kam es zu Unglücken, bei denen teils noch mehrere 100 Meter vom Zentrum der Explosion ein Trümmerregen niederging. Monecke warnt nun, dass in vielen Gegenden der Welt auch mit den für den Schiffsverkehr gefährlichen submarinen Gasexplosionen gerechnet werden muss. "Die Unterwasser-Eruption von 2002 ist zwar bislang die einzige, die direkt beobachtet wurde. Aber weltweit kennt man zahlreiche Krater, die vermutlich durch ähnliche Ereignisse entstanden sind", sagt der Geologe.

Besonders gefährdet seien Inselbögen an den Nahtstellen der Erdkruste. Wo sich eine ozeanische Platte unter eine andere schiebt wie an den Liparischen Inseln, ist das Magma häufig besonders reich an Gasen. Ähnliche geologische Verhältnisse herrschen zum Beispiel an der griechischen Insel Santorin, vor Japan, am Marianenbogen oder im Norden Neuseelands.

"Die Explosionen erreichen sicher nicht die Zerstörungskraft einer vulkanischen Eruption", sagt Monecke. Dennoch müsse man Gasexplosionen in Betracht ziehen, wenn man Strategien zum Risikomanagement auf Vulkaninseln entwickelt.

Der Forscher hat sich auch Gedanken darüber gemacht, was die submarinen Quellen zum globalen Kohlendioxid-Budget beitragen: "In den vergangenen 10.000 Jahren hat Panarea doppelt so viel CO2 produziert wie die gigantische Eruption des Vulkans Pinatubo im Jahr 1991", berichtete er in Denver. Doch auch wenn es weltweit etwa 1000 andere Inselbogenvulkane gibt: Im Vergleich zu den menschlichen Emissionen sei deren Produktion "verschwindend gering", hat der Forscher ausgerechnet.

© SZ vom 04.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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