Gentechnik:Das gibt Ärger

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Neue gentechnische Methoden erlauben Veränderungen in Pflanzen, wie sie sonst nur durch Evolution entstehen. Das Geschöpf aus dem Labor ist von einer gezüchteten Pflanze nicht mehr zu unterscheiden.

Von Hanno Charisius

Pflanzenzüchter haben einen Haufen neuer Werkzeuge von der Biotechnologie geschenkt bekommen. Damit können sie Pflanzen einfach nach Wunsch manipulieren, zumindest sehr viel einfacher als mit den alten Methoden der Gentechnik. Und vor allem: ohne Spuren zu hinterlassen. Dabei sind auch solche gezielten Veränderungen möglich, wie sie sonst nur durch Evolution entstehen. Das Geschöpf aus dem Labor ist von einer herkömmlich gezüchteten Pflanze nicht mehr zu unterscheiden. Um die neuen Verfahren von der bösen Grünen Gentechnik abzusetzen, wird gern von "Gen-Redigatur" geredet.

Ist eine mit den neuen Verfahren erzeugte Sorte trotzdem als gentechnisch verändert zu betrachten? Oder gleicht sie eher dem Resultat einer klassischen Züchtung, die durch Kreuzung und chemisch herbeigeführte Zufallsmutationen möglich ist? Das müssen die Gesetzgeber allmählich mal entscheiden. Denn solange solche Kreaturen keine artfremden Gene eingepflanzt bekommen, fallen sie nicht unter das geltende Gentechnikgesetz.

Die Zeit drängt, die ersten Unternehmen wollen ihre Produkte auf den Markt bringen. Das kalifornische Unternehmen Cibus zum Beispiel steht bereits mit deutschen Behörden in Kontakt, um hier seine Pflanzen zu vermarkten. Darunter eine Rapssorte, die durch den Austausch einzelner Genbausteine resistent gemacht wurde gegen Pflanzenschutzmittel. Weil keine Fremdgene verwendet wurden, wie bei bisherigen herbizidresistenten Pflanzen, besteht das Unternehmen darauf, dass seine Produkte nicht "gentechnisch verändert" sind. Nach einem Bericht im Fachblatt Nature sieht das die Zulassungsbehörde in Deutschland auch so und hat keine Einwände gegen die Einfuhr - solange die Europäische Kommission sich nicht rührt.

Während also in Deutschland noch immer über die Gefahren der konventionellen Gentechnik gestritten wird, überholt die nächste Pflanzengeneration unbemerkt auf dem Außenstreifen. Die Industrie wiederholt den alten Fehler von Mitte der 1990er-Jahre, als sie zum ersten Mal versuchte, dem Verbraucher gentechnisch veränderte Pflanzen schmackhaft zu machen. Bevor die Öffentlichkeit die Chance hat zu kapieren, was "Gen-Redigatur" bedeutet, und sich eine Meinung dazu zu bilden, sorgt die Industrie bereits für Tatsachen. Schlau ist das nicht. So ist abzusehen, dass die neue Gentechnik auf genauso wenig Akzeptanz stoßen wird, wie die alte.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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