Genforschung:Warum sagt der Affe nichts?

Das Sprachgen von Affe und Mensch unterscheidet sich kaum. Warum das Tier trotzdem nicht reden kann, haben Forscher nun enträtselt.

Katrin Blawat

Eines der Merkmale, die Mensch, Affe, Papagei, Fisch und Schnecke gemeinsam haben, ist ein Gen namens FOXP2, auch bekannt als "Sprachgen". Vor etwa 200.000 Jahren änderte sich beim Menschen in kurzer Zeit an nur zwei Stellen die Zusammensetzung der Aminosäuren in dem Protein, für dessen Herstellung das Gen FOXP2 zuständig ist. Und ungefähr zur gleichen Zeit begann der Mensch zu sprechen.

Genforschung: Die Verständigung zwischen Gorilla-Baby und Ziehvater funktioniert auch wortlos. Zum Sprechen müsste das Sprachgen beim Affen anders aufgebaut sein.

Die Verständigung zwischen Gorilla-Baby und Ziehvater funktioniert auch wortlos. Zum Sprechen müsste das Sprachgen beim Affen anders aufgebaut sein.

(Foto: Foto: Michael Kappeler, ddp)

Zufall? Trotz des zeitlichen Zusammentreffens hielten sich die Wissenschaftler bislang damit zurück, die vergleichsweise winzigen Veränderungen als Ursache für das menschliche Alleinstellungsmerkmal Sprache zu nennen. Zum einen fehlte der Beleg, zum anderen kennt man Beispiele in der Biologie, in denen geringfügige Änderungen in der Aminosäure-Abfolge eines Proteins wirkungslos bleiben.

Im Fall des Proteins FOXP2 aber - Gen und Protein tragen den gleichen Namen - hat der Austausch zweier Aminosäure durchaus Folgen, wie Neurobiologen um Daniel Geschwind von der University of California in Los Angeles nun gezeigt haben (Nature, Bd.462, S.213, 2009). Als sogenannter Transkriptionsfaktor ist FOXP2 dafür zuständig, die Aktivität anderer Gene zu regulieren.

Geschwind und seine Kollegen untersuchten in Gewebeproben, auf welche nachgeschalteten Gene die menschliche Variante des FOXP2 in den Nervenzellen von Mensch und Affe einwirkt. Insgesamt 116 Gene in menschlichen Hirnzellen ließen sich ausschließlich durch die menschliche Form des FOXP2 beeinflussen; auf die Schimpansen-Variante reagierten diese Gene gar nicht.

Sprachgen anders aufgebaut

Damit lieferten die Forscher erstmalig einen Hinweis darauf, dass die Veränderungen im menschlichen FOXP2 tatsächlich zur Evolution der Sprache beigetragen haben könnten.

Ihre Studie sei zudem ein neues Beispiel dafür, dass sich die Unterschiede zwischen Schimpanse und Mensch nicht allein mit den Abweichungen in der DNS-Sequenz begründen lassen, schreiben die Autoren - die Erbsubstanz des Schimpansen stimmt immerhin zu 98 Prozent mit der des Menschen überein. Entscheidender ist, nach welchem Muster nachgeschaltete Gene von "Taktgebern" wie FOXP2 gesteuert werden.

Gelöst ist das Rätsel um die menschliche Sprache damit jedoch noch nicht, die Forschung an FOXP2 beschäftigt Arbeitsgruppen auf der ganzen Welt. Vor wenigen Wochen erst hatten Leipziger Wissenschaftler die menschliche Variante des Sprachgens in Mäuse eingeschleust. Sprechen lernten die Nager dadurch zwar nicht, doch änderte sich die Form einiger Nervenzellen in Hirnarealen, die für die motorische Steuerung der Sprechmuskulatur verantwortlich sind.

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