Genetik:Nur mehr weiße Mäuse

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Genetikern ist es gelungen, die Vererbung weißer Fellfarbe in Mäusen mit Hilfe einer komplexen Technik namens Gene Drive zu beschleunigen. Das klingt nach einer bizarren Spielerei, könnte aber massive Auswirkungen haben.

Von Kathrin Zinkant

Weiße Mäuse zu sehen verheißt gemeinhin nichts Gutes. Für ein amerikanisches Forscherteam dürfte der Anblick ihrer weißen Mäuseschar allerdings eine ziemliche Freude gewesen sein. Dem Team um die Zellbiologin Kimberly Cooper ist es erstmalig gelungen, mithilfe eines sogenannten Gene Drives die Vererbung der weißen Fellfarbe in der Maus zu beschleunigen. Wie die Forscher in einer Vorveröffentlichung auf dem Preprint-Server bioRxiv berichten, wären in dem untersuchten Fall 146 Nachkommen nötig gewesen, um eine weiße Maus hervorzubringen. Mithilfe eines komplexen Gene Drives konnte das Verhältnis fast umgekehrt werden.

Die zugrunde liegende Technik hat in den vergangenen Jahren einigen Aufruhr in der Biotechszene verursacht, weil sie vermeintlich unerschütterliche Grundfesten der Vererbung unterwandert. Pflanzt sich ein Paar fort, trägt normalerweise jeder Partner 50 Prozent zu jeder Eigenschaft der Nachkommen bei. So besagen es die Mendelschen Regeln. Oder: Jeder Nachkomme erhält zwei Kopien, sogenannte Allele, eines Gens. Jedes Allel hat die gleiche Chance, vererbt zu werden. So formuliert es die Molekularbiologie.

Gene Drives heben die Chance einer Genkopie, vererbt zu werden, jedoch auf mehr als 50 Prozent an. Was unnatürlich klingt. Tatsächlich haben viele Insekten und andere Organismen im Zuge der Evolution Mechanismen entwickelt, dank derer sich Genvarianten besonders schnell in einer Artengemeinschaft ausbreiten.

Wissenschaftler versuchen seit 15 Jahren, das Konzept zu nutzen. In Schwung kam die Forschung durch die Genschere Crispr-Cas. Das molekulare Werkzeug kann jedes Gen präzise aus dem Erbgut entfernen und durch eine andere, erwünschte Version ersetzen. Nötig sind die Schere, eine Sonde, die das gesuchte Gen aufspürt und ein Erbgutstück, das an der Schnittstelle eingesetzt werden soll. Der Trick des Gen Drive ist, dass auch der Code für Schere und Sonde mit ins Erbgut des Organismus eingebaut wird. Jede Folgegeneration erbt das Werkzeug gleich mit. Unerwünschte Gene des Vaters oder der Mutter werden sofort aus dem Verkehr gezogen.

Mit der Technik ließen sich womöglich Krankheiten wie Malaria ausrotten

Gene Drives funktionieren besonders gut in Tieren, die sich rasch fortpflanzen. So sollen Malaria übertragende Mücken durch Gene Drives bekämpft werden, die Krankheit ließe sich womöglich ausrotten, würde man die Technik einsetzen. Zudem versucht man, Ratten und Mäuse zu verändern. Auch, um langwierige Züchtungen für die Forschung zu vermeiden.

Das aktuelle Papier ist der erste Erfolg in dieser Hinsicht. Es belegt, das Gene Drives vielfältig einsetzbar sind. Auch für einen Missbrauch. Nicht umsonst finanziert die militärische Forschungsagentur der USA, Darpa, Projekte zur Kontrolle der Technik. Selbst Pioniere des Gene Drive warnen, die Methode verfrüht in der Natur zu testen. Wenn die Risiken aber beherrschbar sind, könnte die Technik Krankheiten bekämpfen helfen und damit Menschenleben retten.

© SZ vom 11.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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