Geflügelpest:Vogelgrippe erreicht Deutschland

Verdachtsfälle in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg haben sich bestätigt: Der für Wildvögel gefährliche H5N8-Erreger ist in Deutschland angekommen. Nun sollen Schutzmaßnahmen gegen die Geflügelpest ergriffen werden.

Von Hanno Charisius

Als am vergangenen Wochenende das Vogelsterben an den Plöner Seen in Schleswig-Holstein begann, lag der Verdacht nahe, dass die Vogelgrippe die Region erreicht haben könnte. In der Nacht zum Dienstag bestätigte die genetische Untersuchung der Tiere die Befürchtung: Das nationale Referenzlabor für aviäre Influenza wies in Proben der verendeten Wasservögel Erreger des Influenza-Subtyps H5N8 nach. Detailliertere Analysen ergaben, dass es sich um die hochpathogene Form handelt, die Geflügelpest. Das Veterinäramt des Kreises Plön richtete Sperrbezirke um die Fundorte der toten Tiere ein. Geflügelhalter wurden angewiesen, ihre Tiere in Ställen unterzubringen. Weitere Verdachtsfälle aus Schleswig-Holstein werden derzeit untersucht. Auch bei mehr als 30 toten Wildvögeln am Bodensee bestätigte sich mittlerweile der Verdacht auf H5N8.

Seit dem Wochenende waren am Großen Plöner See und kleineren Seen in der Umgebung mehr als 100 tote Reiherenten, Blesshühner, Möwen, Gänse und Schwäne entdeckt worden. "Das Krankheitsgeschehen ist in dieser massiven Ausprägung besorgniserregend", sagte der Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Robert Habeck. "Der Befund ist Anlass für extrem hohe Wachsamkeit."

Mitte Oktober war das Virus noch weit weg in Indien. Wenig später erreichte es Ungarn

Es gibt viele Influenza-Typen, solche, die Menschen und verschiedene Tierarten befallen und solche, die bevorzugt bei einem Wirt bleiben. Die Vogelgrippe kann bei Hausgeflügel und Wildvögeln als leicht krank machende niedrigpathogene oder als hochpathogene Form - die Geflügelpest - auftreten. Die "Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest" schreibt vor, welche Maßnahmen dann ergriffen werden müssen. Hat das Virus einen Bestand befallen, können die Behörden die Tötung der Tiere anordnen.

In den vergangenen Wochen hatten sich ähnliche Meldungen aus anderen Ländern gehäuft. Das Virus war Mitte Oktober in Indien und in Ungarn aufgetaucht. Am 28. Oktober wiesen erstmals polnische Behörden den Erreger nach. Als das Virus im September in Südsibirien entdeckt wurde, warnten Experten der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO, dass sich der Erreger wahrscheinlich entlang der Flugrouten von Wildvögeln ausbreiten werde. Länder im Mittleren Osten, Osteuropa und Westafrika sollten sich auf die Ankunft der Geflügelpest gefasst machen. Die FAO-Experten lobten das russische Überwachungssystem ausdrücklich, dem die frühe Warnung zu verdanken sei.

In der Vergangenheit hatte sich dieser Erreger bereits wiederholt rasch ausbreiten können. Einen dieser Ausbrüche im Jahr 2014 hat im Oktober ein Forscherkonsortium im Wissenschaftsjournal Science nachgezeichnet: Der Erreger brauchte kaum ein Jahr vom ersten Auftauchen in südkoreanischen Haushühnern, bis er auch in Europa und Nordamerika Vögel tötete. Die Wissenschaftler vermuten, dass H5N8 schnell weite Strecken in den Körpern von Zugvögeln zurücklegt, die das Virus zwar infiziert, aber nicht schwer krank macht oder gar tötet.

Der jetzt in Schleswig-Holstein gefundene Typ H5N8 ist für wildlebende Wasservögel nicht immer tödlich, so dass er oft erst entdeckt wird, wenn er auch auf Zucht- oder Legehennenbetriebe übergesprungen ist. Das Risiko für eine Einschleppung in deutsche Hausgeflügelbestände schätzte das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) im März noch als gering bis mäßig ein, doch vermerkte es einen voraussichtlichen Anstieg der Gefahr ab August. Infektionen von Menschen mit den Viren sind laut FLI bislang nicht nachgewiesen worden. Eine Ansteckung über infizierte Lebensmittel ist laut Bundesinstitut für Risikobewertung "theoretisch denkbar, aber unwahrscheinlich".

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