Gefahr durch Blutverdünner:Heparin-Skandal erreicht Deutschland

In den USA sind bereits 19 Menschen nach der Einnahme verunreinigter Blutverdünner gestorben. Nun melden die Behörden auch bei deutschen Patienten schwere allergische Reaktionen auf ein Heparin-Produkt, das nun vom Markt genommen wird.

Wegen möglicher Gesundheitsgefahren muss ein Blutverdünnungsmedikament in Deutschland vom Markt genommen werden.

Offenbar ist es nach der Einnahme des Mittels bereits zu Dutzenden Fällen von Atembeschwerden, Herzrasen und niedrigem Blutdruck gekommen. Betroffen ist nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein Heparin-Produkt der Firma Rotexmedica aus Schleswig-Holstein.

"Es gibt den Verdacht, dass die von Rotexmedica produzierten Chargen Verunreinigungen enthalten", sagte Institutsexperte Ulrich Hagemann. Das Ausgangsmaterial stamme möglicherweise aus China. In Deutschland seien bereits drei Fälle schwerer allergischer Reaktionen gemeldet worden.

Keine Todesfälle in Deutschland

Axel Thiele vom BfArM bestätigte insgesamt etwa 80 Fälle von allergischem Schock im Zusammenhang mit dem Mittel. Todesfälle seien aber nicht bekannt.

Die Nebenwirkungen wurden Thiele zufolge vermutlich durch Verschmutzungen des aus Schweinedärmen gewonnen Wirkstoffs verursacht. Der bei RotexMedica zurückgerufene Wirkstoff sei nach bisherigen Erkenntnissen in China produziert worden, sagte Thiele. Wegen der chemischen Ähnlichkeit ist die Kontamination jedoch nur schwer zu entdecken.

Bislang ist nach Angaben des Bundesinstituts nur eine billigere Variante, das sogenannte unfraktionierte Heparin, von Verunreinigungen betroffen. Die meisten Fälle schwerer Nebenwirkungen seien von Dialysezentren gemeldet worden, sagte Thiele.

Beim teureren und neueren fraktionierten Heparin würden Verschmutzungen offenbar durch intensivere Reinigungsprozesse verhindert. Doch die billigere Variante ist weit verbreitet: Allein in Deutschland gebe es zehn Hersteller von unfraktioniertem Heparin.

Ein Sprecher von Rotexmedica wollte zunächst keine Stellung nehmen. Die Firma arbeite mit den Behörden zusammen, um den Fall aufzuklären, sagte der Sprecher.

In den USA waren im Zusammenhang mit dem Blutverdünner 19 Menschen gestorben und mehr als 700 Fälle allergischer Reaktionen gemeldet worden. Experten der amerikanischen Medikamenten- und Lebensmittelbehörde FDA haben in den betroffenen Produkten einen offenbar gefälschten Bestandteil entdeckt, der sich jedoch kaum vom Original unterscheidet. Deshalb ist noch unklar, ob diese Substanz die allergischen Reaktionen auslöst.

Bislang standen in den USA vor allem Produkte der Firma Baxter International im Verdacht, kontaminiert zu sein. Das Unternehmen Rotexmedica in Deutschland gehört jedoch zur französischen Pharmagruppe Panpharma.

Die FDA hat inzwischen alle US-Unternehmen, die Heparin produzieren, aufgefordert, ihre Produkte mit zwei Spezialverfahren zu überprüfen.

Heparin ist nicht mehr patentgeschützt und wird mittlerweile von einer Vielzahl von kleineren Pharmafirmen produziert. Allerdings stammt der größte Teil der Produkte aus China. Wie die New York Times berichtet, ging mit etwa 13 Tonnen der größte Teil der Heparin-Produkte aus China im ersten Halbjahr 2007 nach Deutschland. Weitere elf Tonnen gelangten nach Frankreich, zehn in die USA.

Es ist ein Medikament, das bei akuter Thrombosegefahr eingesetzt wird und die Gerinnungsfähigkeit des Blutes herabsetzt. Heparin wird aus Schweinedärmen gewonnen und in hohen Dosen bei der Dialyse und bei Herzoperationen verwendet.

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