Frostschäden:Gesprengte Blüten, erfrorene Früchte

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Um Frostschäden abzuwenden, setzen Winzer und Obstbauern immer häufiger auf die sogenannte Frostberegnung (im Bild eine Apfelblüte). (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Die kalte Witterung richtet bei Obstbäumen und Weinreben enormen Schaden an. Einige Pflanzen haben aber Gegenmittel gegen den späten Frost entwickelt.

Von Tina Baier

Es gibt Pflanzen, denen ein paar eisige Frostnächte nicht das Geringste anhaben können. "Getreide zum Beispiel erfriert fast nie", sagt Andreas Becker, Leiter der Bayerischen Gartenakademie in Veitshöchheim. Gräser, zu denen auch Weizen, Hafer und Gerste gehören, haben einen Trick, um sich vor Kälte zu schützen. Sie benutzen Kalium, das sie aus dem Boden aufnehmen, als eine Art Frostschutzmittel und lagern es in ihren Zellen ein. Ähnlich wie Streusalz verhindert die Substanz, dass das Wasser, das in jeder Zelle vorhanden ist, gefriert.

Obstbäume und Weinreben haben diese Fähigkeit nicht und waren daher den starken Nachtfrösten im April hilflos ausgeliefert. Das Wasser in ihren Zellen wurde zu Eis, dehnte sich aus und sprengte die Zellen von Blüten und Knospen, die dadurch unwiderruflich zerstört wurden. "Um zu testen, ob der Wein erfroren ist, drückt man die Knospen leicht zusammen", sagt Georg Bätz, Abteilungsleiter an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau.

Gesunde Knospen fühlen sich fest an, erfrorene sind ganz weich, weil die Struktur der Zellen zerstört ist. "Das ist wie beim Salat, wenn man ihn zu weit hinten im Kühlschrank aufbewahrt", sagt Bätz. Obstbäumen sieht man die Erfrierungen manchmal schon von Weitem an den Blättern an, die schlaff herunterhängen und braun verfärbt sind.

Die meisten Pflanzen sorgen vor, damit es keinen totalen Ausfall der Ernte gibt

Besonders schlimm ist es für Pflanzen - und für Landwirte -, wenn der Frost die Blüten schädigt, weil sich aus ihnen dann keine Früchte mehr entwickeln können. Für den Bauern bedeutet dies, dass die Ernte geringer ausfällt. Auch für die Pflanze können die Folgen dramatisch sein: Ohne Früchte kann sie sich nicht vermehren, was aus Sicht der Evolution das wichtigste Ziel aller Lebewesen ist. "Besonders frostempfindlich sind Pflanzen kurz nach der Bestäubung", sagt Andreas Becker. Dann, wenn das Pollenkorn auf der Narbe liegt und der Pollenschlauch beginnt, in Richtung Eizelle zu wachsen. Wenn dieser Vorgang durch den Frost unterbrochen wird, findet keine Befruchtung statt, die Pflanze hat keinerlei Chance, Früchte zu bilden.

Manchmal zeigen sich die Frostschäden nicht sofort, sondern erst Wochen später. Die Früchte scheinen sich zunächst normal zu entwickeln, doch dann lassen beispielsweise manche Obstbäume kleine, unreife Früchte viel zu früh fallen. In diesen Fällen hat der Frost die Pflanze meist in einer späteren Phase geschädigt. Die Befruchtung hat noch funktioniert, aber der Embryo ist erfroren und kann sich deshalb nicht richtig entwickeln. Diese Art von Frostschäden sind auch für Landwirte oft erst zu erkennen, wenn die Früchte plötzlich zu früh abfallen. "Bei Trauben kann der Frost auch zu Mutationen führen", sagt Becker, zu genetischen Veränderungen, die zum Beispiel zur Folge haben, dass sich die Farbe der Früchte verändert und die Trauben bunt gemustert aussehen, ähnlich wie Murmeln.

Doch auch wenn Frostschäden auftreten, bedeutet das in der Regel keinen kompletten Ausfall der Ernte. Fast alle Pflanzen rechnen sozusagen mit Widrigkeiten und lassen zur Sicherheit nicht alle ihre Blüten gleichzeitig aufgehen. Auch wenn die ersten erfrieren, gibt es in der Regel immer noch eine Reserve, die zu einem späteren Zeitpunkt blüht.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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