Frédéric Chopin:Der berühmteste Husten der Musikgeschichte

In Polen wird darüber gestritten, ob Chopins Herz untersucht werden soll - der Komponist könnte an Mukoviszidose gelitten haben.

Thomas Urban

Zeitgenossen berichteten, dass dem großen polnischen Komponisten Frédéric Chopin schlimme Hustenanfälle die letzten Jahre seines Lebens vergällt haben. Für die Ärzte stand fest, dass er an Schwindsucht litt, in der Fachsprache Tuberkulose genannt. Dies stand auch im Totenschein, als er 1849, gerade einmal 39 Jahre alt, fern der Heimat in Paris starb.

Chopin, AFP

Chopin ist auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise beerdigt, doch sein Herz ist in Warschau.

(Foto: Foto: AFP)

Er war völlig abgemagert, geradezu ausgemergelt gewesen, bei einer Körpergröße von 1,70 Meter wog er nur noch rund 40 Kilogramm. Begraben wurde er auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise, sein Herz aber brachten Freunde nach Warschau. So hatte er es selbst in seinem Testament verfügt.

Die polnische Hauptstadt gehörte damals zum Zarenreich, in ihr stand ein großes Kontingent russischer Besatzungstruppen. Chopin hatte einige seiner Kompositionen dem Freiheitskampf Polens gewidmet, deshalb sollte sein Herz in der Heimaterde ruhen. Es wurde allerdings in Cognac konserviert und fortan in einem kristallenen Reliquienschrein in der Heiligkreuzkirche ausgestellt. Täglich legen Warschauer dort frische Blumen nieder.

Nun möchten polnische Wissenschaftler klären, ob wirklich die Schwindsucht, gegen die es Mitte des 19. Jahrhunderts kein Heilmittel gab, die Todesursache war. Oder ob es nicht Mukoviszidose war. Dabei handelt es sich um eine vererbte Stoffwechselkrankheit, die die Körpersekrete zähflüssig werden lässt. Diese können nur erschwert vom Körper abtransportiert werden, daher sammelt sich Schleim in der Lunge und in den Atemwegen, der Kranke muss ständig husten.

Zur falschen Jahreszeit auf Mallorca

Die Wissenschaftler möchten also dem Herzen eine kleine Gewebeprobe entnehmen, um Chopins Erbgut zu untersuchen. Und vor allem diskutieren die Warschauer Medien, ob es nicht überhaupt besser wäre, die Reliquie ruhen zu lassen. Es sei von geringem Erkenntniswert für die Beurteilung des Werkes Chopins, woran er denn genau gestorben sei.

Bisher hatte gegolten, dass Chopin an chronischer Lungenentzündung gelitten hatte, die er sich ausgerechnet auf der sonnigen Mittelmeerinsel Mallorca zugezogen hatte. Der Körper sei so geschwächt gewesen, dass er sich nicht gegen Tuberkuloseerreger habe wehren können. Nach Mallorca war er allerdings in der falschen Jahreszeit gereist, nämlich im Winter. Es war kalt und regnerisch.

Wie er sich damals fühlte, geht aus dem berühmten "Regentropfen-Prelude" hervor, das er dort komponierte: Es ist tief melancholisch. Auf die Insel war er mit seiner damaligen Geliebten gekommen, der französischen Schriftstellerin George Sand, die er in Paris kennen gelernt hatte. Chopin war als junger Mann nach Frankreich, woher sein Vater stammte, emigriert, nachdem ein Aufstand der Polen gegen die russischen Besatzer 1831 niedergeschlagen worden war.

Auf Mallorca wohnten George Sand und Chopin überdies höchst ungemütlich, nämlich in einem Kloster. Der Komponist schrieb bedrückt in einem Brief: "Die Zelle hat die Form eines hohen Sarges."

Die Ärzte konnten ihm nicht helfen

Da sein Husten immer schlimmer wurde, ließ er sich schließlich von einheimischen Ärzten untersuchen. Geholfen haben sie ihm nicht, bitter-ironisch hielt er fest: "Die drei berühmtesten Ärzte der ganzen Insel haben mich untersucht; der eine beschnupperte, was ich ausspuckte, der zweite klopfte dort, von wo ich spuckte, der dritte befühlte und horchte, wie ich spuckte. Der eine sagte, ich sei bereits krepiert, der zweite meinte, dass ich dabei sei, zu krepieren, der dritte, dass ich auf jeden Fall krepieren werde."

Nach genau 99 Tagen verließ er die Insel wieder, wenig später zerbrach seine Beziehung mit George Sand. Vor allem aber wurde er nie mehr gesund.

Der polnische Spezialist Wojciech Cichy meint, alle Symptome sprächen eindeutig dafür, dass der Komponist unter Mukoviszidose gelitten habe. Denn schon als Kind, nicht erst seit Mallorca, habe er ständig gehüstelt. Zudem mache diese Krankheit zeugungsunfähig, und in der Tat ist nichts von Kindern Chopins bekannt.

Cichy erklärt, warum er die umstrittene Untersuchung unbedingt durchführen möchte: "Wenn wir beweisen können, dass Chopin an Mukoviszidose litt, wäre das eine große Inspiration für unsere Kranken, vor allem für Kinder." Sie würden dann wissen, dass man trotz der Krankheit "Großes schaffen" könne.

Dagegen aber stellen sich die Hüter des Reliquienschreins. Der Pfarrer der Heiligkreuzkirche sieht die Totenruhe gestört - wogegen die Befürworter der Untersuchung einwenden, dass schon die Entnahme des Herzens nichts anderes gewesen sei. Zuständig ist das Kulturministerium. Das möchte erst einmal Experten befragen und vor allem die öffentliche Diskussion abwarten. Denn Chopin ist ja mehr als ein Komponist, er ist einer der Nationalhelden. Also sagt der Sprecher des Ministeriums nur dazu: "Eine angemessene Entscheidung braucht Zeit."

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