Frankreich:500 Tote durch Diabetes-Mittel

Frankreichs Gesundheitsminister Bertrand ruft alle Patienten, die das Diabetes-Mittel Mediator genommen haben, auf, sich bei ihrem Hausarzt zu melden. Das Medikament ist inzwischen verboten.

Die Diabetes-Pille Mediator könnte in Frankreich den Tod von mehr als 500 Patienten in gut drei Jahrzehnten verursacht haben. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die französische Aufsichtsbehörde für die Sicherheit von Medikamenten vorgestellt hat.

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Frankreichs neuer Gesundheitsminister Xavier Bertrand (R) warnt auf einer Pressekonferenz vor dem Diabetes-Mittel Mediator. Möglicherweise hat das Medikament 500 Menschen das Leben gekostet.

(Foto: AFP)

3500 Patienten, die das Diabetes-Medikament Mediator (benfluorex) eingenommen hätten, sollen der Untersuchung zufolge im Krankenhaus behandelt worden seien.

Der neue Gesundheitsminister Xavier Bertrand rief Patienten auf, die das Medikament länger als drei Monate genommen hatten, sich bei ihrem Hausarzt zu melden. Mediator ist seit vergangenem November in Frankreich verboten.

Das Mittel war in mehreren europäischen Ländern jahrelang zugelassen, bis die Aufsichtsbehörden den Stoff wegen schwerer Nebenwirkungen verboten. Das auch als Appetitzügler bekannte Medikament wurde bei übergewichtigen Patienten unterstützend zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt. Vor allem für eine Verdickung der Herzklappen als Nebenwirkung wird das Medikament verantwortlich gemacht.

In Frankreich, wo der Stoff von der Firma Servier von 1975 bis November 2009 vertrieben wurde, nahmen insgesamt rund fünf Millionen Patienten das Präparat ein. In Italien und Spanien wurde die Zulassung von benfluorex im Jahr 2005 widerrufen, in Zypern und in Portugal erst nach dem Verbot in Frankreich 2009.

Das Mittel ähnelt in seiner Zusammensetzung einem anderen Medikament, das Servier bereits 1997 vom Markt nehmen musste. In Deutschland war Mediator nicht auf dem Markt.

Die Ärztin Irène Frachon, die sich seit Jahren für Opfer des Arzneimittels einsetzt, zeigte sich erleichtert, dass nun offiziell dieses "Katastrophe" im Gesundheitswesen anerkannt werde. Sie prangerte aber ein auffälliges "Schweigen" der Behörden über Jahrzehnte hinweg an.

Der Abgeordnete Gérard Bapt von der oppositionellen Sozialistischen Partei spricht von einem Skandal im Gesundheitswesen. Es sei nicht zu verstehen, warum Frankreich das Medikament nicht wie andere Länder auch schon früher verboten habe. "Hat man vielleicht die Interessen des französischen Labors Servier schützen wollen?", fragte er in der Zeitung Le Parisien.

Das Labor Servier, nach dem Konzern Sanofi-Aventis das zweitgrößte Pharmaunternehmen in Frankreich, wies die Vorwürfe zurück. "Es handelt sich um Schlussfolgerungen aus Hypothesen", betonte das Unternehmen. Ältere Menschen und Diabetiker hätten generell ein erhöhtes Risiko für Herzklappenfehler, erklärte die Firma. Die Feststellung eines Herzklappenproblems bei einem Diabetiker lasse sich daher nicht auf einen bestimmten Medikamentengebrauch zurückführen.

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