Frage der Woche:Wissen wir, was wir wirklich wollen?

Sie mögen Hillary Clinton lieber als Barack Obama? Sicher? Psychologen haben einen Test entwickelt, der unsere wahren Vorlieben ans Licht bringt.

Markus C. Schulte von Drach

Wir unterscheiden gern zwischen Kopfmenschen und Bauchmenschen: Der eine setzt mehr auf rationale Erwägungen, der andere entscheidet eher nach Gefühl. Denn was man mag, das mag man. Doch können wir uns unserer Gefühle tatsächlich sicher sein?

Frage der Woche: Der Implicit-Association-Test auf der Seite der Harvard University.

Der Implicit-Association-Test auf der Seite der Harvard University.

(Foto: Foto: screenshot)

Die Erkenntnisse einiger US-Psychologen deuten darauf hin, dass wir uns bei dieser Frage regelmäßig täuschen. Das belegt zum Beispiel ein Test zum US-Präsidentschaftswahlkampf, den Wissenschaftler mehrerer amerikanischer Universitäten ins Internet gestellt haben.

Mit dem Test kann jeder überprüfen, welche unbewusste Einstellung er oder sie gegenüber den Kandidaten tatsächlich hat - und ob diese mit dem bewusst wahrgenommenen Eindruck übereinstimmt.

Sind Sie zum Beispiel überzeugt, dass Hillary Clinton ein kalter Machtmensch ist? Wird Ihnen beim Gedanken an Barack Obama warm ums Herz und ist Ihnen John McCain sympathischer als die ehemalige First Lady?

Vielleicht fühlen Sie wirklich so.

Vielleicht aber auch nicht. Wie Tony Greenwald von der Universiy of Washington in Seattle und seine Kollegen festgestellt haben, wird zum Beispiel Hillary Clinton im sogenannten Implicit-Association-Test (IAT) häufig deutlich positiver bewertet, als die Testpersonen es selbst zuvor angegeben hatten.

Für den Test müssen die Teilnehmer ihre Gefühle gegenüber den vier Kandidaten für die Präsidentschaftswahl in den USA - darunter auch noch der inzwischen aus dem Rennen ausgestiegene Mike Huckabee - auf einer Skala von 0 (sehr kalt) bis 10 (sehr warm) angeben.

Anschließend wird die Geschwindigkeit getestet, mit der man auf positiv und negativ besetzte Begriffe und auf Bilder der Kandidaten reagiert.

Das Ergebnis kann tatsächlich ziemlich überraschen. So hätte der Autor dieses Texts nicht erwartet, dass seine Gefühle für John McCain genauso positiv sind wie für Hillary Clinton. Das schlechte Abschneiden von Mike Huckabee und die Spitzenposition Barack Obamas dagegen entsprachen seinen Erwartungen.

Von der Forschung zur Aufklärung

Ursprünglich wurde der IAT von den Forschern entwickelt, um jene Teile des Denkens und Fühlens zu untersuchen, die uns nicht bewusst sind. Inzwischen allerdings bieten die Wissenschaftler der Öffentlichkeit eine ganze Reihe von Tests zu verschiedenen Themen im Internet an.

Auf diese Weise, so sagen sie, soll jeder die Möglichkeit haben, festzustellen, ob für ihn oder sie gilt, was Fjodor M. Dostojewski einmal geschrieben hat: "Es gibt Dinge, bei denen man es sich nicht einmal traut, sie sich selbst einzugestehen. Jeder normale Mensch hält eine Vielzahl solcher Dinge in seinem Kopf verborgen."

Überprüfen kann man mit Hilfe der Tests zum Beispiel die eigene unbewusste Haltung beziehungsweise Vorurteile gegenüber alten Menschen, Frauen, Schwarzen und Übergewichtigen. Selbst die Bevorzugung des eigenen Landes gegenüber den USA lässt sich checken.

Wenn Sie nun feststellen, dass Ihr Unterbewusstsein offensichtlich eine andere Haltung einnimmt als Ihr Bewusstsein, dann denken Sie daran: Sie sind nicht allein. Die Mehrheit der Amerikaner etwa bevorzugt den Studien der Forscher zufolge junge Menschen, schlanke Mitbürger und jene mit weißer Hautfarbe - selbst wenn viele von ihnen überzeugt davon sind, eigentlich keine Vorurteile gegenüber älteren Menschen, Menschen mit dunkler Hautfarbe oder Übergewicht zu haben.

Kalter Kaffee - kühle Einschätzung

Und wenn Sie jetzt darüber erschrocken sind, wie sehr Ihre unbewussten Vorlieben und bewussten Einschätzungen auseinanderklaffen: Es kommt noch viel schlimmer. Zumindest kurzfristig werden unsere Reaktionen auf unsere Mitbürger von Faktoren beeinflusst, an die Sie bestimmt nicht denken.

Ein eindrucksvolles Beispiel haben dafür vergangenes Jahr die Psychologen John Bargh und Lawrence Williams von der Yale University in New Haven, Connecticut, geliefert. Deren Studenten sollten für eine Studie den Charakter einer hypothetischen Person einschätzen, über die sie etwas gelesen hatten.

Was die Versuchsteilnehmer nicht wussten: Der wissenschaftliche Assistent, dem sie unterwegs zum Labor begegnet waren, war bereits Teil des Experiments gewesen. Überladen mit Büchern, Papieren und einem Klemmbrett hatte dieser sie im Fahrstuhl gebeten, sein Getränk zu halten. Der einen Hälfte der Studenten überreichte er einen heißen Kaffee, die andere Hälfte erhielt einen Eiskaffee.

Je nachdem, ob die Versuchsteilnehmer nun ein heißes oder kaltes Getränk in ihren Händen gehalten hatten, fiel in dem Test danach die Beurteilung der fiktiven Person aus. Hatten sie einen Eiskaffee getragen, erschien die Figur ihnen kälter, weniger sozial und egoistischer als ihren Mitstudenten, denen der Assistent ein heißes Getränk gereicht hatte.

Demnach hängt die Einschätzung unserer Mitbürger nur zum Teil davon ab, was wir über sie tatsächlich wissen. Den Rest basteln wir uns offenbar unbewusst aus lang- und kurzfristigen Erfahrungen und unseren Befindlichkeiten zusammen.

Doch es gibt Wissenschaftler, die davor warnen, die Bedeutung dieser Tests zu überschätzen. So erklärte etwa Roy Baumeister von der Florida State University in Tallahassee der New York Times: "Das ist so, als würde man zeigen, dass man ein Auto ohne Schlüssel kurzschließen kann. Das zu wissen, ist wichtig und nützlich, aber es beweist nicht, dass Schlüssel nicht existieren oder nutzlos sind."

Das bedeutet: Trotz der Präferenz, die die meisten US-Bürger für Weiße haben, kann immer noch ein schwarzer Kandidat der nächste US-Präsident werden.

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