Frage der Woche:Wie wiegt man eine lebende Zelle?

Moleküle, Nanopartikel oder Zellen lassen sich nicht auf eine Waage legen. Trotzdem gelingt es Wissenschaftlern inzwischen, selbst lebende Bakterien zu wiegen.

Markus C. Schulte von Drach

Wie wiegt man eine einzelne Zelle? Noch dazu eine lebende Zelle? Und warum überhaupt?

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(Foto: Grafik: Tom Burg)

Auf die Waage legen kann man so eine Zelle natürlich nicht. Wissenschaftler haben deshalb bislang auf verschiedene Tricks zurückgegriffen, um Informationen über Form und Größe so kleiner Körper oder Teilchen zu gewinnen. Dabei geht es allerdings nicht um Körperzellen, die sich in einem Zellverband befinden, sondern zum Beispiel um Krankheitserreger.

Eine Methode, die Masse winziger Objekte zu bestimmen, ist, sie auf eine Plattform aus Silizium zu legen. Diese Plattform, ein sogenannter Resonator, wird in Vibration versetzt. Die zu wiegenden Körper beeinflussen die Frequenz der Vibrationen - und die unterschiedlichen Veränderungen geben Aufschluss über ihre Massen.

Das Problem ist, dass diese Messungen im Vakuum stattfinden müssen, da Luft die Oszillation beeinflusst und damit auch die Frequenz. Das funktioniert für totes Material - nicht aber für lebende Zellen. Die sterben im Vakuum ab.

Eine andere Methode, um Informationen über die Größe von lebenden Zellen oder Molekülen zu erhalten, ist der Durchflusszytometer, mit dem zum Beispiel Blut- oder Knochenmarkszellen gezählt und untersucht werden.

Bei diesen Geräten wird eine Flüssigkeit, die die Zielobjekte enthält, durch eine schmale Flusszelle gejagt, wo sie einzeln mit einem Laser angestrahlt werden. Und je nach dem wie stark und in welche Richtung das Licht von den Objekten gestreut wird, erhält man Aufschluss über ihre Größe oder etwa den Inhalt einer Zelle. Angewandt wird die Methode etwa, um Blut- oder Knochenmarkszellen zu untersuchen.

Zur Illustration: So versuchen die MIT-Forscher ihre Erfindung zu veranschaulichen: Ein Kanal, in dessen Flüssigkeit eine Bakterie schwimmt, wird im Vakuum in Schwingungen versetzt. Natürlich benutzen die Forscher dazu keine Gitarre.

Doch so hilfreich ein Durchflusszytomoter ist - die Flüssigkeit, in der sich die Untersuchungsobjekte befinden, verfälschen die Messungen.

Kanal im Vakuum

Kürzlich haben Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) nun einen Weg vorgestellt, mit der sich sogar die Masse lebender Bakterien mit einer bislang unerreichten Genauigkeit bestimmen lässt. Sie haben einfach beide bisher verwendeten Methoden kombiniert.

Der Trick der Forscher: Sie setzen eine Art Mikrohebel aus Silizium ein, der an einer Seite befestigt ist, während die andere Seite frei schwingen kann. In den Hebel ätzen sie einen Kanal, durch den eine Flüssigkeit mit lebenden Zellen oder andere winzige Partikel strömt.

Der Hebel selbst befindet sich im Vakuum, so dass seine Schwingung nicht von Luft beeinträchtigt wird. Je nachem, welches Gewicht eine Zelle, Molekül oder Nanopartikel hat, ändert sich die Schwingungsfrequenz des Mikrohebels.

Gemessen wird die Frequenz mit Hilfe eines Lasers. Und mit einer Messgenauigkeit von etwa 30 Millihertz ist es möglich, Veränderungen der Masse von unter einem Femtogramm (zehn hoch minus 15 Gramm) festzustellen. Die Flüssigkeit in dem Kanal beeinträchtigte die Messungen nach Angaben der Wissenschaftler nicht.

Den Forschern ist es bereits gelungen, einzelne, lebendige Bakterien zu messen. Demnach bringen Zellen der Art Escherichia coli etwa 110 Femtogramm "auf die Waage", Bacillus subtilis wiegt etwa 150 Femtogramm. Außerdem bestimmten sie die Masse einiger Antikörper, Proteine und Nanopartikel (Nature, Bd. 446, S.1066, 2007).

Von ihrer Methode erhoffen sich die Wissenschaftler einen ganz konkreten Nutzen in der Medizin. Weiterentwickelt könnte die Technik zum Beispiel für Entwicklungsländer, die sich teure Durchflusszytometer nicht leisten können, eine billige Lösung sein, die Belastung von Patienten mit HI-Viren zu bestimmen.

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