Ursachen des Unheimlichen:Warum sehen wir Gespenster?

Poltergeister und Untote faszinieren uns ungeheuer. Aber was steckt eigentlich hinter den Erscheinungen, die wir fürchten, selbst wenn wir nicht an sie glauben?

Markus C. Schulte von Drach

Gespenster sind - trotz einer in der Regel eher aufgelösten Erscheinung - feste Bestandteile der Kultur. Sie tauchen in der Literatur auf, von Dickens' "Weihnachtsmärchen" bis hin zu Otfried Preußlers "Kleinem Gespenst", Hui Buh und den "Gespenster Geschichten", immerhin eine der erfolgreichsten Comic-Serien in Deutschland überhaupt. Als Dämonen oder Untote spielen sie die Hauptrolle in Filmklassikern wie "Poltergeist" oder "The Fog".

Ursachen des Unheimlichen: Wer sind "die Anderen"? Ausschnitt aus dem Film "The Others" mit Nicole Kidman.

Wer sind "die Anderen"? Ausschnitt aus dem Film "The Others" mit Nicole Kidman.

(Foto: Foto: AP/Miramax)

Die Bedeutung, die wir Gespenstern beimessen, ist groß - obwohl die wenigsten unter uns zugeben würden, wirklich schon eines gesehen zu haben. Doch immerhin jeder Dritte glaubt, dass es welche gibt, sagt Richard Wiseman von der britischen University of Hertfordshire. Und jeder Zehnte meint sogar, er hätte tatsächlich schon eines gesehen.

Auch der größte Skeptiker wird zugeben, dass sich bei einem plötzlichen Geräusch des Nachts auf einem Friedhof die Nackenhaare eher sträuben als um dieselbe Uhrzeit in einem städtischen Park. Warum eigentlich? Warum beschleicht uns manchmal das Gefühl, beobachtet zu werden, und wer verursacht diese huschende Bewegung, die man immer nur aus dem Augenwinkel bemerkt?

Wenn man nicht daran glauben möchte, dass es Gespenster wirklich gibt, kann man immerhin nach alternativen Erklärungen für das Gefühl suchen, dass wir von Wesen aus einer anderen Dimension besucht werden. Und das wird seit langer Zeit getan.

Spuk-Studien

So gibt es zum Beispiel Versuche, den Vorgängen an bekannten Spuk-Orten auf den Grund zu gehen. Eine solche Studie fand vor einigen Jahren im englischen Schloss Hampton Court statt, wo eine der Frauen von König Heinrich VIII. eingekerkert und 1542 hingerichtet worden war. Eine andere Studie ging den Vorgängen in den berüchtigten Gewölben unterhalb der Straßen der schottischen Hauptstadt Edinburgh nach.

In beiden Fällen schickten Forscher um Richard Wiseman etliche Versuchspersonen in die Räume. Während die einen tatsächlich das Gefühl hatten, dort sei etwas Unerklärliches präsent, spürten die anderen ... nichts.

Und wie Wiseman feststellte, unterschieden sich die beiden Gruppen. Gerade jene, deren Vorstellungsvermögen gut ausgeprägt war, erlebten auch eher einen Spuk. Sie stellen sich offenbar stärker darauf ein, dass etwas passieren könnte, und reagieren dann auf Sinneseindrücke wie Temperaturwechsel oder Luftzüge, wie sie in den alten Gemäuern immer wieder auftreten, sensibler. Bei ihnen kann es sogar zu echten Sinnestäuschungen kommen, wie etwa dem Gefühl, berührt worden zu sein.

Um der Sache noch tiefer auf den Grund zu gehen, nutzte Jim Houran von der Southern Illinois School of Medicine ein altes Kino, das eigentlich nicht dafür bekannt war, Gespenster zu beherbergen. Houran bat seine Versuchsteilnehmer darum, in dem Gebäude genau darauf zu achten, wie sie sich fühlten. Allerdings hatte er der einen Hälfte der Probanden zuvor erklärt, es würde in dem Haus angeblich spuken, während die andere Hälfte dachte, es solle nur renoviert werden.

Tatsächlich machten jene, die das Kino für ein Spukhaus hielten, deutlich mehr außergewöhnliche Erfahrungen.

Eine gute Vorstellungskraft, zusammen mit Gerüchten um unerklärliche Ereignisse helfen demnach, Gespenstern tatsächlich zu begegnen.

Physikalische Erklärungen

Doch das ist nicht alles. Darüber hinaus scheinen manche übersinnlichen Begegnungen ganz und gar physikalische Erklärungen zu haben. Dann nämlich, wenn unser Gehirn die Informationen aus unserer Umwelt nicht richtig wahrnimmt oder falsch interpretiert. Bekanntlich können manche Krankheiten oder Drogen Halluzinationen auslösen. Doch auch bei vollständig gesunden Menschen verursachen physikalische Reize wie etwa Infraschall offenbar einem Spuk ähnliche Erlebnisse.

Diese niederfrequenten Schallwellen können zum Beispiel von Ventilatoren, dem Wind oder dem Straßenverkehr ausgelöst werden, aber auch von Atombombenexplosionen, Raketenstarts und Erdbeben. Und obwohl sie für das menschliche Ohr fast unhörbar sind, können sie manche Gegenstände leicht vibrieren lassen - und sie machen sich auch im menschlichen Körper bemerkbar. Dann spüren wir etwas, ohne zu wissen, was los ist.

Mit Hilfe eines Infraschallgenerators konnten Wissenschaftler bereits zeigen, dass diese Erfahrung ähnliche Gefühle hervorrufen kann wie Spukerlebnisse. So setzten Richard Wiseman und einige seiner Kollegen ein solches Gerät während eines Klavierkonzertes auf eine Weise ein, dass die Zuhörer von den Schallwellen erfasst wurden, ohne es zu wissen.

Als Kontrollgruppe diente ein Publikum bei einer zweiten Veranstaltung im selben Konzertsaal unter identischen Bedingungen - bis darauf, dass das Infraschallgerät diesmal schwieg.

Tatsächlich berichteten etliche Besucher des ersten Konzerts von äußerst seltsamen Gefühlen. Natürlich lassen sich mit Hilfe der Experimente, von denen hier nur eine Auswahl vorgestellt wurde, nicht alle Spukerscheinungen erklären. Die Beobachtungen der Forscher legen jedoch den Verdacht nahe, dass auch bislang noch rätselhafte Vorgänge von natürlichen Ursachen ausgelöst werden, die man eben noch nicht kennt.

Wenn wir Gespenster sehen, dann passiert demnach häufig tatsächlich etwas Mysteriöses. Als Beweis dafür, dass es Gespenster wirklich gibt, taugt das Gefühl, einem Gespenst zu begegnen, aber offensichtlich nicht.

Wer sich für die naturwissenschaftliche Untersuchung von Geistererscheinungen, der Kraft von Glücks- und Unglückszahlen, der Auswirkung von Vornamen und anderer seltsamer Aspekte unseres Alltags interessiert, dem sei Richard Wisemans wunderbar leicht lesbares Buch "Quirkologie" empfohlen. Denn nichts ist so verrückt, dass man nicht wenigstens nach einer Erklärung suchen kann.

Richard Wiseman Quirkologie Die wissenschaftliche Erforschung unseres Alltags. Fischer Taschenbücher Allgemeine Reihe ISBN 978-3-596-17483-6 8,95 Euro

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