Frage der Woche:Lässt sich der Tod verschieben?

"Der Tod ist sicher, die Stunde ist ungewiss", heißt es. Aber lässt sich das Ende nicht doch wenigstens ein bisschen aufschieben?

Natürlich trifft es für die meisten von uns zu, dass wir nicht vorhersagen können, wann es zu Ende geht. Schließlich sind die möglichen Todesursachen vielfältig. Unser Leben kann überraschend unter den Rädern eines Lastwagens enden, Infektionen oder Tumoren beschneiden die Zahl unserer Tage, von Mord, Totschlag und Krieg ganz abgesehen.

Frage der Woche: Irgendwann ist für jeden die Uhr abgelaufen. Doch manche von uns können den Todeszeitpunkt offenbar beeinflussen. Zumindest ein wenig.

Irgendwann ist für jeden die Uhr abgelaufen. Doch manche von uns können den Todeszeitpunkt offenbar beeinflussen. Zumindest ein wenig.

(Foto: Foto: iStock)

Doch sollten wir von solchen Katastrophen verschont bleiben, und sollte sich unser Leben im hohen Alter einem natürlichen Ende nähern - können wir den Todeszeitpunkt dann vielleicht doch beeinflussen?

Vielleicht nicht vorsätzlich. Aber zumindest unbewusst scheinen manche von uns dazu in der Lage zu ein. Darauf deuten jedenfalls Untersuchungen von David Phillips von der University of California in San Diego hin. Seit Jahrzehnten untersucht der Soziologe den Tod und seine Ursachen. Und er hat dabei eine Reihe interessanter Beobachtungen gemacht.

So analysierte er drei Millionen Totenscheine aus Kalifornien. Und wie sich herausstellte, schieden mehr Frauen in der Woche nach ihrem Geburtstag aus dem Leben als es dem Zufall entsprochen hätte. Männer dagegen starben besonders häufig in der Woche vor ihrem Geburtstag.

Warum dies so war, darüber lässt sich nur spekulieren. Phillips aber vermutet, dies könnte damit zusammenhängen, dass Frauen Wert darauf legen, vor dem Ende noch einmal im Kreise der Lieben zu feiern. Alte Männer tendieren seiner Einschätzung nach angesichts des bevorstehenden Jahrestages dazu, Bilanz zu ziehen - und wem dabei einmal mehr klar wird, wie wenig Träume in Erfüllung gegangen sind und wie wenig Ziele erreicht wurden, der stirbt frustriert. Spekulationen, wie gesagt. Doch dafür, dass an dem Phänomen etwas dran ist, sprechen weitere Studien.

Schließlich fand Phillips weitere Hinweise, dass manche von uns im Alter bestrebt sind, wichtige Tage noch zu erleben - oder zu vermeiden. Zum Beispiel in Untersuchungen zum Todeszeitpunkt im Zusammenhang mit Feiertagen. So starben etwa gleich drei der 42 bisherigen US-Präsidenten am Unabhängigkeitstag, dem 4. Juli.

Hatten sie vielleicht solange durchgehalten, bis ihnen ein schöner Todestag sicher war? Immerhin hatten mit John Adams und Thomas Jefferson gleich zwei von ihnen die Unabhängigkeitserklärung selbst unterschrieben, und beide starben am 4. Juli 1826, dem 50. Jahrestag.

Tod nach dem Feiertag

In einer anderen Studie stellte Phillips fest, dass unter Kaliforniern mit jüdischen Namen die Sterbehäufigkeit vor dem Passahfest um 31 Prozent abnahm und nach den Feierlichkeiten um etwa den gleichen Prozentsatz stieg. Ähnliche Daten ergab eine Untersuchung der Todesrate von Personen mit chinesischen Vorfahren und dem traditionellen chinesischen Mittherbstfest (Mondfest). Und offenbar sind viele Amerikaner so bestrebt, bevorstehende Präsidentschaftswahlen noch zu erleben, dass die Todesrate vor einem solchen Ereignis sinkt.

Die Beobachtung, dass viele ältere Menschen Feiertage wie Weihnachten und Silvester noch erleben und dann sterben, lässt sich allerdings auch anders erklären als damit, dass sie diese Tage noch einmal erleben wollten. Phillips selbst hält es für möglich, dass die häufig kranken Alten gerade während der Urlaubszeiten von Angehörigen und dem Personal von Krankenhäusern und Altenheimen vernachlässigt werden. Auch könnte es sein, dass die Rückkehr in den häufig trostlosen Alltag die Betroffenen besonders stark belastet.

Die Studien von David Phillips sind nicht unumstritten. Andererseits gibt es eine Reihe anderer Untersuchungen, die einen möglichen Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und der Sterbewahrscheinlichkeit belegen.

So steigt die Sterbehäufigkeit unter älteren Männern in den ersten sechs Monaten nach dem Tod der Partnerin stark an - wobei als häufigste Todesursache Herzversagen angegeben wird.

Demnach scheinen also Trauer, Verzweiflung und Selbstaufgabe das Sterberisiko zu erhöhen. Dann ist der Gedanke auch nicht abwegig, der Wunsch, bestimmte Termine noch zu erleben, könnte helfen, Reserven zu mobilisieren, um das bevorstehende Ende hinauszuschieben.

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