Frage der Woche:Ist Wein wirklich gesund?

Ein oder zwei Gläschen Wein am Tag fördern angeblich die Gesundheit. Aber darf es vielleicht auch Traubensaft sein?

Markus C. Schulte von Drach

Alkohol gilt als ungesund. Doch immer wieder hört man, dass insbesondere mäßiger Rotweinkonsum gesund sein soll. Das wusste angeblich bereits der antike griechische Arzt Hippokrates, der das Getränk manchen Patienten als Medikament empfahl.

Frage der Woche: Ist Wein gesund?

Ist Wein gesund?

(Foto: Foto: ddp)

Tatsächlich gibt es eine Reihe von Studien, die darauf hindeuten, dass gemäßigter regelmäßiger Konsum - also ein bis zwei Gläser Rotwein am Tag - Arteriosklerose (Arterienverkalkung) vorbeugen könnte. Damit würde der Wein vor Herzkreislaufkrankheiten und Herzinfarkt schützen. Und selbst das Krebsrisiko kann der vergorene Rebensaft angeblich verringern. Darüber hinaus soll Rotwein das Immunsystem schützen. Und angeblich beugt das Getränk sogar Alzheimer vor.

Dies alles schließen Wissenschaftler zum einen aus Tierversuchen. Zum anderen weisen sie gern auf das sogenannte französische Paradoxon hin: Obwohl die Menschen in einigen Regionen Frankreichs fetthaltige Nahrung zu sich nehmen und auch auf Zigaretten nicht verzichten, ist die Sterblichkeit an Herz-Kreislaufkrankheiten dort relativ gering.

Das Besondere: Die Bewohner dieser Gegenden gönnen sich regelmäßig Rotwein zum Essen. Demnach hebt das alkoholische Getränk die nachteiligen Wirkungen der ungesunden Lebensweise zumindest teilweise auf.

Bei den positiv wirkenden Bestandteilen handelt es sich zum einen um sogenannte Polyphenole, die als Anti-Oxidantien freie Radikale unschädlich machen, welche die Körperzellen schädigen. Insbesondere Procyanidin verhindert offenbar die Verhärtung der Arterien.

Dazu kommt Resveratrol, das zumindest im Mäuseversuch "das Herz jung" gehalten hat, wie Forscher der University von Wisconsin-Madison und der University of Florida in Gainesville vergangenes Jahr berichteten. Resveratrol bremst angeblich auch die Entwicklung einer Fettleber, erhöht den Spiegel des "guten" HDL-Cholesterins, hemmt die Viren-Vermehrung und bremst die Entwicklung von Krebs.

Es fehlen klinische Studien

Allerdings ist noch keiner dieser Effekte in klinischen Studien nachgewiesen worden. Und in mindestens einer Reagenzglas-Studie scheint der Stoff das Wachstum von Brustkrebszellen sogar stimuliert zu haben. Auch bezweifeln manche Forscher, dass die Polyphenole im Körper große Wirksamkeit entfalten können, bevor sie abgebaut werden.

Zudem wirken nicht alle Rotweine gleich positiv. Besonders effektiv scheinen dunkle Rotweine zu sein, insbesondere solche aus der Rebsorte Tannat, die in kleinen Anbaugebieten in Südwestfrankreich und auf Sardinien auf traditionelle Weise verarbeitet wird. Traditionell bedeutet hier ein mehrwöchiges Keltern im Unterschied zur modernen einwöchigen Gärung.

Einiges spricht demnach dafür, dass der mäßige Konsum von Rotwein möglicherweise gesundheitsfördernd ist. Aber: Eine klinische Studie, die dies belegt, steht noch aus. Und auch, welche Mengen notwendig sind, ist deshalb unklar.

Und muss es überhaupt Rotwein sein, um der Gesundheit etwas Gutes zu tun? Was ist mit Weißwein? Der wird aus dem Saft der Weintrauben gewonnen, und nicht, wie Rotwein, aus der ganzen Traube inklusive Schale. Deshalb enthält Weißwein die gesundheitsfördernden Substanzen nur in geringen Mengen. Die sitzen nämlich in der Traubenhülle und den Kernen.

Beide Weinsorten aber enthalten Alkohol - und der ist bekanntlich ungesund. Mit einer Weinempfehlung tun sich Gesundheitsfachleute deshalb schwer.

Resveratrol und Procyanidin sind natürlich auch in rotem Traubensaft enthalten - wenn auch in erheblich geringeren Mengen als im Rotwein. Himbeeren, Maulbeeren, Erdnüsse und andere Pflanzen enthalten ebenfalls Resveratrol. Doch auch hier ist völlig unklar, welche Mengen man konsumieren müsste, um positive Effekte zu erhalten.

Wer es sich also leisten kann und will, darf sich vermutlich guten Gewissens täglich ein bis zwei Gläser dunklen Rotwein gönnen - und tut damit seiner Gesundheit vielleicht sogar tatsächlich etwas Gutes. Und wer keinen Wert auf Alkohol legt, greift zum Traubensaft.

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