Fossil Ida:"Eine Art Ur-Ur-Großtante"

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Warum gerade "Ida" weltberühmt wurde und inwiefern das Fossil dem Menschen ähnelt, erklärt Paläobiologe Jörg Habersetzer.

Axel Bojanowski

SZ: War Ihnen auf den ersten Blick klar, dass die Versteinerung aus der Grube Messel eine Sensation ist?

Großes Medieninteresse an "Ida": Pressevertreter werfen bei der Präsentation des Fossils Schatten auf die Leinwand. (Foto: Foto: AFP)

Habersetzer: Mein erster Eindruck war: Das Tier stellt alle bisherigen Funde in den Schatten.

SZ: Das Fossil wurde angeblich bereits 1983 von Privatleuten in Messel entdeckt. Seit wann wissen Sie davon?

Habersetzer: 15 Jahre lang geisterte unter Paläontologen das Gerücht herum, dass es irgendwo "noch einen Affen" gäbe. Vor ein paar Jahren erzählte uns ein Fotograf, er hätte das Fossil bei einem Sammler in der Nähe von Frankfurt gesehen. Schließlich entdeckte mein Kollege Jørn Hurum aus Oslo auf einer Fossilien-Börse in Hamburg ein Foto der Versteinerung. Er konnte die norwegischen Reichsmuseen als Finanziers gewinnen; 2007 kauften die Museen das Stück.

SZ: Eine Million Euro soll dafür bezahlt worden sein.

Habersetzer: Das kann ich nicht bestätigen, aber einige 100000Euro muss man für so einen Fund schon hinlegen.

SZ: In welchem Verwandtschaftsverhältnis stehen wir Menschen zu Ida?

Habersetzer: Das Tier ist nicht unser direkter Vorfahre, sondern eine Art Ur-Ur-Urgroßtante. Es gehört zu den Adapoiden, einer ausgestorbenen Primaten-Gruppe. Ida ist ein Trockennasen-Affe, sie steht uns also näher als etwa Lemuren, die nasse Nasen haben.

SZ: Es gibt andere Primatenfunde ähnlichen Alters. Warum wurde ausgerechnet Ida weltberühmt?

Habersetzer: Ida ist mit Abstand das am besten erhaltene Fossil. Wir kennen sonst nur einzelne Körperteile von Fossilien dieses Alters. Bei Ida sind sogar Fell und Mageninhalt erhalten. Ihre letzte Mahlzeit waren Blätter und Früchte. Sogar die Zähne konnten wir komplett sichtbar machen. Dafür haben wir Röntgen-Technologie weiterentwickelt: Mit einem Computer-Tomographen konnten wir Idas Zähne dreidimensional darstellen, ohne das Fossil zu beschädigen.

SZ: Welche Merkmale Idas sind menschenähnlich?

Habersetzer: Keine Merkmale entsprechen exakt denen des Menschen. Aber es finden sich zum Beispiel im Gebiss schon moderne Merkmale: Die Schneidezähne stehen senkrecht, bei Lemuren ragen sie kammartig nach vorne. Auch die vorderen Backenzähne sind bereits in Zahl und Größe reduziert.

SZ: Kritiker werfen Ihrer Forschungsgruppe vor, die Untersuchung übereilt zu haben, um pünktlich für eine Fernsehsendung fertig zu sein.

Habersetzer: Man sollte Verständnis haben, dass sich Jørn Hurum verpflichtet fühlte, einen Teil der Kosten mit Fernsehrechten wieder einzuspielen.

SZ: Geld bestimmt, wann Forschungsergebnisse veröffentlicht werden?

Habersetzer: Unsere Studie wurde ganz normal von Wissenschaftlern begutachtet und in einem renommierten Fachjournal publiziert.

© SZ vom 22.05.2009/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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