Forschungspolitik:Angriff auf die Freiheit des Denkens

TU München, Jubiläum 150 Jahre âē culture of excellence

Nicht in allen Ländern können Forscher frei arbeiten.

(Foto: Florian Peljak)

In 35 Ländern werden Wissenschaftler drangsaliert, angegriffen und sogar ermordet. Die Öffentlichkeit nimmt davon kaum Notiz.

Kommentar von Christian Weber

Wie schön, wenn sich ein Wissenschaftler nur darum sorgen muss, ob er seinen Förderantrag durch die Gremien bringt oder sein Paper ordentlich publiziert bekommt - in manchen Ländern müssen sie um ihr Leben fürchten. So zum Beispiel der iranisch-schwedische Katastrophenmediziner Ahmadreza Djalali, auf dessen Schicksal diese Woche noch mal der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Horst Hippler, aufmerksam gemacht hat. Bis vor zwei Jahren hatte Djalali am Karolinska-Institut in Stockholm geforscht, dann wurde er auf einer Konferenz in Teheran verhaftet, vermutlich gefoltert und im Oktober 2017 zum Tode verurteilt. Mittlerweile ist er zudem lebensbedrohlich erkrankt. In dem laut Beobachtern grob unfairen Verfahren wurde ihm Spionage vorgeworfen. Seine Kollegen vermuten, dass ihm rein wissenschaftliche Kontakte zu Israel zum Verhängnis wurden.

Was immer sich genau abgespielt hat, der Fall Djalali ist nur ein Beispiel dafür, dass nicht nur Journalisten, Künstler und Dissidenten rund um den Globus unter Druck geraten. 257 Vorfälle mit Wissenschaftlern in 35 Ländern binnen eines Jahres dokumentiert der letzte, im August 2017 erschienene Report des internationalen Netzwerks "Scholars at Risk" (SAR), tätliche Angriffe bis hin zu Morden, unter anderem in Pakistan, Niger und Sierra Leone.

Weit verbreitet sind Festnahmen, Berufsverbote, Reisebeschränkungen, wie derzeit in der Türkei. Bestimmt gibt es auch Forscher und Studenten, die primär wegen politischer Aktivitäten angegriffen werden. Doch im Kern geht es um die Freiheit des Denkens, wie sie im akademischen Betrieb gepflegt werden sollte. Gute Wissenschaft verträgt sich meist nicht mit autoritären Regimes und religiösen oder sonstigen Fundamentalismen.

Vielleicht bringen Appelle wie der von Horst Hippler etwas, zumal Iran derzeit bemüht ist, wieder mehr in der internationalen Wissenschaft mitzumischen. Allein zwischen Iran und Deutschland laufen derzeit 70 Hochschulkooperationen. Hippler bemerkt zu Recht, dass solche Beziehungen nur auf der Grundlage der akademischen Freiheit und der Menschenrechte bestehen können. Verdienstvoll ist auch eine Initiative der Alexander von Humboldt-Stiftung, die gefährdeten Forschern ein zweijähriges Stipendium an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen gewährt. Doch darüberhinaus sollte die Öffentlichkeit in freiheitlichen Ländern ihr Bewusstsein für Bedrohungen der akademischen Freiheit schärfen, egal, ob sie von einem verhaltensoriginellen US-Präsidenten ausgehen oder von Studenten, die abweichende Meinungen auf dem Campus einfach nicht mehr ertragen können.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: