Forscherinnen-Porträts:"Wie im James-Bond-Film"

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Bettina Flitner hat Spitzenforscherinnen porträtiert. Dabei entdeckte die Fotografin erstaunliche Welten - und eine bemerkenswerte Freude am Experiment.

Barbara Galaktionow

Fotografin Bettina Flitner hat schon viele Menschen fotografiert. Manager, Obdachlose, zufällige Passanten, junge Rechtsextreme, berühmte Schriftstellerinnen und Politikerinnen holte sie sich vors Objektiv. Doch bei ihrem jüngsten Projekt wurde selbst sie überrascht.

Symbolisches Eintauchen in die Ursuppe: Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard in ihrem Seerosenteich. (Foto: Foto: Bettina Flitner)

"Die Lust am Experiment, die habe ich so noch nicht erlebt", sagt Flitner. Drei Monate lang reiste sie im vergangenen Jahr im Auftrag des Kölner Stiftung FrauenMediaTurm und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durch Deutschland und fotografierte renommierte Naturwissenschaftlerinnen.

Und ganz gleich, ob sie Neurowissenschaftlerin Angela Friederici in einem "Boot auf brackiges Wasser" schickte oder Astronomin Eva Grebel in der Heidelberger Sternwarte durch ein riesiges altmodisches Teleskop blicken ließ - bei allen Forscherinnen machte sie die Erfahrung, dass deren Erkundungsdrang sich nicht nur auf ihr jeweiliges Fachgebiet erstreckte, sondern Teil einer allgemeinen Offenheit war.

Den Anstoß zu der Serie von Wissenschaftlerinnen-Porträts bildete ein Foto, das fehlte: Als Christiane Nüsslein-Volhard 1995 den Nobelpreis für Medizin erhielt, gab es kein einziges professionelles Bild der Biologin, das für eine Veröffentlichung zur Verfügung stand - nicht bei Presseagenturen und nicht einmal am Tübinger Max-Planck-Institut, wo Nüsslein-Volhard doch zum damaligen Zeitpunkt bereits seit einem Jahrzehnt als Direktorin tätig war.

Das fehlende Foto mag nur eine Nebensächlichkeit sein, kann aber auch als Hinweis auf die Position von Frauen in der Forschung gedeutet werden. Denn obwohl Frauen zumindest auf unteren wissenschaftlichen Rängen auf dem Vormarsch sind, dominieren auf Führungsebene immer noch die Männer.

Nur 16 Prozent aller Professuren in Deutschland sind mit Frauen besetzt, bei den hochdotierten Stellen sind es sogar nur zwölf Prozent, wie eine aktuelle Erhebung des Bundesamts für Statistik zeigt. Und in der Naturwissenschaft fällt der Frauenanteil noch einmal niedriger aus. Gerade in diesem Bereich müssen Wissenschaftlerinnen sich also immer noch behaupten - was nicht jedermanns Sache ist.

Abtauchen in die Ursuppe

"Frauen nehmen sich selbst nicht so wichtig und werden vielleicht auch nicht so wichtig genommen", vermutet Flitner. Von Wissenschaftlerinnen gebe es jedenfalls selten gute Fotos. Und das wollte die Fotografin ändern. Nüsslein-Volhard porträtierte sie zunächst für eine Fotoserie über bedeutende Europäerinnen.

Diese Bilder wurden auch in die neue Reihe aufgenommen, in der 25 Spitzenforscherinnen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen, Lebenssituationen und Altersstufen porträtiert werden. Da gibt es Mathematikerinnen oder Physikerinnen, Neurologinnen, eine Exobiologin und eine Stammzellforscherin, bereits pensionierte Forscherinnen oder solche, die noch relativ am Anfang ihrer wissenschaftlichen Laufbahn stehen, Verheiratete und Unverheiratete, Frauen mit Kindern oder solche, die - wie Nüsslein-Volhard - zugunsten ihrer Karriere bewusst kinderlos blieben.

Die Nobelpreisträgerin Nüsslein-Volhard tauchte beim Fototermin übrigens unter anderem in die "Ursuppe" ihres heimischen Gartenteichs - und bewies so den offenbar Forscherinnen typischen Drang, ungewöhnliche Wege zu gehen. Der war vielfach auch notwendig - denn die bildliche Umsetzung naturwissenschaftlicher Arbeit in Verbindung mit der dahinterstehenden Persönlichkeit war oft eine Herausforderung, wie Flitner berichtet.

Frauen, die forschen
:Die Wissenschaft im Blick

Fotografin Bettina Flitner hat Wissenschaftlerinnen porträtiert. Einige von ihnen berichten hier, was die Art der Darstellung mit ihrer Forschung zu tun hat - und mit ihrer Persönlichkeit.

Barbara Galaktionow

Das erste Problem: Rein äußerlich unterscheidet sich die Arbeit der Wissenschaftlerinnen zunächst nicht voneinander. "Alle arbeiten viel am Bildschirm", musste Flitner feststellen. Geeignete Motive drängten sich nicht immer auf.

"Wie im James-Bond-Film": Physikerin Felicitas Pauss im Europäischen Forschungslabor Cern. (Foto: Foto: Bettina Flitner)

Das zweite Problem: "Um geeignete Bilder zu finden, musste ich doch mindestens ein Prozent von dem verstehen, was die Wissenschaftlerinnen machen" - und deren Materie ist oft schwierig und abstrakt.

"Die Umsetzung der Forschungsinhalte ist manchmal ganz direkt, manchmal mäandert das ins Metaphorische", sagt die Fotografin. Ein sehr dankbares Motiv bot Flitner der Arbeitsplatz der österreichischen Physikerin Felicitas Pauss - das Cern mit dem Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC).

In dem europäischen Forschungslabor bei Genf habe sie sich gefühlt "wie im James-Bond-Film", begeistert sich Flitner. Da habe wirklich nichts gefehlt: "Erst eine Fahrstuhlfahrt hundert Meter tief in die Erde, ein Iris-Scanner und dann dieser riesenhafte Raum" mit dem Teilchenbeschleuniger. Das sei "absolut beeindruckend" gewesen.

Und dann habe Pauss, die an der Technischen Hochschule in Zürich das Institut für experimentelle Teilchenphysik leitet, auf einem Foto auch noch "diesen einen Ausfallschritt gemacht", freut sich Flitner - vor dem Hintergrund des LHC nehme sich das aus, als sei die Physikerin unterwegs in eine neue Welt.

Doch häufig war die Umsetzung der Inhalte nicht so einfach. Denn wie zeigt man es beispielsweise, wenn eine Wissenschaftlerin Neutrinos erforscht, also jene Elementarteilchen, die aufgrund geringer Neigung zur Wechselwirkung Materieschichten ohne Zusammenstoß durchdringen können?

Bei solchen Schwierigkeiten half gelegentlich der Zufall. Und so fand sich Experimentalphysikerin Gisela Anton aus Erlangen plötzlich im einsetzenden Schneetreiben wieder, dessen Schneeflocken eben jene eigentümlichen Elementarteilchen versinnbildlichen sollten.

Im Gegenzug scheiterte aber auch eine besondere Bildidee Flitners - an der Physik. So hätte sie Gisela Schütz, Direktorin am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Metallforschung, gerne mit großen Magneten an einer Metallwand befestigt. Doch das ging leider nicht, bedauert Flitner: "Ich hätte sie nicht mehr abbekommen von der Wand."

Doch letztlich barg die Arbeit mit den Forscherinnen nicht viele solcher Wermutstropfen, sondern war vielmehr ein inspirierendes Erlebnis, auch für die Fotografin Bettina Flitner selbst: "Die Auseinandersetzung mit der Arbeit der Forscherinnen hat mein Interesse für naturwissenschaftliche Themen gestärkt."

Die Ausstellung "Frauen, die forschen" ist noch bis zum 30. August im Frankfurter Museum für Kommunikation zu sehen. Vom 5. November bis 31.12. 2009 wird sie an der Universität Konstanz gastieren. Die Forscherinnen-Porträts finden sich auch im begleitenden Bildband "Frauen, die forschen", der in der Collection Rolf Heyne erschienen ist.

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