Folgen radioaktiver Strahlung:Unsichtbar und tückisch

Akute Strahlenkrankheit, Krebs, aber auch Missbildungen und Hirnschäden bei den Nachkommen: Radioaktive Strahlung wie sie nun beim Reaktor Fukushima gemessen wird, kann viele Folgen haben.

Marlene Weiss

Es beginnt mit leichter bis mittlerer Übelkeit. Sie setzt wenige Stunden bis Tage nach dem Kontakt mit radioaktiver Strahlung ein. Manchmal müssen die Patienten erbrechen. Danach geht es ihnen meist etwas besser, bis nach zehn bis 14 Tagen die Symptome zurückkehren, oft begleitet von Appetitlosigkeit, Durchfall und Haarausfall. Wer einer Strahlendosis von mehr als drei Sievert abbekommt, hat oft auch Blutungen im Mund oder unter der Haut. Bei vier Sievert ist nach 30 Tagen jeder zweite Patient tot.

Folgen radioaktiver Strahlung: Wer aus der kritischen Region um den Reaktor Fukushima kommt, wird nach radioaktiver Strahlung untersucht.

Wer aus der kritischen Region um den Reaktor Fukushima kommt, wird nach radioaktiver Strahlung untersucht.

(Foto: AP)

Sievert oder auch Gray, diese Einheiten geben die Energiedosis an, die ein Körper pro Kilogramm Gewicht abbekommt. Eine geringe Dosis radioaktiver Strahlung kann der Körper recht gut verkraften: Etwa zwei bis vier Millisievert (mSv) pro Jahr ist die normale Strahlenbelastung in Deutschland. Etwa 1,5 mSv davon gehen auf Röntgenuntersuchungen zurück, der Rest ist größtenteils natürliche Strahlung aus dem All und aus dem Erdboden. Im Schwarzwald, wo radioaktive Erze die Dosis erhöhen, kann die Strahlenbelastung einige Millisievert zusätzlich betragen - all das liegt im harmlosen Bereich.

Gefährlich wird es, wenn die Strahlung deutlich darüber hinausgeht. Bei mittleren Strahlenbelastungen lässt sich die Gefährlichkeit nur statistisch nachweisen - die Häufigkeit von Krebs, besonders Leukämie, nimmt in der Bevölkerung zu. Kinder sind dabei stärker betroffen als Erwachsene, weil sich ihre Zellen häufiger teilen. Ab etwa 250 Millisievert ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Strahlung das Erbgut schädigt und über kurz oder lang Krebs auslöst. Auch Sterilität oder Missbildungen und Gehirnschäden bei den Nachkommen können eine Spätfolge von Strahlen sein.

Jodtabletten für die Schilddrüse

Akute Strahlenkrankheit tritt erst ab Dosen von etwa einem Sievert auf. Nach Angaben japanischer Behörden erreichte die Strahlung im Kontrollraum des Fukushima-Kraftwerks am Samstag das 1000fache des üblichen Werts. Vorübergehend seien 1,024 Millisievert gemessen worden - pro Stunde, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Wer sich in diesem Gebiet aufhielt, absorbierte demnach in einer Stunde die Dosis, die er sonst in etwa sechs Monaten aufgenommen hätte, nach spätestens zehn Tagen unter dieser Strahlenbelastung würde es akut gefährlich.

Besonders schädlich ist es, wenn radioaktives Material in den Körper gelangt, etwa über Atemluft, Nahrung oder Trinkwasser. Ein großes Problem ist radioaktives Jod, das aus einem defekten Reaktor entweichen kann und im menschlichen Körper in der Schilddrüse eingelagert wird, wo es nur langsam abgebaut wird. Daher werden in Japan Jodtabletten verteilt: Sie sollen die Schilddrüse mit Jod sättigen, damit kein weiteres, radioaktives Jod dort eingelagert wird.

Die rund um Fukushima evakuierten Menschen werden jetzt mit Geigerzählern untersucht - zeigt der eine hohe Radioaktivität an, müssen sie behandelt werden. Die erste Maßnahme ist, die Kleidung zu vernichten, die mit radioaktivem Staub in Kontakt gekommen sein könnte, und sich gründlich zu waschen.

Mit Medikamenten lässt sich die Produktion weißer Blutkörperchen in die Höhe treiben und damit möglicherweise eine Schädigung des Knochenmarks vermeiden. Auch Bluttransfusionen, im Extremfall Stammzelltransplantationen, können nötig sein. Das Tückische an radioaktiver Strahlung ist jedoch, dass sie ihre Wirkung noch nach Jahrzehnten entfalten kann. Davon zeugen in Japan 340.000 sogenannte Hibakusha (zu Deutsch Explosionsopfer): Überlebende der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki, die noch heute unter den Spätfolgen zu leiden haben.

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