Folgen der Transplantation:"Andere Arme sind besser als keine"

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Der Psychologie Uwe Koch-Gromus vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zur Frage, wie man mit fremden Organen lebt.

Patrick Illinger

Professor Uwe Koch-Gromus ist Psychologe und Arzt. An der Universität Freiburg hatte er den ersten Lehrstuhl für Rehabilitationspsychologie in Deutschland. Seit 1993 leitete er das Zentrum für Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Seit 2007 ist er Dekan.

Uwe Koch-Gromus (Foto: Foto: oh)

SZ: Wie sehr leidet die Psyche von Organempfängern, wenn sie ein neues Körperteil erhalten?

Koch-Gromus: Das kann man als Außenstehender nicht wirklich wissen. Empirische Studien, etwa aus dem Bereich der Nierentransplantationen, belegen allerdings nicht, dass ein nennenswerter Teil der Organempfänger Probleme hätte.

SZ: Nun sind aber Arme, ähnlich wie Teile des Gesichts oder andere Extremitäten äußerlich wahrnehmbare Körperteile. Führt das nicht zu einem verstärkten Gefühl der Befremdung?

Koch-Gromus: Das ist auch eine Frage, wie der Betroffene die möglichen Nachteile gegen die Alternative abwägt, beispielsweise ganz ohne Arme auskommen zu müssen. Die Arme ließen sich im übrigen ja auch ganz gut verbergen, wenn jemand das möchte. Ich stelle mir vor, wie der Münchner Patient sich eines Tages vor den Spiegel steht und feststellt, dass diese Arme zwar nicht zu ihm gehören, aber eindeutig besser sind als keine.

SZ: Physiologische Probleme, etwa eine abstoßende Immunreaktion, nehmen im Laufe der Zeit ab. Gibt es auch einen psychologischen Gewöhnungseffekt?

Koch-Gromus: Jeder, der so etwas durchlebt, macht einen Anpassungsprozess durch. Bei manchen Patienten aber entsteht eine Ablehnung. Ich will es mal mit einer Prothese vergleichen. Da weiß man, dass ein Teil der Patienten physiologisch nicht erklärbare Probleme bekommt. Wir haben auch versucht herauszufinden, ob man vorhersagen kann, bei welchen Patienten das der Fall sein wird. Ob es Menschen sind, die auch sonst Neues erstmal negativ sehen. Doch da gibt es keine eindeutigen Zusammenhänge.

SZ: Welchen Einfluss hat das soziale Umfeld? Wenn die Nachbarn oder gar Verwandten lästern?

Koch-Gromus: Ja, das kann eine große Rolle spielen, wie man aus der plastischen Gesichtschirurgie weiß. Ich hatte mal mit einem Fall zu tun, bei dem eine Frau sich ihr Kinn verändern ließ. Es wurde ein chirurgisches Meisterstück, aber sie hatte danach riesige Probleme mit dem neuen Aussehen. Was war passiert? Die Familie hatte die Veränderung übel bewertet.

SZ: Welche Rolle spielt die Symbolik des transplantierten Körperteils?

Koch-Gromus: Die Organe werden sicherlich von Patienten unterschiedlich bewertet. Eine neue Milz wird subjektiv weniger kritisch gesehen als beispielsweise ein neues Herz.

SZ: Wie weit darf man gehen? Bei welchem Organ werden ethische Grenzen überschritten.

Koch-Gromus: Beim Gehirn.

© SZ vom 30.07.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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