Förderung junger Wissenschaftler:"Sehr gut" ist nicht gut genug

Hochschulen und Stiftungen bieten exzellenten Nachwuchsforschern viele Fördermöglichkeiten. Neben ihren Leistungen spielt oft auch eine Rolle, ob Bewerber gesellschaftliches Engagement zeigen.

Von Christine Demmer

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Die Leistung zählt – und nochmals die Leistung. Und das Zukunftspotenzial der Aufgaben, mit denen sich ein Nachwuchswissenschaftler beschäftigt. Auch danach fragen Hochschulen, die Fördermittel vergeben. Wenn man nicht nur ein guter Forscher ist, sondern auch soziale Kompetenz besitzt – umso besser.

(Foto: imago/Westend61)

Jedes Jahr reichen am Berliner Universitätsklinikum Charité zwischen 300 und 400 Studierende Leistungsnachweise und Referenzen über soziales Engagement ein, um eines der zehn bis 30 jährlich neu zu vergebenden Förderstipendien zu erhalten. Nur etwa ein Drittel der Bewerber erfüllt die geforderten Voraussetzungen, sagt Anja Bondke Persson, Medizinerin mit MBA-Abschluss und Koordinatorin der Nachwuchsförderung an der Charité. Dafür hat sie Verständnis: "Manche sind noch sehr jung. Die sagen sich: ,Probiere ich's halt.'" Ein kleines Team aus Wissenschaftlern trifft die Vorauswahl unter den Bewerbern. Übrig blieben etwa 70 junge Frauen und Männer, die wirklich alle Vorgaben erfüllten und nach dem Sichten der eingegangenen Unterlagen persönlich von einer akademischen Auswahlkommission auf Herz und Nieren geprüft würden. "Die Bewerter halten Ausschau nach wirklicher Exzellenz", versichert Bondke Persson.

Kann man den Erfolg einer Förderung messen?

Begabte Nachwuchswissenschaftler werden von vielen Seiten unterstützt. Dabei sind grundsätzlich zwei verschiedene Formen zu unterscheiden: die zeitraumbezogene Förderung durch einen monatlichen Zuschuss zu Bildungs- und Lebenshaltungskosten und die projektbezogene Förderung. Über das fächerübergreifende Deutschlandstipendium hinaus, das der Staat gewährt, hat jede Fachdisziplin einen eigenen Kreis von Förderern. So gibt es eine ganze Reihe von privaten Stiftungen, die bestimmte medizinische, natur- oder geisteswissenschaftliche Leistungen honorieren. Die Stiftungen der politischen Parteien fördern Staats- und Gesellschaftswissenschaftler, die Kirchen Religionswissenschaftler, Sportverbände Sportwissenschaftler und Sportmediziner.

Breiter aufgestellt sind Stiftungen, die Unternehmen nahestehen, wie zum Beispiel die Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart oder die Körber-Stiftung in Hamburg. Sie vergeben Stipendien für Nachwuchswissenschaftler aus vielen Fachgebieten, selbst wenn diese gar nicht in Deutschland nach neuen Erkenntnissen suchen, sondern in anderen Ländern oder sogar auf anderen Kontinenten. In der Regel müssen sich die Forscher mit einer genauen Beschreibung ihrer Doktor- oder Forschungsarbeit bewerben. Dabei sind strenge Form- und Fristvorgaben zu beachten.

Manchmal wird der Nachwuchs durch Ausschreibungen aufgefordert, Stiftungsmanagern und Auswahlkommissionen ihre Vorhaben zu präsentieren. Für den 11./12. Dezember lädt etwa die Robert-Bosch-Stiftung Wissenschaftler aus Disziplinen wie Architektur, Kunst oder Design, aber auch aus Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften zu einem "24-Stunden-Workshop" nach Berlin ein. Dort sollen sie in Teams Forschungsideen für zukunftsweisende Stadtentwicklung erarbeiten. Im Anschluss können diese Ideen weiterentwickelt werden. Bis zu drei Forschungsvorhaben werden mit insgesamt circa einer Million Euro gefördert.

Auch die Hochschulen selbst unterstützen talentierte Nachwuchswissenschaftler. Bei der Auswahl der Projekte und Kandidaten sind sie allerdings nur dann völlig frei, wenn sie mit ihrem eigenen Geld fördern. Für die vom Staat und der Wirtschaft gemeinsam finanzierten Deutschlandstipendien, die über die Hochschulen zugeteilt werden, müssen sie sich an die im Stipendiengesetz vorgeschriebenen Auswahlkriterien halten. Ausgesiebt wird nach Leistung und Werdegang, gesellschaftlichem Engagement und besonderen persönlichen Umständen. Studenten und Wissenschaftler müssen sich selbst als Talent einschätzen und bewerben. So handhabt man das an allen deutschen Hochschulen.

An der Berliner Charité werden für Human- und Zahnmediziner sowie Masterabsolventen mehrmals im Jahr fakultätseigene Förderprogramme über Intranet, Newsletter und Rundmail ausgeschrieben. Tief in ihre Arbeit vergrabene Mediziner müssen trotzdem schon mal vom Professor angestupst werden, berichtet Anja Bondke Persson: "Anders kommen wir an die Talente oft nicht heran." Bei Nachwuchswissenschaftlern zählen die im Studium erbrachte Leistung, die zu erwartende Bedeutung des wissenschaftlichen Projekts für die Medizin sowie die Höhe der eingeworbenen Drittmittel.

600 000 Euro im Jahr lässt sich die Universität Siegen die Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses kosten, erzählt Daniel Müller mit hörbarem Stolz. Der promovierte Historiker leitet das erst im vergangenen Jahr eingerichtete "House of Young Talents", in dem von Mentoring über Coaching bis hin zu finanziellen Zuschüssen alles aufgeboten wird, um hellwache Geister zu Höchstleistungen anzuspornen. "Wir vergeben im Jahr zwölf Promotions- und 24 Masterstipendien", sagt Müller, "und bei uns zählt nur eines, nämlich wissenschaftliche Exzellenz."

Soziales Engagement oder Bedürftigkeit sind für das "House of Young Talents" weniger von Bedeutung. Geschaut wird auf die erzielten Noten und auf das im jeweiligen Studienabschnitt anstehende Projekt, also das Thema der Master- oder Doktorarbeit. "Die Studienleistungen sind wichtige Kriterien. Aber auch die Tendenz, die sich im Notenverlauf ausdrückt", führt Müller aus. Wer also in den ersten Semestern ein paar Vierer kassiert hat, soll nicht für immer von einer Förderung ausgeschlossen sein. "Darüber hinaus achten wir stark auf das Potenzial des Nachwuchses", erklärt der Wissenschaftler. Die Bewerber müssen ihre Projekte eingehend beschreiben und Gutachten beifügen. Die Stipendien werden für die Dauer von zwei Jahren gewährt. Der Clou: Der empfehlende Professor muss sich verpflichten, für das dritte Jahr der Promotion einen Finanzier für die Fortsetzung des Stipendiums zu suchen. "Damit wird der Mentor mit in die Pflicht genommen", erklärt Müller. "Wenn der sagt, eine Person ist gut, dann soll er auch Förderer finden. Das erzeugt Commitment." Durchaus erwünschter Nebeneffekt: So ziehen sich die Promotionsprojekte auch nicht in die Länge.

Ein bislang ungelöstes Problem ist vielerorts die Messung des Erfolgs der Talentförderung. "An den Fachbereichen werden die Karrieren der Talente beobachtet", sagt Anja Bondke Persson für die Charité. Derzeit evaluiere die Nachwuchskommission die Wirksamkeit der Förderung. Erste Ergebnisse werden Anfang 2018 erwartet. Auch die Uni Siegen plant ein Monitoring. Daniel Müller weiß schon jetzt: "Wenn relativ viele den Abschluss nicht schaffen, dann müssen wir etwas ändern."

Sozial aktiv

Sowohl das fächerübergreifende Deutschlandstipendium als auch viele andere Förderprogramme von Stiftungen und Hochschulen knüpfen ihre Unterstützung nicht allein an belegbare Erfolge auf dem jeweiligen Feld der Wissenschaft. Die Bewerber sollen auch soziales Engagement nachweisen. Einige Beispiele für Aktivitäten, mit denen man Förderer überzeugen kann:

Teilnahme an der Europäischen Studierendenkonferenz: Dort stellen Studenten ihre Forschungsergebnisse vor.

Studentische Initiativen wie die "Teddybärenklinik" in der Berliner Charité: Studenten lassen sich eine Woche lang vom Studium freistellen und "behandeln" im Lehrkrankenhaus die Kuscheltiere von Kindergartenkindern. Anhand der Tiere erklären sie, wie ein Krankenhaus funktioniert.

Weitere Möglichkeiten für soziales Engagement sind zum Beispiel die Mitgliedschaft in Studentenorchestern und -theatergruppen oder die Arbeit in der Flüchtlings- oder Obdachlosenhilfe . Auch wer in der Freizeit Sprachkurse für Kommilitonen gibt, etwa Arabisch für Mediziner, sollte das in seiner Bewerbung angeben. Christine Demmer

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