Florida:Pythons rotten Säuger in den Everglades aus

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Seit zehn Jahren spielt sich in Floridas Sümpfen ein ökologisches Drama ab: Der exotische Tigerpython hat sich in den Everglades ausgebreitet. Dafür sind Säugetiere wie Kaninchen, Füchse und Waschbären fast vollständig verschwunden - ein Beispiel dafür, welch fatale Folgen eingeschleppte Arten auf die einheimische Fauna haben können.

Markus C. Schulte von Drach

Der riesige Tigerpython macht in den Everglades von Floridas nicht nur immer stärker den einheimischen Alligatoren Konkurrenz. Er stellt auch eine dramatische Bedrohung für die Säugetierpopulationen dort dar. Das belegt eine Studie von Wissenschaftlern um Michael Dorcas vom Davidson College in Davidson, North Carolina.

Immer wieder geraten die beiden größten Raubtiere in den Everglades aneinander: der Tigerpython, der eigentlich in Südostasien endemisch ist, und der einheimische Alligator. (Foto: U.S. Geological Survey)

Die Würgeschlangen, die eine Länge von mehr als fünf Meter erreichen, breiten sich seit einigen Jahrzehnten in der freien Wildbahn in Florida aus. Vermutlich wurden die ersten Pythons von privaten Haltern ausgesetzt. Andere entkamen angeblich aus einer Zoohandlung, die während des Hurrikans Andrew 1992 zerstört wurde. Seit dem Jahr 2000 hat ihre Zahl deutlich zugenommen.

So berichten Darcos und seine Kollegen im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Science, dass die Zahl der Pythons, die in den Everglades und den angrenzenden Gebieten entfernt wurden, von 14 im Jahr 2003 auf 367 (2009) angestiegen ist. Vermutlich aufgrund der außergewöhnlichen Kälte im Januar 2010 ist die Schlangenpopulation dann wieder geschrumpft. Zumindest konnten mit 322 Tieren etwas weniger Schlangen gefangen werden. Und nach Angaben des Nationalparks waren es 2011 noch 169. Eine Ursache für diese letzte Abnahme, die von den Wissenschaftlern für die Studie nicht berücksichtigt werden konnte, ist unklar.

Insgesamt hat der National Park Service seit 2000 im Park und den angrenzenden Gebieten mehr als 1800 Tigerpythons gefangen. Die gefangenen Tiere dürften nur einen Bruchteil der eigentlichen Population darstellen. Vermutlich leben inzwischen etliche tausend der gut getarnten Tigerpythons im Süden Floridas.

Zeitgleich mit der Ausbreitung der Schlangen ist es bei den Säugetieren in der Region zu dramatischen Veränderungen gekommen. Während vor dem Jahr 2000 nachts an den Straßen in den Everglades häufig Kaninchen, Waschbären, Beutelratten (Opoassums) , Luchse, Weißwedelhirsche und Füchse gezählt wurden, ist die Zahl der Beobachtungen dort in den Jahren 2003 bis 2011 gegen null gegangen. Kaninchen und Füchse etwa wurden überhaupt nicht mehr gesehen.

Dieser Kampf ist 2005 für beide Tiere tödlich ausgegangen. (Foto: AFP)

Gleich eine ganze Reihe von Hinweisen spricht dafür, dass es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Ausbreitung der räuberischen Eindringlinge und dem Verschwinden der Säuger gibt. So sind ausgerechnet in den südlichen Everglades, wo schon lange Pythons beobachtet werden, die Säugerpopulationen besonders stark zurückgegangen. Wo die Schlangen dagegen erst seit kurzer Zeit auftreten, ist die Zahl der Säugetiere kleiner als in Bereichen, in die die Schlangen noch nicht vorgedrungen sind.

Darüber hinaus passen alle Arten, die nun vermisst werden, ins Beutespektrum der Schlangen. Und dass gleich mehrere Ordnungen von Säugetieren betroffen sind, spricht den Forschern zufolge gegen eine Seuche. Verhängnisvoll ist für die Säuger in Florida auch, dass der Räuber für sie völlig neu ist, sie sind an große Würgeschlangen nicht angepasst. Seit mindestens 16 Millionen Jahren gibt es in Nordamerika keine Schlangen, die groß genug wären, mittelgroße Säuger zu jagen.

Und während Tiere häufig verschwinden, weil ihr Ökosystem vom Menschen zerstört wird - etwa durch Rodungen oder die Jagd -, sind die Everglades geschützt. Für einige Arten, so vermuten die Wissenschaftler, könnte die Jagd der Pythons zwar positive Folgen haben. So profitieren etwa Schildkröten, Vögel und Krokodile davon, wenn weniger Waschbären sich über ihre Gelege hermachen. Allerdings ist unklar, welche Folgen die Ausbreitung der Würgeschlange auf gefährdete Arten in den Everglades haben. Nachdem die Pythons auch Vögel verschlingen und sogar Großkatzen töten können, sorgen sich die Wissenschaftler auch um seltene Arten wie den Waldstorch und den Florida-Panther.

Ein Beispiel für die Folgen einer Invasion von Schlangen, die in einem Ökosystem ursprünglich nicht vorkamen, ist Guam. Auf der Pazifikinsel breitete sich seit den vierziger Jahren die Braune Nachtbaumnatter aus Neuguinea und Australien aus. Die Schlangen vernichteten die meisten einheimischen Vogelarten, die Fledermauspopulation und etliche Reptilienarten. Dadurch verändert sich inzwischen auch die Flora auf der Insel, da viele Pflanzen zur Ausbreitung ihrer Samen auf diese Tiere angewiesen sind. Außerdem nahm die Zahl der Insekten und Spinnen zu.

Im Kampf gegen die Python-Invasion hat Florida 2010 die private Haltung der Schlangen verboten. Und US-Innenminister Ken Salazar kündigte nun ein Einfuhrverbot für den Tigerpython, die Gelbe Anakonda sowie den Südlichen und Nördlichen Felsenpython an. Auch Felsenpythons wurden bereits in den Everglades gefangen. Sie können noch größer als Tigerpythons werden und gelten als gefährlicher. Außer diesen Arten wurden auch andere exotische Schlangen in Florida entdeckt - darunter die Boa constrictor (Abgottschlange), die Grüne Anakonda und der Netzpython.

"Es bringt nichts, Milliarden von Dollars in die Everglades zu investieren, nur damit diese riesigen Würgeschlangen hereinkommen und zerstören, was wir erreicht haben", sagte Salazar bei einem Besuch der Everglades im Januar. Die neue Studie, so erklärte der Minister jetzt laut AP, zeige, dass die Maßnahmen notwendig sind. Sie belege "die tatsächlichen Schäden, die die Tigerpythons an der heimischen Fauna und der Wirtschaft von Florida anrichten".

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