Fiktion und Wirklichkeit:Der Eilige Gral

In seinem Bestseller "Sakrileg" verkauft Dan Brown Halbwahrheiten als historische Tatsachen, jetzt ist das Buch auch noch verfilmt worden. Hier die Fakten:

Titus Arnu

"Sämtliche in diesem Roman erwähnten Werke der Kunst und Architektur und alle Dokumente sind wirklichkeits- bzw. wahrheitsgetreu wiedergegeben", schreibt der Schriftsteller Dan Brown. Nun ja...

da vinci, ap
(Foto: Foto: AP)

DAS BUCH Mehr als 40 Millionen Exemplare der actiongeladenen Geschichte um die Gralsjäger verkaufte der amerikanische Autor bereits. Der Thriller verknüpft geschickt Verschwörungstheorien und Legenden.

DER FILM Im Mai soll der Hollywood-Film "The Da Vinci Code" (nach dem Originaltitel des Buchs) mit Tom Hanks und Audrey Tautou in die Kinos kommen. Das Werk wurde von Regisseur Ron Howard inszeniert.

DAS PLAGIAT Gut recherchiert oder geklaut? Die Autoren, der Neuseeländer Michael Baigent und der US-Amerikaner Richard Leigh, beschuldigen Brown, er habe große Teile aus ihrem Buch "The Holy Blood and the Holy Grail" abgeschrieben.

Auf den nächsten Seiten: Die Mythen und ihr wahrer Kern

Abendmahl

Der Eilige Gral

Der Mythos: Leonardo da Vincis Darstellung des Abendmahls ist für Dan Brown Ausgangspunkt all seiner Verschwörungstheorien: Nach Browns Interpretation ist der Jünger Johannes, von da Vinci als zarte Person dargestellt, eine Frau - Maria Magdalena. Mit Kelch, Blut und Jesus kommen zudem alle wichtigen Elemente der Grals-Legende in dieser Schlüsselszene vor.

Fiktion und Wirklichkeit: Das letzte Abendmahl von da Vinci.

Das letzte Abendmahl von da Vinci.

(Foto: Foto: AP)

Die Fakten: Frank Zöllner, Kunsthistoriker an der Universität Leipzig, sagt, im schriftlichen Nachlass von da Vinci existiere "nicht der geringste Hinweis auf solches Zeug". Diese Thesen seien so "absurd wie die Behauptung, dass die Erde eine Scheibe sei und die Amerikaner nie auf dem Mond gelandet seien".

Der Eilige Gral

Fiktion und Wirklichkeit: Kreuzigungsdarstellung auf dem Hohenlandenberg-Altar (um 1500 von Michel Haider).

Kreuzigungsdarstellung auf dem Hohenlandenberg-Altar (um 1500 von Michel Haider).

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Blut Christi

Der Mythos: Das Blut Christi wurde in einem Kelch aufgefangen. Dan Brown spekuliert, dass Maria Magdalena von Jesus schwanger war und somit das "Gefäß", welches das Blut Christi weitertrug - die Blutlinie gehe bis heute weiter, was die Kirche vertusche. Die These vom "königlichen Geblüt Christi sei in der Gelehrtenwelt ausgiebig und bis ins letzte Detail untersucht worden".

Die Fakten: Die These wurde in der Gelehrtenwelt nicht ausgiebig untersucht. Browns "Gelehrte" sind die Fernsehjournalisten Michael Baigent und Richard Leigh, aus deren Buch er die Idee entnommen hat. Versuche, Körperspuren Christi nachzuweisen, etwa auf dem Turiner Grabtuch, sind wissenschaftlich umstritten.

Der Eilige Gral

Jacques de Molay

Der letzte Großmeister der Templer, Jacques de Molay.

(Foto: Foto: Archiv)

Rennes-le-Château

Der Mythos: In Rennes-le-Château, einem Dorf in den Pyrenäen, hat der Pfarrer François-Bérenger Saunière von 1885 bis 1917 Spuren hinterlassen, die modernen Gralssuchern als wichtige Anhaltspunkte dienen.

In der Dorfkirche sind Statuen mit verschlüsselten Botschaften zu sehen, die womöglich zum Gral führen könnten. Außerdem wurde eine dreidimensionale Schatzkarte gefunden. Dan Brown nennt eine der Hauptfiguren im Roman auch "Saunière".

Die Fakten: Pfarrer Saunière kam zu erstaunlich viel Geld - aber nicht, weil er den Gral fand, sondern weil er mit Eisenbahnaktien handelte. Über die rätselhaften Statuen und Schriften, die Saunière hinterließ, lässt sich natürlich wunderbar spekulieren.

Der Eilige Gral

Glastonbury

Glastonbury

(Foto: Foto: dpa)

Templerorden

Der Mythos: Die Tempelritter sind laut Dan Brown die Beschützer des Heiligen Grals.

Die Fakten: Der Templerorden (ca. 1120 bis 1312) war nach dem Johanniterorden der zweite Ritterorden, der in der Folge der Kreuzzüge entstand. Seine Mitglieder wollten die Ideale der Ritter mit denen der Mönche vereinen. Für die Bewachung des Grals waren Templer nicht bekannt, sondern für ihre Kriegszüge. Der Orden wurde aus machtpolitischen Gründen zerschlagen.

Der Eilige Gral

Leonardo da Vinci

Leonardo da Vinci

(Foto: Archiv)

Glastonbury

Der Mythos: Josef von Arimathäa, einer der Anhänger Jesu, ist im Jahr 64 n. Chr. gemeinsam mit dem Apostel Philipp bis ins heutige England gereist. In Glastonbury haben die beiden den Heiligen Gral hinterlassen. Im Jahr 1191 behaupten Mönche, in Glastonbury liege König Artus begraben, der Ort sei gleichbedeutend mit der sagenhaften Insel Avalon.

Die Fakten: Es gibt weder Belege für eine Grabstätte von Artus in Glastonbury noch für den Heiligen Gral. Religionshistoriker vermuten, die angebliche Grabstätte sei eine fromme Lüge, um die Bedeutung der Abtei zu erhöhen.

Fiktion und Wirklichkeit: Maria, die Heilige Martha, die Heilige Magdalena und Johannes der Täufer

Maria, die Heilige Martha, die Heilige Magdalena und Johannes der Täufer

(Foto: Foto: Reuters)

Der Eilige Gral

Gral

Der Mythos: In Dan Browns Buch entpuppt sich der Gral als echte Überraschung - als Kind von Jesus und Maria Magdalena.

Die Fakten: Die meisten Legenden beschreiben den Gral als Gefäß, Schale, Kelch oder Stein. Die mittelalterlichen Sagen dichten ihm wunderbare Kräfte an: Er soll Glückseligkeit, ewige Jugend und Speisen in unendlicher Fülle spenden. Mit der christlichen Liturgie hat er höchstens entfernt zu tun - als Kelch des Abendmahls.

Fiktion und Wirklichkeit: Bischof Javier Rodriguez Echevarria, Prälat der erzkonservativen katholischen Organisation Opus Dei, 2001 bei einer Audienz bei Papst Johannes Paul II.

Bischof Javier Rodriguez Echevarria, Prälat der erzkonservativen katholischen Organisation Opus Dei, 2001 bei einer Audienz bei Papst Johannes Paul II.

(Foto: Foto: AP)

Der Eilige Gral

Josef von Arimathäa

Der Mythos: Der rätselhafte Anhänger Jesu spielt eine Hauptrolle in den Grals-Verschwörungstheorien. Angeblich sammelte Josef von Arimathäa das Blut Christi in einer Schale (möglicherweise dem Gral).

Die Fakten: Eine Stadt namens Arimathäa gab es nicht, die Schalen-Story ist wahrscheinlich frei erfunden. Die Geschichte, dass Josef von Jesus persönlich zum Hüter des Abendmahlkelchs bestimmt wurde, stammt aus dem 5. Jahrhundert n. Chr.

Der Eilige Gral

Leonardo da Vinci

Der Mythos: Glaubt man Dan Brown, war Leonardo da Vinci ein hoher Würdenträger des Geheimbunds Prieuré de Sion, außerdem war der Künstler homosexuell und hat "Hunderte von lukrativen Auftragswerken für den Vatikan gemalt".

Der Eilige Gral

Fiktion und Wirklichkeit: Auch Isaac Newton soll der "Prieuré de Sion" angehört haben.

Auch Isaac Newton soll der "Prieuré de Sion" angehört haben.

(Foto: Foto: AP)

Die Fakten: Leonardo da Vinci malte nicht Hunderte von Bildern für den Vatikan. Es sind zwar sehr viele Zeichnungen bekannt, aber nur 17 Gemälde, die eindeutig aus Leonardos Hand stammen.

Qumran-Rolle

Qumran-Rolle

(Foto: Foto: ddp)

Der Eilige Gral

Die Prieuré de Sion gab es nicht (siehe unten). Vielleicht war da Vinci ja homosexuell, aber was beweist das?

Der Eilige Gral

Maria Magdalena

Der Mythos: Dan Brown schreibt, dass Maria Magdalena von Jesus schwanger gewesen und nach dem Tod Jesu mit Josef von Arimathäa nach Gallien geflohen sei. In Jesus Junior und seinen Nachfahren lebe Christus bis heute fort.

Die Fakten: Dem Neuen Testament zufolge ist Maria Magdalena eine Jüngerin, die Jesus folgte. Sie stand unter dem Kreuz, als die meisten anderen Jünger geflohen waren (Mt 27,55f ), half beim Begräbnis (Mt 27,61, Mk 15,47) und entdeckte am Ostermorgen das leere Grab (Mk 16,1-5, Joh 20,1). Für alles andere gibt es keinen Anhaltspunkt.

Der Eilige Gral

Opus Dei

Der Mythos: In "Sakrileg" ist Opus Dei ein geheimnisvoller katholischer Orden, von dem viel Verschwörerisches ausgeht. Nach Browns Darstellung baut Opus Dei eigene Kirchen. Der Albino Silas, Hauptschurke im Roman, wird als Mönch in Kutte dargestellt, der sich selbst geißelt.

Der Eilige Gral

Die Fakten: Opus Dei ist kein Orden, sondern eine Personalprälatur, ein Bistum ohne Territorium. Deshalb gibt es auch keine Opus-Dei-Mönche im Büßergewand. Kirchen baut Opus Dei nicht.

Der Eilige Gral

Prieuré de Sion

Der Mythos: Im Roman spielt eine mächtige Geheimbruderschaft namens "Prieuré de Sion" eine wichtige Rolle. Ihr sollen unter anderem Leonardo da Vinci, Descartes und Isaac Newton angehört haben. Die Existenz der Bruderschaft sei eine historische Tatsache, heißt es in der Geschichte.

Die Fakten: Historisch verbürgt ist nur die Existenz eines kleinen französischen Klosters mit dem Namen Prieuré de Sion. Der Geheimbund, der das angeblich jahrtausendealte Grals-Geheimnis hütete, wurde 1956 von einem Betrüger namens Pierre Plantard erfunden. Plantard sagte unter Eid aus, dass es die Prieuré nicht gibt, dass er Urkunden gefälscht und gelogen habe.

Der Eilige Gral

Qumran-Rollen

Der Mythos: Dan Brown sieht in den Schriftrollen vom Toten Meer "die frühesten Dokumente des Christentums" und listet sie in einer Reihe mit "80 Evangelien" auf, die von der katholischen Kirche angeblich zensiert wurden, um das Kind von Jesus und Maria zu verheimlichen.

Die Fakten: Hätte Brown in ein seriöses Fachbuch über die Qumran-Rollen geschaut, hätte er wissen müssen, dass die jüdischen Texte Jesus an keiner Stelle erwähnen, da sie überwiegend aus der Zeit vor Christus stammen. Der Vatikan hatte nachweislich nie etwas mit der Herausgabe der Qumran-Schriften zu tun, denn dies ist Sache der Israelischen Antikenverwaltung.

Seit November 2001 sind alle Qumran-Texte wissenschaftlich ediert, in den Übersetzungen der 2000 Jahre alten Schriften sind keine Geheimbotschaften über Jesus und Maria enthalten. Nach heutigem Kenntnisstand gab es ursprünglich auch nicht 80, sondern 17 Evangelien.

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