Russland, USA und Kanada:Wettlauf um die Schätze der Arktis

Amerikaner und Kanadier suchen gemeinsam nach Öl und Gas im hohen Norden - sie wollen den Russen zuvorkommen. Durch den Klimawandel rückt die Arktis in das Interesse von Strategen in Regierungen und Konzernzentralen.

Moritz Koch

Die Healy ist der modernste Eisbrecher der USA. Ein schwimmendes Forschungslabor mit leuchtend rotem Rumpf, der Signalfarbe der Küstenwache, und einer Mission, die den Wettlauf um die letzten ungehobenen Schätze der Erde entscheidend beeinflussen könnte. Am Mittwoch stach die Healy von Alaska aus in See. Erste Etappe ist ein Rendezvous mit dem kanadischen Eisbrecher Louis S. St-Laurent. Dann soll eine gemeinsame Forschungsreise beginnen.

Russland, USA und Kanada: Der modernste Eisbrecher der USA auf dem Weg zur Arktis: Die Healy.

Der modernste Eisbrecher der USA auf dem Weg zur Arktis: Die Healy.

(Foto: AP)

Doch der arktische Schiffskonvoi dient nicht allein der Wissenschaft. Er richtet sich auch gegen einen alten Rivalen. Russland hat ebenfalls eine Expedition ins Eismeer gestartet. Genau wie die Amerikaner und Kanadier wollen die Russen geologische Messungen anstellen, um ihre Gebietsansprüche zu unterfüttern. Es geht um die Ausweitung der Staatsgrenzen in eine der entlegensten Regionen der Welt - und um Ressourcen.

Die globalen Strategen schielen auf die einstige Einöde

Kein anderes Gebiet der Erde wandelt sich so drastisch wie der hohe Norden. Das ewige Eis schmilzt schneller, als von vielen Experten noch vor wenigen Jahren für möglich gehalten wurde. Schon in zwei bis vier Jahrzehnten wird die Arktis nach Ansicht von Wissenschaftlern im Sommer eisfrei sein. Der Klimawandel macht den Weg frei für neue Schiffspassagen, Fanggründe und Förderstationen. Amerikanische Geologen schätzen, dass 30 Prozent der unentdeckten Gasreserven und 13 Prozent der unentdeckten Ölvorkommen in der Arktis schlummern. Auch Gold, Silber, Kohle, Eisen und Zink sollen dort zu holen sein.

Mit ihrem natürlichen Reichtum ist eine Region, die über Jahrhunderte als Einöde galt und Inuit-Stämmen überlassen wurde, innerhalb weniger Jahre ins Zentrum der Aufmerksamkeit globaler Strategen gerückt. Der Wettlauf um die Arktis ist im vollen Gange. Auch die Dänen und Norweger mischen mit, und letzteren gelang bereits ein besonderer Coup. Im vergangenen Jahr wurde Norwegen ein Gebiet im Nordmeer zugesprochen, das 235 000 Quadratkilometer umfasst. Damit verfügt die Regierung in Oslo über das alleinige Recht auf die Ausbeutung der Schätze, die dort unter dem Meeresgrund verborgen liegen.

Die Ansprüche von Staaten auf die Ozeane sind völkerrechtlich geregelt. Eigentlich dürften sie nur einen 370 Kilometer breiten Streifen vor ihren Küsten für eine exklusive Nutzung beanspruchen. Wenn es den Regierungen aber gelingt, die Existenz eines darüber hinausgehenden Festlandssockels nachzuweisen, kann ihr Souveränitätsbereich ausgeweitet werden. Entscheidend dafür ist das Urteil einer UN-Kommission. Die Russen etwa leiten ihre Ansprüche aus dem Lomonossow-Meeresrücken ab, den sie für eine Fortsetzung der sibirischen Landmasse halten, und haben 2007 mit einem Boot eine russische Fahne auf dem Meeresgrund am Nordpol gestellt. Nur die USA können vorerst keine Gebietsansprüche erheben, da sie die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen nicht ratifiziert haben. Die Healy legt daher zunächst nur einen Datenspeicher an.

Aber nicht nur Staaten, auch die westlichen Energiekonzerne hoffen, bei der Erschließung der Arktis dabei zu sein. Den Multis winkt ein Milliardengeschäft, und bis vor kurzem sah es so aus, als würde es für sie ein Kinderspiel sein, die Regierungen der Anrainerstaaten davon zu überzeugen, Bohrvorschriften und Umweltklauseln zu lockern. Doch nach der Katastrophe, die der britische Ölkonzern BP im Golf von Mexiko angerichtet hat, stehen die Förderprojekte vor einer ungewissen Zukunft. Eine Ölpest in der Arktis wäre verheerend. Mikroorganismen, die Öl zersetzen, arbeiten im kalten Wasser viel langsamer als im tropischen Golf. Hoffnung können die Konzerne allerdings aus dem Kalkül schöpften, dass der Energiehunger der Staaten irgendwann ihre Umweltbedenken beiseitedrängen dürfte. Schätzungen zufolge wird die Weltbevölkerung innerhalb der nächsten 20 Jahre um ein Drittel wachsen und der Energiebedarf gar um 50 Prozent zunehmen.

Wie ernst der Wettlauf um die Schätze des Nordens geführt wird, zeigt die Tatsache, dass auch das Militär in die Forschungsmissionen in der Arktis eingebunden ist. Die US-Marine hat erst im vergangenen Jahr eine Studie über die strategische Bedeutung der Polarregion veröffentlicht. Demnächst wollen die Amerikaner auch wieder gemeinsame Expeditionen von Forschern und Marine-Soldaten an Bord von Atom-U-Booten aufnehmen, die sie unter anderem wegen der Kriege in Afghanistan und im Irak unterbrochen haben. Auch die Russen nahmen bei ihrer diesjährigen Mission Beamte des Verteidigungsministeriums mit.

Eine verwirrende Meldung der vergangenen Tage passt ins Bild. Die Luftwaffe Kanadas will vor einigen Tagen zwei russische Kampfflugzeuge abgedrängt haben, die sich dem kanadischen Luftraum in der Arktis genähert hatten. Die Russen bestreiten den Vorfall. Doch die Regierung in Ottawa spricht von "Machtdemonstrationen" Moskaus, die sich seit 2007 häuften. Und Russland hat nie einen Hehl daraus gemacht, seine Interessen in der Arktis notfalls auch militärisch zu verteidigen. Solche Drohgebärden sind es, die die Kanadier an die Seite der USA treiben, selbst alte Interessenkonflikte der Nachbarnsollen bald behoben werden.

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