Eröffnung der größten Insektenfabrik Europas:Steriler Sex, der Früchte trägt

Sie sind der verheerende Feind von Zitrusobst. In Spanien produziert man nun Mittelmeerfruchtfliegen - um sie zum Wohle von Bauern und Umwelt auszurotten.

Karin Steinberger

Carlos Caceres sagt, wenn der Geruch nicht passt, lassen die wilden Weibchen die falschen Männchen links liegen. Schlimmer kann es nicht kommen. Kein Fliegenpheromon, kein Sexuallockstoff, kein Balzerfolg, keine Befruchtung, keine Ergebnisse. Caceres jedenfalls freut sich, wenn es richtig stinkt in Caudete de las Fuentes, oben in den Bergen hinter Valencia. Er liebt den süßlichen Duft der Männchen.

Eröffnung der größten Insektenfabrik Europas: In diesen netzverkleideten Gestellen paaren sich die Fruchtfliegen

In diesen netzverkleideten Gestellen paaren sich die Fruchtfliegen

(Foto: Foto: privat)

Carlos Caceres sagt, wenn die Fabrikmännchen besser fliegen könnten, wären die Naturweibchen williger. Er ist schon froh, wenn sie im Lauf ihres Lebens 50 Meter zurücklegen. Weit kommen sie damit nicht, draußen in den Plantagen der Orangenbauern. Andererseits gab es auch schon Ausreißer, die 200 Kilometer vom Einsatzort entfernt gefunden wurden. Damals in Guatemala. Da ist ihnen wahrscheinlich aus Versehen ein scharfer Wind unter die Flügel geraten. Sie sind jedenfalls weit gekommen für Fliegen.

Dann schnappt sich Carlos Caceres ein Männchen, das am Boden eines Käfigs herumdämmert, schiebt es unter das Mikroskop. Gut sieht es nicht aus. Die Augen schimmern matt, die rotgelben Antennen hängen schräg in der Gegend herum, die Flügel liegen knittrig am gelben Körper, die Beinchen zittern. Irgendwie hat man sich das Monster brutaler vorgestellt, gefährlicher, auch ein bisschen lebendiger.

"Sieht nicht gerade aus wie etwas, vor dem Amerika sich fürchten müsste", sagt Caceres und lacht ein bisschen dreckig. Aber man sollte sie nicht unterschätzen. Ceratitis capitata, die Mittelmeerfruchtfliege, die Medfly, lästig, fleischig, einer der destruktivsten Agrar-Schädlinge der Welt. Ein Monster von Insekt. Wenn die Weibchen ihre Eier unter der Haut von Früchten legen, ist danach nicht viel übrig außer Matsch, von Maden durchpflügt. Es ist eine Schlacht in den Plantagen der Welt.

Kein Erdteil, nichts Weichfleischiges ist vor ihnen sicher. Aprikosen, Mandarinen, Zitronen, Orangen. Alles, wovon die Menschen in dieser Region leben. Und noch viel mehr. "Die nimmt fast alles", sagt Carlos Caceres, Insektenkundler der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) in Wien, Spezialist der "Sterile Insect Technique" (SIT), früher Leiter der größten Fruchtfliegenfabrik der Welt in El Pino, Guatemala, wo sie jede Woche 3,5 Milliarden sterile Männchen produzieren.

Es gibt wenig Menschen, die enger mit der Ceratitis capitata zusammengearbeitet haben als er.

Wie kleine Marschflugkörper

Deswegen ist Carlos Caceres hier, mitten im Zitrusland um Valencia. Die Stadt ist umrahmt von 180 000 Hektar Plantagen, vier Millionen Tonnen Zitrusfrüchte werden in dieser Gegend im Jahr angebaut, 65 Prozent der spanischen Produktion. Es ist ein Rausch in Grün, der sich die Küste entlang ausbreitet, Baum an Baum, je nach Jahreszeit voll behängt mit Orangen oder Mandarinen, mit Navellinas, Valencia Lates, Star Rubys, Sanguinellis, Clemenules. Oder Marisols, Hybrid-Mandarinen, säuerlich und kernlos, die der Direktor des hier ansässigen Instituto Valenciano für landwirtschaftliche Forschung gerne den Traum jedes Schädlings nennt. Der Traum auch für Carlos Caceres.

Steriler Sex, der Früchte trägt

Er hat sein Wissen mit eingebracht beim Aufbau der zweitgrößten Fruchtfliegenfabrik der Welt und der größten Europas in dem Ort Caudete de las Fuentes, 90 Kilometer westlich von Valencia. 71 Millionen sterile Männchen wollen sie hier am Tag produzieren, 500 Millionen die Woche. Wenn die Dinge mal laufen, wie sie laufen sollen, werden auf ein wildes Männchen 100 sterile kommen.

Eröffnung der größten Insektenfabrik Europas: So sieht es in einer Insektenfabrik aus: In diesen Eimern werden die Eierfäden gesammelt

So sieht es in einer Insektenfabrik aus: In diesen Eimern werden die Eierfäden gesammelt

(Foto: Foto: privat)

Als die Fabrik vor ein paar Tagen eröffnet wurde, standen Politiker, Wissenschaftler und 800 Neugierige herum, sie starrten die großen Netzkäfige an, an deren Stoffwände Fruchtfliegenweibchen ihre Hinterleiber pressten, bis an der anderen Seite lange Fäden von Eiern herausquollen, sie ließen ihre Finger über Tausende Larven streichen, gingen durch Räume, die "Dark Room" heißen und "Sincronizacion". Und sie fragten sich, wozu das gut sein soll: eine Fabrik, die eine Plage produziert.

Es ist schon eine Zeit lang her, dass die Männer vom Landwirtschaftsministerium das erste Mal zum Bürgermeister von Caudete de las Fuentes kamen. Er wusste nicht so recht, was von der Sache zu halten ist. Er glaubte wie alle im Dorf, es handle sich um einen Scherz. Eine Fabrik für Fliegen. Als er merkte, dass es um mehr als 89 Arbeitsplätze ging, fragte er, wozu man all die Stubenfliegen brauche.

Es klang wie ein Projekt, das einen Haken hat. Als er verstand, dass es um Fruchtfliegen ging und dass sie die Zukunft von Caudete de las Fuentes sein könnten, sprach er mit seiner Gemeinde. "Die Leute dachten, der Bürgermeister spinnt", sagt der Bürgermeister. Aber sie sind in dieser Gegend für alles offen. Die Felder ernähren gerade noch die Alten, die Jungen verlassen die Gegend. Es ist also nicht so, dass man sich hier die Angebote aussuchen könnte.

Jetzt steht Bürgermeister Rafael Cerveró im Labor der Fabrik, gleich neben der Autovia del Este, der Autobahn von Valencia nach Madrid, die normalerweise nicht viel abwirft für den Ort. "Ich musste viel reden", sagt der Bürgermeister. Unter seinem Arm klemmt eine Mappe, auf der "Moscas" steht. Die Fliegenmappe. Es war eine harte Zeit, bis er seine Gemeinde zu ihrem Glück überredet hatte. Er erklärte ihnen, dass es keine Fabrik für Stubenfliegen sein wird, sondern eine für Fruchtfliegen, dass es nicht nur um ihren Ort, sondern um die Zukunft der ganzen Region ginge, und dass es damit endlich ein Ende habe mit dieser elendigen Giftspritzerei.

Störrische und Kritiker

Er sprach von den strengen Importbestimmungen der Amerikaner und irgendwann wohl auch von der Globalisierung. Dann erklärte er ihnen, dass die Fliegen zwar durch Strahlung sterilisiert werden, aber nicht selber strahlen würden. Er ist Arzt, er hat Argumente, seine Patienten strahlen ja auch nicht, wenn er sie in seiner Praxis röntgt, sagt er und lächelt fein.

Es gibt immer noch ein paar Störrische, die behaupten, sie hätten jetzt viel mehr Fliegen im Haus als davor. Und es gibt Kritiker, die sagen, man bringe da ordentlich was durcheinander in der Natur. Der Bürgermeister schaut in einen der Käfige voller Ceratitis capitata. Fliegen mit Fliegen zu bekämpfen, darauf müsse man erst einmal kommen, sagt er. Die meisten Bewohner seines Dorfes jedenfalls dachten sich ihren Teil und schickten ihre Kinder, um sich in der Fabrik zu bewerben.

Auch Francisca Morató Palanques hat sich beworben. Sie steht in dem Saal, den sie "Adultos" nennen. Der Erwachsenenraum. Hier paaren sich die Fliegen, bis sie nicht mehr können, hier brummt es und surrt es. Hier riecht es nach männlichen Sexuallockstoffen und nach klebrigem Essen. Hier sei sie am liebsten, sagt die Frau, ein Netz um das Haar. 38 Jahre ist sie alt, an Arbeit war bislang nicht zu denken in dieser Gegend. Jetzt schon. Die Fliegen sind unermüdlich. Begatten, Eier legen, Begatten, Eier legen. Bis sie nicht mehr produktiv genug sind und entsorgt werden.

Francisca Morató Palanques schüttet Wasser aus einem Eimer, an dessen Boden sich die weißlichen Eierfäden der Fliegen sammeln. 25 Millionen Eier pro Liter. Ein paar Räume weiter werden sie auf eine Weizenkleiezuckermischung gebettet, bis sich nach acht Tagen Larven herauskatapultieren wie kleine Marschflugkörper.

In der "Sala Grande" werden die mittlerweile harten Puppen dann palettenweise ausgelegt, Millionen von Fruchtfliegen, die im Halbdunkel erwachsen werden. Jeden Tag wird Francisca Morató Palanques gefragt, was sie eigentlich mache in diesem neuen, glitzernden Fabrikgebäude gleich an der Autobahneinfahrt. Sie sagt immer das selbe: "Wir produzieren Fliegen."

Weit oben in den Bergen

Der Satz gefällt ihr. Alles hier gefällt ihr. Selbst der Geruch. Am Anfang hat sie den Insekten sogar Namen gegeben, aber es werden ja täglich mehr. So viele Millionen, die Weibchen benutzt man als Eierlegemaschine, bis sie vom 16. Tag an weniger Leistung bringen und getötet werden. Die Männchen aber werden weiterverarbeitet, sterilisiert, ausgesetzt. Meist leben sie nicht mehr als vier Tage in der freien Natur. Schon komisch, sagt Francisca Morató Palanques. "Am Anfang mochten wir die Fliegen nicht. Jetzt mögen wir sie."

Steriler Sex, der Früchte trägt

Eröffnung der größten Insektenfabrik Europas: In diesen mit Nahrung versehenen Schubladen schlüpfen die Larven

In diesen mit Nahrung versehenen Schubladen schlüpfen die Larven

(Foto: Foto: privat)

Die Regierung hat die Fabrik aus gutem Grund hier in die Berge gestellt. Nur für den Fall, dass etwas passiert. "Ausbruch", nennt Rafael Argiles Herrero das. Er ist der Direktor der Fabrik, und er sagt, ein Ausbruch sei zwar unwahrscheinlich, aber andererseits reiche schon eine offene Tür. Hier in Caudete de las Fuentes sei es egal, wenn die Fliegen entkommen, in den Bergen haben sie keine Chance, es ist zu kalt, und es gibt nicht viel mehr als Mandelbäume und Weinreben. Hier sind sie weit weg von den Orangen und den Zitronen und den Mandarinen unten am Meer. Und weit weg von den Bauern.

Das kann nicht schaden, die meisten Bauern beäugen die Fliegen-Aktivitäten der Regierung eher mürrisch. Sie halten sich an das, was sie kennen. An Pestizide, die sie aus Flugzeugen über ihre seit Generationen zerstückelten Parzellen sprühen, Felder, viel zu klein, um rentabel zu sein. Die Zeiten, sagen sie, werden ohnehin immer schlechter, die Preise seien lächerlich niedrig, weil mittlerweile jeder Mandarinen anbaue. Spritzen müssen sie trotzdem, denn wenn Ceratitis capitata erst einmal in der Frucht sitzt, kann man die Ernte ganz vergessen. Die Fliege hat leider nur einen Feind: die Ameise.

Der spanische Bauer aber hat drei Feinde: die Fliegen, die Preise und die Amerikaner.

Tom Sutton wackelt sanft mit dem Kopf, wenn er so etwas hört. Natürlich weiß er, dass sie einen wie ihn nicht lieben. Er ist weltweit unterwegs im Dienste des amerikanischen United States Department of Agriculture (USDA), immer auf der Suche nach Insekten, Bakterien, Motten und Viren. Als Inspektor des US-Landwirtschaftsministeriums ist er zuständig dafür, dass nichts nach Amerika kommt, was nicht schon dort ist. Und die Fruchtfliege ist nicht dort. Nicht mehr.

Wählerische Weibchen

Sie haben sie schon seit vielen Jahren von ihren Orangenplantagen in Kalifornien verjagt, die Medfly. In den Achtzigern sprühte man noch das Insektizid Malathion auf die Felder, seit 1996 werden im Rahmen des Mediterranean Fruit Fly Exclusion Programs ständig sterile Männchen ausgesetzt. Mittlerweile gelten auch Mexiko und Teile Mittelamerikas als frei von Fruchtfliegen. Sie haben viel dafür gezahlt. Und sie zahlen immer noch: 15 Millionen Dollar im Jahr. Deswegen ist Tom Sutton in Spanien.

Er schaut sich die Felder der Bauern an, protokolliert den Befall, er steht in den Verpackungs-Hallen und bei den Containerschiffen, die von Spanien aus Richtung Amerika fahren wollen. Deswegen fürchten sie ihn. Denn wenn er bei Stichproben nur eine Larve findet, wird der ganze Container abgelehnt. Und das, obwohl die Amerikaner auch verlangen, dass die Ladung auf drei bis vier Grad heruntergekühlt wird und mindestens 16 Tage lang unterwegs ist. Cold treatment, nennen sie das. Die Spanier nennen es Schikane.

Steriler Sex, der Früchte trägt

Eröffnung der größten Insektenfabrik Europas: Aus den Larven werden schließlich dicke Fliegen

Aus den Larven werden schließlich dicke Fliegen

(Foto: Foto: privat)

Tom Sutton ist ein stiller Mann. Auch er ist den Fruchtfliegen schon lange auf der Spur. Als er in den Achtzigern in Kalifornien seine Frau kennengelernt hat, jagte er die Biester schon. Er weiß das deswegen so genau, weil er lange überlegt hat damals, was er den zukünftigen Schwiegereltern sagen soll. Ich fange Fliegen. Das klang nicht wie etwas, was Schwiegereltern gerne hören. Besser wurde es erst, als das erste Mal eine Fruchtfliegenplage über Kalifornien kam, da schien es plötzlich nützlich zu sein, einen Fliegenfänger in der Familie zu haben.

Tom Sutton weiß, je mehr Larven er durchlässt, umso wahrscheinlicher ist es, dass eine überlebt. Also lässt er keine durch. Zumindest ist das sein Ziel. Und es sei doch auch im Sinne der spanischen Bauern, dass die verseuchte Ladung schon hier im Land abgelehnt werde und nicht erst an den Einfuhrhäfen in Amerika. Er jedenfalls begrüßt es, dass die Spanier die Fabrik gebaut haben, um die Fruchtfliegenplage einzudämmen. Er ist sogar zur Eröffnung nach Caudete de las Fuentes gegangen. Dann sagt er, dass die Japaner mit Einfuhren übrigens sehr viel strenger seien als die Amerikaner.

Es gibt also viele Gründe, warum jetzt in Caudete de las Fuentes eine Fabrik steht. Und es gibt auch noch viele Probleme, die gelöst werden müssen. Was, wenn die Klimaanlage ausfällt? Wenn Pilze oder Bakterien sich einnisten? Kann man die Reste der Produktion an Ziegen verfüttern? Ist für die Larven Zucker mit oder ohne Proteine besser? Carlos Caceres sagt: "Wir tricksen hier die Natur aus." Doch die Natur trickst auch. Wilde Fliegen bevorzugen wilde Fliegen, selbst wenn man sie mit Fabrikfliegen überschwemmt. Die Weibchen sind wählerisch. Was hilft es, Millionen von sterilen Männchen auszusetzen, wenn sich die Weibchen doch nur von nicht sterilen Männchen befruchten lassen. Die Kopulation bis zum Aussterben funktioniert nur mit sterilen Männchen, die auch was hermachen.

Doch noch haben die falschen Männchen Macken. Ein Wunder ist das nicht. Sie werden von Fabrikfliegen in Käfigen gezeugt, in dunklen Hallen aufgestapelt, bei optimaler Temperatur und Luftfeuchtigkeit aufgepeppelt, mit phosphoreszierendem Puder vermischt, damit man sie in der Natur unterscheiden kann. Sie werden mit einer radioaktiven Keule sterilisiert, heruntergekühlt und wieder aufgewärmt, werden Hunderte Kilometer herumgefahren, von der Fabrik zur Sterilisation, von der Sterilisation zur Ausschlupfstation, von der Ausschlupfstation zum Flughafen. Und schließlich werden sie aus einem Flugzeug herausgeschmissen, in der Hoffnung, dass sie sich früh genug aufwärmen, um sanft zu landen. Wer würde da nicht schwächeln.

In den Laboren der Internationalen Atomenergieagentur in Seibersdorf arbeiten sie seit Jahren an der perfekten Fliege. Sie haben dort schon Superstars produziert wie die "Vienna 8". Steril, agil und enorm erfolgreich, in der Produktion sind die Männchen von den Weibchen, die man in der freien Natur nicht brauchen kann, einfach zu trennen. Vienna 8 ist ein Exportschlager, weltweit ausgesetzt zur Reduzierung der eigenen Art. Aber sie mussten erst sehen, ob diese Fliege auch in Spanien funktioniert. Es wurden Millionen von sterilen Männchen eingeflogen und ausgesetzt.

Hinein in den Schlund

Es wurden 50 Fallen pro Hektar aufgestellt, um zu zählen, wo sie waren, wen sie begatteten. Es wurden Qualitätstests gemacht, ihre Paarungsfähigkeit wurde überprüft, ihre Stressresistenz gecheckt, indem man ihnen kein Futter mehr gab und schaute, wie lange sie überlebten. "Zwei Tage ist gut, drei sind magisch", sagt Vicente Tejedo, der in Caudete de las Fuentes zuständig ist für das, was sie hier die Mutterkolonie nennen. Das Herz der Fabrik. Wenn es der Mutterkolonie gut geht, geht es allen gut.

Vicente Tejedo ist Agraringenieur im Landwirtschaftsministerium in Valencia, er ist der Herr über die Fliegen von Caudete de las Fuentes. Er steht in der "Sala Grande", greift eine männliche Puppe heraus, knackt ihren Panzer auf, schaut dem blassen Würmchen in die kaffeebraunen Augen und sagt: "Die sind bereit." Dann wird die Tagesration eingepackt bei 16 Grad Celsius. Reisetemperatur. Irgendwann einmal sollen es 71 Millionen Puppen täglich sein, die Fuhre an diesem Tag ist noch etwas kleiner. Zwei Stunden dauert die Fahrt in die Stadt Tarancón kurz vor Madrid. Auch hier, bei der Firma "Ion+Med", haben sie etwas gestaunt, als sie hörten, was da kommen wird zur Strahlen-Sterilisation. Fliegen?

Normalerweise werden hier medizinische Geräte, Prothesen, Spritzen, Handschuhe, Gewürze für den amerikanischen Markt mit Elektronen bestrahlt. Alles, was steril sein muss, aber hitzeempfindlich ist. Kunststoffe werden veredelt. Und jetzt Fliegen sterilisiert. Eine junge Mitarbeiterin legt die Kiste mit den Puppen auf das Laufband. Die Maschine wird angehalten. 85 Gy, die Strahlendosis für die Larven ist so niedrig, dass erst noch ein Filter eingeschoben werden muss.

"Lebendiges kommt hier selten durch. Und wir wollen sie ja nicht töten, nur sterilisieren", sagt die junge Frau. Als die Maschine wieder anläuft, dreht sie sich weg. "Die armen Dinger, sie wissen gar nicht, dass sie danach keine Männer mehr sind." Die Arbeiter grinsen. Dann rollt Kiste TA001 hinein in den Schlund, Linkskurve, Rechtskurve. Und hinter fünf Meter dicken Betonwänden werden Beta-Strahlen auf sie gebeamt. Millionen steriler Sexmaschinchen im Dienst der Wissenschaft.

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