Erneuerbare Energien:Sonnenstrom für alle

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Solarsiedlung in Köln-Bocklemünd: Die Wohngebäude aus den Sechzigerjahren wurden umfassend modernisiert und erzeugen jetzt Energie. (Foto: imago/Rupert Oberhäuser)

Bisher haben vor allem Hauseigentümer von der Photovoltaik profitiert. Neue Regelungen machen den Bau von Solaranlagen auf Mehrfamilienhäusern attraktiver - davon sollen auch Mieter etwas haben.

Von Lars Klaaßen

Die "Charlotte am Campus" macht vor, wie die Energiewende in Deutschland künftig deutlich vorankommen könnte. Das 2016 fertiggestellte Neubauprojekt in Berlin-Adlershof umfasst in mehreren zwei- bis sechsgeschossigen Gebäuden 121 Wohnungen. Auf den Dachflächen von insgesamt 1875 Quadratmetern hat die Charlottenburger Baugenossenschaft in Kooperation mit der Berliner Energieagentur eine Photovoltaik-Anlage (PV) installiert. Der Jahresertrag liegt bei 58 Megawattstunden (MWh). 71 Haushalte haben sich dafür entschieden, den damit erzeugten Strom kostengünstig zu beziehen. Damit sollen im Vergleich zur herkömmlichen Stromerzeugung jährlich 48 Tonnen CO₂-Ausstoß vermieden werden.

Etwa 1,4 Millionen Mieter in Deutschland könnten bald günstigen Solarstrom beziehen

Eigenheimbesitzer, die sich mit Solarstrom selbst versorgen, gibt es bereits viele. Mehrgeschossige Mietshäuser, in denen Strom erzeugt und gleich genutzt wird, sind hingegen selten. Über ein paar Dutzend Pilotprojekte geht der Bestand bisher nicht hinaus. Das kann sich bald ändern. Nach erfolgreicher Notifizierung durch die EU tritt das vom Deutschen Bundestag beschlossene Photovoltaik-Mieterstromgesetz rückwirkend zum 25. Juli 2017 in Kraft. Es soll dazu beitragen, dass die Energiewende auch in den Städten effektiver umgesetzt wird. Dadurch können auch Mieter von Kostenvorteilen der erneuerbaren Energien profitieren.

In den 20 größten deutschen Städten gibt es ein Potenzial von bis zu 33 000 Photovoltaik-Anlagen, allein auf Gebäude bezogen, die mehr als 13 Wohneinheiten umfassen. Etwa 1,4 Millionen Mieter könnten damit preiswerten Solarstrom beziehen. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Potenzialanalyse für solaren Mieterstrom, die der Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), der Deutsche Mieterbund (DMB), der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) und der Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands (eaD) vor Kurzem in Berlin vorgestellt haben. Vermietern, die mit einer PV-Anlage Solarstrom erzeugen und diesen an ihre Mieter weitergeben, waren bislang enge Grenzen gesetzt.

Mit dem neuen Gesetz ist der Spielraum nun größer geworden. Für Vermieter war das Mieterstrom-Modell bisher nicht attraktiv genug, vor allem wegen der Kosten für den Betrieb der Anlage, für den Vertrieb und die Abrechnung. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Solarstroms vom Hausdach zu erhöhen, garantiert das neue Mieterstromgesetz den Betreibern von PV-Mieterstromanlagen nun einen Zuschlag von bis zu 3,8 Cent pro Kilowattstunde. Die Höhe des Zuschusses hängt von der Größe der Anlage und dem aktuellen EEG-Einspeisetarif ab. Förderfähige Anlagen sind jedoch auf eine maximale Leistung von 100 Kilowatt Peak (kWp) begrenzt. Die jährliche Steigerung des Mieterstroms in Deutschland wurde auf eine Leistung von 500 Megawatt Peak (MWp) gedeckelt, um zu verhindern, dass die Kosten für die Förderung aus dem Ruder laufen. Auch ein Höchstpreis für PV-Mieterstrom wurde vom Gesetzgeber festgelegt. Er muss mindestens zehn Prozent unter dem am jeweiligen Ort geltenden Grundversorgungstarif liegen.

"Mit Mieterstrom können sich Mieter erstmals aktiv und ganz bewusst für saubere Energie, für Umwelt- und Klimaschutz entscheiden", sagt DMB-Direktor Lukas Siebenkotten. "Der Erfolg wird aber im Wesentlichen von der Attraktivität des Strompreises abhängen. Die vorhandenen Potenziale können nur dann ausgeschöpft werden, wenn Mieterstrom deutliche Kostenvorteile mit sich bringt."

Den Mietern steht frei, das Angebot anzunehmen. Bei den meisten wird der Blick aufs Geld entscheiden. Der Grundversorgungstarif ist auf dem Strommarkt in der Regel nicht der günstigste. Vermieter können die vom Gesetzgeber festgelegte Grenze aber auch unterschreiten. Wie viele Projekte zu welchen Endverbraucherpreisen realisiert werden, wird sich daran entscheiden, inwiefern sich die Investitionen für die Vermieter rechnen.

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"Mieterstromprojekte sind ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Energiewende im Wohngebäudebereich. Um das Potenzial voll auszuschöpfen, müssen aber noch Hemmnisse aus dem Weg geräumt werden", sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko. "Wohnungsunternehmen, die Strom aus erneuerbaren Energien wie Photovoltaik oder aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) lokal erzeugen wollen, werden gravierend steuerlich benachteiligt." Denn: Sobald sie den erzeugten Strom ins allgemeine Netz einspeisen oder den Mietern zur Verfügung stellen, wird die eigentlich gewerbesteuerbefreite Vermietungstätigkeit gewerbesteuerpflichtig. "Das Gewerbesteuergesetz", so Gedaschko, "muss hier dringend angepasst werden."

Trotz dieser Hürden "geht es jetzt endlich los mit dem Mieterstrom", zeigt sich Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar, überzeugt. Stark gesunkene Preise für Photovoltaik-Anlagen und das neue Mieterstromgesetz der Bundesregierung machten dies möglich. "Wir beobachten am Markt eine stark wachsende Zahl an Akteuren, die aus den Startlöchern kommen und Mieterstromprojekte umsetzen wollen", sagt Körnig. Während einerseits der Strombedarf weiterhin deutlich wachse, beispielsweise durch die Elektromobilität, seien die Kosten für Installation und Betrieb einer PV-Anlage deutlich gesunken.

Insbesondere kleinere Wohnungsbauunternehmen, die kein energiewirtschaftliches Know-how mitbringen, sollten sich erfahrene Partner für Mieterstromprojekte ins Boot holen. Das könnten etwa die Stadtwerke sein. Die Vermieter kennen die Verbrauchsdaten ihrer Mieter nicht, "sie sollten aber möglichst passgenaue Anlagen bauen, damit sich solch ein Vorhaben auch rechnet", sagt Michael Geißler, Vorstandsvorsitzender des eaD. Verbrauchen zum Beispiel die Mieter mehr Strom, als auf dem Dach produziert wird, muss der Vermieter die Lücke auf dem Energiemarkt schließen und Strom einkaufen. Das senkt die Rendite oder kann am Ende sogar das Geschäftsmodell kaputt machen.

© SZ vom 03.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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