Erneuerbare Energien:Ökowelle im Silicon Valley

Öl aus Algen, Yacht mit Hybridmotor: Investoren halten die Zeit jetzt für reif, um die nächste Industrie-Revolution anzuschieben.

Hubertus Breuer

Hinter der Tür verbirgt sich die grüne Revolution. "Tut mir leid", sagt Jungunternehmer Jonathan Wolfson.

Den Arm auf die Empfangstheke gestützt, hat er sich vor dem Zugang zu den Laboren aufgebaut. Seine Firma Solazyme liegt in einem Gewerbebau in einem der weniger vornehmen Viertel von Menlo Park im Süden San Franciscos. "Das fällt vorerst unter das Betriebsgeheimnis", sagt er. "Aber wir sind zuversichtlich, dass unsere Algenstämme innerhalb weniger Jahre Milliarden Liter Biodiesel und Rohöl produzieren können - vorausgesetzt, wir bekommen das nötige Kapital."

Wenn es um neue Ideen geht, hält man sich im Silicon Valley, der legendären Heimat des Computer- und Internetbooms, bedeckt. Noch dazu, weil Firmengründer, Risikokapitalgeber und Wissenschaftler derzeit glauben, einen neuen Schatz zu heben: erneuerbare Energien. Ebenso wie Hewlett Packard, Apple oder Google in dieser Region ihren Siegeszug antraten, halten Wagnisfinanziers die Zeit jetzt für reif, um die nächste Industrie-Revolution anzuschieben.

Kein Wunder, denn der hohe Ölpreis, wachsender Energiebedarf und der Klimawandel versprechen satte Renditen. Entsprechend lassen sich die Investoren nicht lumpen: Im vergangenen Jahr, schätzt das Londoner Beratungsunternehmen New Energy Finance, investierten Venture-Capital-Firmen und private Geldgeber weltweit 8,6 Milliarden Dollar in alternative Technologien, 68 Prozent mehr als 2005. Dabei kommt der größte Teil des Geldes für Öko-Startups aus den USA und dort wiederum aus dem erfolgreichsten Gewerbepark der Welt, dem Silicon Valley.

Als Wolfson Solazyme 2003 mit seinem Partner, dem Genetiker und Patentanwalt Harrison Dillon, nach altem Brauch in einer Garage gründete, gab es dagegen kaum Interesse an grüner Technologie, geschweige denn an Algen. "Die Investoren winkten ab." Das hat sich geändert. Mit 15 Millionen Dollar haben sich mehrere Geldgeber in das Unternehmen eingekauft. Sie hoffen, dass Solazymes Methode, Algenstämme genetisch zu manipulieren, um Wachstum und Ölanteil zu erhöhen, eine lukrative Grundlage für Biodiesel und Algenethanol schafft.

Ratschläge von Al Gore

Abwegig ist das nicht: Algen haben im Vergleich zu dem bekannten Rapsdiesel oder Bioethanol aus Getreide den Vorteil eines höheren Fettanteils - bis zu 70 Prozent des Eigengewichts sind es allein bei natürlich vorkommenden Algen. Außerdem verbraucht ihr Anbau weniger Energie, kaum Dünger und vergleichsweise wenig Land. "Für uns ist es nicht schwer, das Algenöl zu extrahieren", entgegnet Wolfson einer oft geäußerten Kritik. Wie, darüber hüllt er sich jedoch in Schweigen - und auch darüber, ob sie die Algen in Freiluftfarmen oder in transparenten Bioreaktoren züchten wollen. Noch in diesem Jahr will man eine Demonstrationsanlage vorführen.

Die erste Garde der Risikokapitalinvestoren residiert im Grünen - in der Nachbarschaft eines Golfplatzes in Menlo Park. Sie geben sich zuversichtlich. Kleiner Perkins Caufield & Byers (KPCB), führend unter den Venture Capital-Firmen, half bereits Amazon, Yahoo oder Google mit einer Anschubfinanzierung aus. Jetzt investiert die Firma in saubere Energiequellen.

Vor einem Jahr hat das Unternehmen das "Greentech Innovation Network" gegründet, ein Netzwerk von Experten, Politikern, Kapitalgebern und Unternehmern, das sich zweimal im Jahr trifft, um neue Entwicklungen in alternativen Energietechnologien zu diskutieren. Al Gore hat ihnen Ratschläge gegeben. Dazu gehört wohl, politisch tätig zu werden.

Mitglieder der Gruppe trafen im vergangenen August sieben Abgeordnete des kalifornischen Parlaments, um sie davon zu überzeugen, für das bislang strengste Klimagesetz der USA zu stimmen - mit Erfolg. Innerhalb der nächsten zwei Jahre will KPCB 200 Millionen Dollar in Firmengründungen im alternativen Energiesektor stecken. Bill Joy, Mitgründer von Sun Microsystems und vor Jahren Prophet der High-Tech-Apokalypse, ist inzwischen Partner der Firma. Er geht mit gutem Beispiel voran und lässt sich für 50 Millionen Dollar die erste ökologische, von Windenergie und einem Hybridmotor angetriebene Superyacht bauen.

Ökowelle im Silicon Valley

KPCBs liebstes Vorzeigeunternehmen ist die Biotechfirma Amyris, die auf der anderen Seite der San Francisco Bay ihren Sitz hat - unweit der Berkeley Universität. Anders als Solazyme arbeitet die Firma, wie es Geschäftsführer John Melo ausdrückt, "an Treibstoffen der zweiten Generation".

Biodiesel sei zwar umweltfreundlich, könne aber gefrieren; Ethanol habe weniger Energie als Benzin und ließe sich nicht durch Pipelines pumpen. Stattdessen, so Melo, habe man sich einige Moleküle herausgepickt, die sich als Alternativen für Kerosin, Biodiesel und Benzin eignen würden.

Die Auswahlkriterien waren, dass diese Stoffe einen hohen Energiegehalt haben, nicht sonderlich flüchtig und auch wasserunlöslich sein sollten. Eine Substanz ist Butanol, das gegenüber Ethanol mehr Energie in seiner chemischen Struktur speichert und leichter transportierbar sei. Amyris optimiert nicht nur genetisch einen Organismus.

Die Investoren standen Schlange

Das Unternehmen ist bekannt dafür, in Hefe- und Kolibakterien den Stoffwechsel so umzubauen, dass ihre Gene, wie an einem genetischen Fließband, Schritt für Schritt maßgeschneiderte Moleküle produzieren. Das klingt utopisch, doch für eine Vorstufe des Antimalariamittels Artemisinin ist der Firma das Kunststück bereits gelungen. Die Amyris-Ingenieure konnten den Ausstoß von Artemisininsäure in einer manipulierten Hefezelle millionenfach steigern. Der Erfolg spricht sich herum. Bei der letzten Finanzierungsrunde für Amyris standen die Investoren Schlange - viele mussten ihr Geld wieder mit nach Hause nehmen.

Ohne Kapitalfirmen würden viele Ideen nicht gedeihen. Aber bevor es zu dem gegenwärtigen Ökoboom kam, haben viele Finanziers gar nicht verstanden, wann sich ihnen eine Gelegenheit bot. Anders Erik Straser, Partner der Venture-Capital-Firma Mohr, Davidow Ventures in Menlo Park: "Ende 2002 sah es nicht gut aus. Da überlegte ich mir, was in den nächsten 25 Jahren die wichtigsten Technologietrends sein würden."

Er kam zu dem Schluss, dass das Wachstum von Indien und China die Nachfrage nach Rohstoffen und Energie nach oben schnellen lassen würde. Gleichzeitig rückte der Klimawandel in den Vordergrund. "Eine Antwort für beide Probleme", sagt der Ingenieur, "sind innovative Ideen für regenerative Kraftquellen. Also sahen wir uns nach Investitionsmöglickeiten um."

Zu dieser Zeit war der gebürtige Münchner Martin Roscheisen längst mit seiner Firma Nanosolar aktiv. Der seit mehr als zwölf Jahren in Kalifornien lebende Unternehmer, der mehrere Internetfirmen gegründet und für hunderte Millionen Dollar an Branchengrößen wie Yahoo verkauft hatte, entschied sich 2001, eine Solarfirma zu gründen.

"Die Dynamik der neuen Welt"

"Das war eine einfache Rechnung. Die Möglichkeiten für Innovationen in der Solartechnik schienen mir groß - und wenn man nur ein Prozent des Energiemarktes besetzen würde, sind das einige Milliarden Dollar", erklärt Roscheisen an einem angerosteten Gartentisch sitzend hinter einem schmucklosen Flachbau in Palo Alto. Aus einer offenen Tür hört man Maschinengeräusche: Nanosolars Forschungs- und Entwicklungslabor.

Die Neuerungen der Solarzellen liegen im Material. Statt Silizium nützt Nanosolar Verbindungshalbleiter aus Kupfer, Indium und Gallium. Die Herstellungsmethode ist auch neu, denn die Solarzelle wird auf eine Metallfolie gedruckt. Das senkt die Herstellungskosten um den Faktor Zehn. Der Wirkungsgrad liegt im zweistelligen Bereich; herkömmliche Solarzellen schaffen nur wenig mehr.

Das überzeugte nicht nur Straser, der prompt investierte, sondern auch die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin. Letztes Jahr erhielt die Firma eine weitere Finanzspritze von 100 Millionen Dollar. Damit errichtet sie jetzt im kalifornischen San Jose und in Luckenwalde bei Berlin zwei Fertigungsstätten. Noch 2007 sollen die ersten Solarzellen vom Band laufen. "Die Dünnschicht-Methode ist ein Erfolg", sagt Straser zufrieden in seinem dunklen Konferenzsaal. "Auch bei diesem Boom werden einige Leute Geld verlieren. Das ist die Dynamik der neuen Welt."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: