Erneuerbare Energie:Strom aus Wolken ernten

Auf der Suche nach neuen Energiequellen haben manche Firmen hochfliegende Pläne. Sie wollen mit Hilfe von Drachen und Ballons Winde nutzen, die in großer Höhe über die Erde brausen.

Hubertus Breuer

Corwin Hardham lässt gerne Drachen steigen. Mit beschaulichem Herbstvergnügen hat seine Leidenschaft allerdings wenig zu tun, denn der Ingenieur zähmt die mitunter unbändige Kraft der fliegenden Segel.

Makani Windenergie mit Drachen

Eine liegende Acht, das mathematische Symbol für unendlich, zeichnet hier ein Drache bei einer nächtlichen Langzeitaufnahme in die Luft. 30 Stunden haben die Ingenieure der Firma Makani Power ihren Prototypen kreisen lassen, über einem vom Wind gepeitschten Bergrücken auf Maui, einer der Hawaii-Inseln. Von dem lokalen Wort für Wind leitet die Firma auch ihren Namen ab.

(Foto: wis)

Zum Beispiel, wenn er eines vor sein Surfbrett spannt, um an der Küste Nordkaliforniens über hohe Wellen zu springen. Dieser Zeitvertreib verwundert nicht, war Hardham doch als Teenager professioneller Windsurfer. "Ich habe aber nie wirklich genug Geld verdient, um davon zu leben", sagt er.

Dennoch will er mit seiner Liebe zu Wind und Drachen jetzt hoch hinaus. Der an der Stanford University promovierte Ingenieur beabsichtigt, mit versteiften Flügeln, die in großer Höhe wie Lenkdrachen geflogen werden, Strom zu erzeugen.

An den vorderen Flügelkanten sitzen Propeller, die kleine Turbinen antreiben. Ein Kabel, das den Drachen festhält, leitet den Strom zum Boden. Hardhams Firma "Makani Power", benannt nach dem Hawaiianischen Wort für Wind, hat ihr Startkapital von Google:

Der Suchmaschinen-Konzern interessiert sich seit längerem für eine nachhaltige Energieversorgung, da seine Serverzentren weltweit viel Strom verzehren. Dass auch die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin begeisterte Drachensurfer sind, hat nicht geschadet.

Seinen Sitz hat Makani Power im Kontrollturm eines aufgelassenen Stützpunkts der amerikanischen Marineflieger in Alameda an der Bucht von San Francisco. Neben dem Gebäude steht ein Feuerwehrauto, das als mobile Plattform für Flugtests dient.

"Die Drachen erzeugen mitunter Zugkräfte von 10.000 Newton", sagt Hardham. Damit ließe sich eine Masse von einer Tonne stemmen. "Ein PKW würde leicht abheben."

Makani Power ist nicht die einzige Firma, die mit Fluggeräten Windkraft ernten will. Weltweit nehmen mehrere Startup-Firmen die Regionen ins Visier, in denen sonst nur Vögel, Wolken und Flugzeuge anzutreffen sind. Einige wollen Drachen, andere hubschrauberähnliche Apparaturen oder Ballons für die fliegenden Windkraftanlagen nutzen.

Turbinen in 500 Metern Höhe

Sie alle bauen darauf, dass es oben stärker und stetiger bläst als in Bodennähe. Im Sturmgürtel der Jetstreams ab sieben Kilometern Höhe ließe sich laut dem Atmosphärenforscher Ken Caldeira von der Stanford University das hundertfache des globalen Energiebedarfs gewinnen.

Erneuerbare Energie: Ein Drachen der Firma "Makani Power". An den Kanten der Flügel sind Propeller angebracht, die kleine Turbinen antreiben. Ein Kabel leitet den Strom zum Boden.

Ein Drachen der Firma "Makani Power". An den Kanten der Flügel sind Propeller angebracht, die kleine Turbinen antreiben. Ein Kabel leitet den Strom zum Boden.

(Foto: Makani Wind Power)

Makani will seine Turbinen indes in bescheidenen 300 bis 500 Metern Höhe fliegen lassen. Auch in diesen unteren Etagen der Atmosphäre - über den Vogelrouten, aber unter dem Flugverkehr - zieht es kräftig.

Die Drachen sollen dort aber nicht still stehen, sondern kreisen. Auch bei stationären Windmühlen ist es schließlich so, dass das Endstück eines Rotorblatts den größten Teil an Energie erbringt, hat Jose Zayas, Leiter der Windenergieforschung am Sandia National Laboratory in New Mexico berechnet.

Hardham bittet seine Besucher nun, sich folgendes vorzustellen: Man trenne diese äußeren Enden ab und ersetze den Rest des Flügels durch ein Kabel. Dann bekommt man einen Drachen, der in einem ungefähr senkrecht stehenden Kreis fliegt.

"Das machen wir mit unseren Flügeln", führt Hardham aus. "Wir lassen die Flügel nicht nur aufsteigen, sie kreisen wie die Spitze eines riesigen Rotorblatts - und erzeugen deutlich mehr Energie." Er hofft, die Kosten herkömmlicher Windenergie um vierzig Prozent zu senken. Und wenn Flaute herrscht? Dann stabilisieren die Propeller die Flügel.

Doch die Firma hat - wie viele Startup-Unternehmen - bislang nur einen kleinen Prototypen zu Demonstrationszwecken gebaut. Makani Power startet regelmäßig ein Modell mit fünf Metern Spannweite, das 10 Kilowatt produziert.

Das reicht gerade aus, um fünf amerikanische Haushalte mit Strom zu versorgen. Das nächste Projekt sieht einen Flügel mit einer Spannweite von 35 Metern vor, der ein Megawatt erzeugt, also genug für 500 Haushalte.

Hardhams Konkurrenten erproben andere Technologien, um den Wind nahe der Wolken zu ernten. Das Unternehmen Sky Windpower im kalifornischen Oroville experimentiert mit so genannten Gyrokoptern, die entfernt an Hubschrauber erinnern - ein H-förmiges Metallgestell, das an den vier Enden je einen Rotor hat.

Deren Blätter sollen die Windkraft in zwei bis acht Kilometern Höhe einfangen. "Wenn die Behörden erst erkennen, wie wichtig diese Technologie für eine nachhaltige Energiewirtschaft ist, werden sie den Luftraum an ausgewählten Plätzen auch sperren", sagt Len Shepard, Geschäftsführer der Firma.

Energiegewinnung nach dem Jojo-Prinzip

Sky Windpower

Das Unternehmen Sky Windpower aus Kalifornien arbeitet mit so genannten Gyrokoptern. Die H-förmigen Metallgestelle haben an ihren vier Enden jeweils einen Rotor.

(Foto: Ben Shepard, Sky Windpower)

Das italienische Unternehmen Kite-Gen wiederum schickt nur Lenkdrachen in die Luft. Wenn der Wind sie nach oben zerrt und sich die Führungsleine abwickelt, produziert ein Generator am Boden daraus Strom.

Hat das Segel den höchsten Punkt erreicht, wird es zur Seite gesteuert, wo es einfällt und leicht eingeholt werden kann - für einen Bruchteil der Energie, die es zuvor erzeugt hat. Jojo-Prinzip nennt sich die Methode. Auf einem Berg im Piemont hat laut Kite-Gen kürzlich der Bau einer Demonstrationsanlage begonnen.

Ein weiterer Vorschlag ist ein heliumgefüllter Ballon. Das im kanadischen Ottawa ansässige Unternehmen Magenn Power hat eine Windturbine in Form einer Trommel entwickelt. Außen angebrachte Schaufeln fangen den Wind in 1000 Metern Höhe ein, so dass sich der Ball um die eigene Achse dreht.

Diese Bewegung produziert Strom, der über ein Kabel zum Boden geführt wird. Im Laufe des kommenden Jahres wollen sie beginnen, eine 100-Kilowatt-Anlage kommerziell zu vertreiben; größere sollen folgen.

Doch ganz so problemlos, wie die Technologie wirkt, ist sie womöglich nicht. Der Windkraftexperte Robert Thresher vom National Renewable Energy Laboratory in Colorado monierte im Wissenschaftsjournal Nature: "Bislang gibt es keine ernsthafte Studie zu dieser Technologie, die von unparteiischen Experten verfasst worden wäre."

Zu den offenen Fragen gehörten Wartungskosten, Wetterfestigkeit und Probleme mit dem Flugverkehr. Vor allem aber fehlt bislang ein fliegendes Kraftwerk, das groß genug wäre, um eine echte Alternative zu bestehenden Windfarmen zu offerieren.

Wie so oft ist es eine Frage des Geldes. Google hat seit 2006 immerhin fünfzehn Millionen Dollar in Makani Power investiert; so viel haben andere Firmen nicht aufgetrieben. Doch für das fliegende Megawatt-Kraftwerk reicht das nicht.

"Um eine solche neue Technologie zur Marktreife zu bringen, benötigt man in der Regel rund 100 Millionen Dollar", sagt Hardham. "Im internationalen Markt für erneuerbare Energien ist das keine große Summe. Und wir sind zuversichtlich, die Anlage bis 2015 bauen zu können."

Ob das Unternehmen Erfolg haben wird, steht dahin. "Meine Hoffnung ist, dass es von all den Startups ein paar schaffen, zu beweisen, dass sich diese Technologie lohnt."

Hardham wird es herausfinden, er hat Stehvermögen. Wenn er Feierabend macht, nimmt er bisweilen ein Surfbord und rudert darauf stehend über die Bucht nach Hause. Nur mit einem Paddel und manchmal auch gegen den Wind.

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