Erdwärme als Energiequelle:Rumpeln nach dem Bohren

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Die Idee, Energie aus dem Untergrund zu gewinnen, ist verlockend: Beim Verbrauch von Erdwärme entstehen im Gegensatz zu Öl und Gas keine klimaschädlichen Treibhausgase. Doch die Gewinnung von Erdwärme kann Beben auslösen.

Axel Bojanowski

Eine Bohrung, mit der Wärmeenergie aus dem Boden gewonnen werden soll, hat am Freitagabend in Basel ein Erdbeben ausgelöst. Die leichten Erschütterungen der Stärke 3,4 erschreckten mit einem lauten Knall die Anwohner und verursachten Risse in Häuserwänden. Mehr als 1000 Notrufe erreichten die Feuerwehr.

Die Hitze des Erdinneren soll zur Energieerzeugung genutzt werden. (Foto: Foto: ddp)

Das rund 50 Millionen Euro teure Bohrprojekt wurde gestoppt. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die verantwortliche Geopower AG. Die Beben hätten sie überrascht, erklärte die Firma. Doch Geoforschern ist lange bekannt, dass bei der Gewinnung von Erdwärme der Boden erzittern kann. Experten diskutieren sogar, ob dabei auch starke Erdbeben entstehen können.

Keine Treibhausgase

Die Idee, Energie aus dem Untergrund zu gewinnen, ist verlockend: Beim Verbrauch von Erdwärme entstehen im Gegensatz zu Öl und Gas keine klimaschädlichen Treibhausgase.

Und während Öl- und Gaslagerstätten in den kommenden Jahrzehnten zur Neige gehen dürften, ist das Reservoir an Erdwärme so gut wie unerschöpflich.

3000 Meter unter der Erde herrschen gewöhnlich 100 Grad. Mancherorts ist die Temperatur allerdings auch höher - etwa im Oberrheingraben. Bohrungen in Landau, Bruchsal und Neuried sollen dort die verborgenen Energiequellen erschließen.

Um die Wärme zu gewinnen, pressen Ingenieure Wasser in Bohrlöcher. Das Wasser heizt sich im Untergrund auf, strömt wieder nach oben und treibt dort Dampfturbinen an.

Das Gestein in der Tiefe lässt allerdings kaum Wasser durch. Damit genügend Flüssigkeit zirkulieren kann, müssen künstlich Klüfte geschaffen werden: Dazu wird das Wasser mit 200- bis 300-fachem Atmosphärendruck in den Boden gepumpt. Unter stetem Knistern und Knacken, das Wissenschaftler mit Erdbebensensoren aufzeichnen, brechen im Gestein winzige Kanäle auf.

Sorge um ihre Häuser

In Basel begannen die Ingenieure am 2. Dezember, Wasser in die Bohrlöcher zu pumpen. Die Zahl der Mikrobeben nahm seither stetig zu. Nachdem am Freitagvormittag ein Beben der Stärke 2,7 Anwohner erschreckt hatte, wurde das Einpumpen von Wasser gestoppt. Dennoch kam es 13 Stunden später zu jenem deutlich stärkeren Beben der Stärke 3,4.

Dass das Ereignis die Verantwortlichen tatsächlich überraschte, erscheint zweifelhaft. Denn Erdwärme-Anlagen haben bereits in der Vergangenheit ähnliche Erschütterungen ausgelöst, etwa in Australien und Kalifornien. Im französischen Soultz-sous-Forêts am Oberrheingraben, wo seit 1993 ein Erdwärme-Projekt betrieben wird, beschwerten sich nach einem leichten Beben der Stärke 2,9 im Jahr 2003 Anwohner aus Sorge um ihre Häuser. Die Betreiber drosselten daraufhin den Wasserdruck deutlich auf unter 100 Bar. Erdbeben gab es seither nicht mehr. Doch die Anlage produziert nun weitaus weniger Energie.

Warum das Einpressen von Wasser Erdbeben verursachen kann, wissen Wissenschaftler nicht genau. Vermutlich bebt die Erde, wenn im Untergrund größere Schwächezonen vorhanden sind, entlang derer das Gestein bricht. Schon ein dünner Wasserstrom kann den Druck unter Umständen zu groß werden lassen.

Denn der Boden steht weltweit unter beträchtlicher Spannung und mit zunehmender Tiefe steigt der Druck im Boden. Deshalb erhöht sich die Gefahr von Erdstößen, je tiefer die Erdwärme-Bohrungen reichen. Oberhalb von vier Kilometern löste eingepumptes Wasser bislang keine Beben aus. Die Bohrung in Basel reicht fünf Kilometer tief. Um die Erdbebengefahr zu verringern, schlagen Forscher vor, mehrere kurze Bohrungen zu machen, anstatt einer tiefen. Damit ließe sich die gleiche Energiemenge gewinnen.

Ursache umstritten

Manche Seismologen folgern aus den bislang bekannten Daten, dass eingepresstes Wasser keine Beben über einer Stärke von 3,5 verursachen kann. Garantieren möchte das aber niemand. Eine Erdwärme-Anlage in El Salvador löste 2003 möglicherweise sogar ein Beben der Stärke 4,4 aus - die Ursache der Erschütterung ist allerdings umstritten.

Solch ein Schlag kann in der nahen Umgebung beträchtliche Schäden anrichten - in der bergigen Region in El Salvador etwa drohen Erdlawinen, Dörfer zu verschütten. Das Beben von 2003 war den Betreibern der Energie-Anlage eine Warnung: Sie installierten ein Alarmsystem, das die Wasserpumpen stoppt, sobald vermehrt Mikrobeben gemessen werden.

Das Beben von Basel erschreckte am Freitag zwar die Anwohner - überrascht haben dürfte es sie nicht. Denn entlang des Oberrheingrabens drohen natürliche Erdstöße der 30000-fachen Stärke. Basel wurde 1356 von einem Starkbeben verwüstet. Die Gebäude der Stadt müssen erdbebensicher sein, verlangen die Bauvorschriften.

© SZ vom 12.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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