Erderwärmung:Klimasünder vor dem Richter

Das Pariser Klimaschutz-Abkommen ermöglicht Umweltschützern einen neuen Weg: Klagen wegen überhöhter Emissionen.

Von Jan Heidtmann

Am Anfang starben die Robben, zu Tausenden waren sie jämmerlich zugrunde gegangen. Da reichten die "Seehunde in der Nordsee" Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland ein - wegen der "Einbringung von Abfallstoffen auf hoher See". Jahr für Jahr waren mit amtlicher Genehmigung bis zu 300 000 Tonnen chemischer Abfälle in der Nordsee verklappt worden. Mit einem Prozess im Auftrag der Robben wollten die großen Umweltverbände in Deutschland dieses Treiben stoppen. Doch der Fall wurde erst gar nicht vom Gericht angenommen. Robben, so das Verwaltungsgericht Hamburg, seien nicht "parteifähig". Der Versuch, den Schutz der Umwelt einzuklagen, endete 1988 wie so oft im Nichts.

Ein gutes Vierteljahrhundert später regt sich bei Umweltschützern und Juristen wieder Hoffnung. "Wenn das Klima-Abkommen von Paris ratifiziert ist, haben wir ein bindendes Ziel", sagt die Hamburger Anwältin Roda Verheyen. Sind der Temperaturanstieg des Weltklimas und die Menge der Schadstoffe erst einmal fixiert, so ihre Argumentation, sind die Staaten dazu verpflichtet, diese Ziele zum Schutz ihrer Bürger einzuhalten.

Das mag idealistisch klingen, doch es gibt bereits Vorbilder. So hat in der pakistanischen Stadt Lahore eines der höchsten Gerichte des Landes im September einem Zuckerrohrbauern recht gegeben. Asghar Leghari hatte seine Regierung verklagt, da der Regen ausblieb. Tatsächlich ist der Wasservorrat in Pakistan in den vergangen 60 Jahren massiv gesunken, von 5300 Kubikmetern pro Einwohner auf kaum mehr 1000. "Wir spüren den Klimawandel schon im ganzen Land", begründete der Richter sein Urteil. Pakistan hatte 2012 ein Klimawandelgesetz beschlossen, nun muss die Regierung einen exakten Fahrplan vorlegen, wie dies umsetzt werden soll.

Ähnlich urteilte im Juni ein Gericht in den Niederlanden. Dort hatte die Klimaschutzorganisation Urgenda geklagt: Das Ziel, weniger Treibhausgase auszustoßen, werde massiv verletzt. Die Richter in Den Haag entschieden, die Treibhausgase müssten bis 2020 im Vergleich zu 1990 um ein Viertel reduziert werden. Unter Umweltschützern gilt der Fall Urgenda als Präzedensfall, mit jeder weiteren Klimavereinbarung hoffen sie auf eine zusätzliche Handhabe gegen allzu nachlässige Regierungen.

Gleichzeitig sollen nun auch einzelne Unternehmen für ihren Anteil an der globalen Verschmutzung haftbar gemacht werden. Im November hat ein peruanischer Kleinbauer in Essen Klage gegen den Energiekonzern RWE eingereicht; die Philippinen ermitteln gegen 50 Zement- und Ölkonzerne, um Schadenersatz für den Taifun Hayan zu erstreiten, der dort 2013 wütete.

Doch die Beweisführung ist schwierig, anders als bei Klagen auf der Grundlage von Abkommen, muss der Schaden einem Unternehmen direkt zugerechnet werden können. Der Generalstaatsanwalt von New York geht deshalb einen anderen Weg: Weil Exxon Mobil offenbar bereits seit den Siebzigerjahren von den Gefahren der Erderwärmung wusste, diese aber abstritt, wird gegen den Konzern ermittelt. Ein juristischer Kniff, der schon gegen die US-Tabakindustrie zu Milliardenstrafen führte.

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