Erdbeben:Mexiko-Stadt, auf Schlamm gebaut

  • Das verheerende Erdbeben in Mexiko hat mindestens 230 Menschen das Leben gekostet.
  • Die Hauptstadt, in deren Großraum etwa 20 Millionen Menschen leben, ist durch die geologischen Strukturen im Untergrund besonders anfällig für Erdbeben.
  • Das ganze Land liegt in einer geologisch höchst aktiven Zone.

Von Jonathan Ponstingl

Mexiko ist ein erdbebengefährdetes Land, doch Mexiko-Stadt trägt ein besonders hohes Risiko. Die Hauptstadt wurde auf dem schlammigen Grund eines ausgetrockneten Sees errichtet. Die Sedimentschichten im Untergrund sind weicher als der Boden in anderen Teilen des Landes. Bebt die Erde, schwingt der Untergrund gewissermaßen mit und verstärkt die Wellenbewegung noch. Damit werden die Häuser deutlich stärkeren Schwankungen ausgesetzt als in anderen Städten.

Seit dem letzten großen Erdbeben 1985 wurden die Bauvorschriften zwar erheblich verschärft, um der besonderen Lage der Stadt gerecht zu werden. Erdbebensichere Gebäude verhinderten dieses Mal wohl eine ähnlich hohe Opferzahl wie damals. Aber Mexiko-Stadt hat ein weiteres geologisches Problem: Der Boden unter einigen Stadtteilen sackt nach und nach ab. Die Rede ist von mehr als zwei Zentimetern im Monat. Es entstehen Risse im Gemäuer. Womöglich ist dies ein Grund, warum am Dienstagabend trotz der strengen Vorschriften zahlreiche Gebäude einstürzten.

Schon Anfang September hatte in Mexiko die Erde gebebt, im Süden des Landes. In solchen Fällen besteht immer die Gefahr von Nachbeben. Bei einem Erdbeben wird Energie freigesetzt, die sich über Jahrzehnte in der Erdkruste angestaut hat. Dadurch können andernorts neue Spannungsherde entstehen, die sich in Form von weiteren Beben entladen. Diese können auch Wochen oder Monate später in großer Entfernung geschehen.

Die Gefahr von Nachbeben bleibt

Am Dienstagabend und in der Nacht zum Mittwoch wurden unter anderem im Bundesstaat Oaxaca solche Nachbeben gemessen. Das bislang stärkste ereignete sich bei Salina Cruz mit einer Stärke von 4,9.

Mexiko liegt in einem der geologisch aktivsten Gebiete der Erde. Das Land ruht zum Großteil auf der Nordamerikanischen Platte. Diese schiebt sich langsam westwärts. Direkt vor der mexikanischen Küste liegt die Cocosplatte. Sie bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von sechs Zentimetern im Jahr in Richtung Nordosten, also direkt auf die Nordamerikanische Platte zu. Die Cocosplatte übt Druck auf die Nordamerikanische Platte aus, mit ihr schiebt sich der pazifische Boden unter die mexikanische Landmasse.

Dieser Prozess ist nicht immer ein sanfter Vorgang, die beiden Platten verhaken sich und bauen Spannung auf. Wenn diese Spannung zu groß wird, reißt das Gestein und lässt die aufgestaute Energie in Form eines Erdbebens frei. Die Grenze der beiden Platten bildet einen Teil des sogenannten Pazifischen Feuerrings. Dieser Ring ist eine hufeisenförmige Zone, die sich über 40 000 Kilometer um den Pazifik zieht. Weil sich die Naturgewalt auch in Form von Vulkanausbrüchen bemerkbar macht, spricht man vom Feuerring.

Das Erdbeben entstand durch Brüche innerhalb der Platte

Geologen können die durch Erdbeben freigesetzte Energie in Form von Wellenbewegungen inzwischen präzise messen. Die Grafik zeigt die Stärke der Wellenbewegungen vom Dienstagabend. In den dunkelrot gekennzeichneten Gebieten waren die Erschütterungen besonders groß, dort lag auch das Epizentrum.

In sehr vereinfachter Form ist dieser Prozess vergleichbar mit dem Aneinanderschieben von zwei Papierblättern. Verstärkt man den Druck, mit dem ein Blatt auf das andere geschoben wird, muss eines der beiden ausweichen. Es taucht entweder unter dem anderen ab, schiebt sich darüber oder aber die beiden Blätter drücken so lange gegeneinander, bis sich die aufgestaute Spannung mit einem Ruck löst.

Neben den Erdbeben entlang der Plattengrenzen kann es auch innerhalb der Platte zu Beben kommen. Am Dienstag war das womöglich das Fall. Um die genaue Ursache festzustellen, ist es zwar noch zu früh. Lage und Tiefe des Bebens deuteten allerdings auf diese Besonderheit hin, sagt Torsten Dahm vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ). Er vermutet sogenannte Biegespannungen.

Man kann sich das wieder wie beim Blatt Papier vorstellen. Nicht nur an den Außengrenzen kommt es zu Spannungen. Die Blattoberfläche wölbt sich an mehreren Stellen. Nun hat eine tektonische Platte keine ebene Fläche wie ein Blatt, die Platte wölbt sich nicht nach oben. Vielmehr kommt es an bestimmten Stellen zu Brüchen und Verschiebungen im Gestein der Erdkruste. Genau das ist nun vermutlich in Mexiko geschehen.

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