Entwicklung des Menschen:Startschuss für die Pubertät

Sommer in Niedersachsen

Pubertät: Wann geht's los?

(Foto: dpa)

Forscher haben untersucht, welche Faktoren das Erwachsenwerden auslösen. Ergebnis: Nicht nur die Gene eines Menschen sind beteiligt, sondern auch die Umwelt.

Von Werner Bartens

Warum gerade jetzt? Wieso nicht ein paar Monate früher oder später? Oder erst nächstes Jahr? Weshalb Kinder ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt in die Pubertät kommen, an dem sie bei ihnen nun mal beginnt, kann die Forschung bisher nicht erklären.

Weshalb sie bei der einen schon mit neun Jahren beginnt, bei der anderen hingegen im Alter von 14 Jahren noch nicht mal angefangen hat, ist unklar - und zwar bei Mädchen wie bei Jungs. Immerhin haben Forscher jetzt jede Menge Erbanlagen identifiziert, die Einfluss auf den Beginn der Geschlechtsreife haben.

Forscher aus Cambridge um Felix Day und John Perry beschreiben im Fachmagazin Nature Genetics 389 genetische Varianten, die sich auf den Beginn der Pubertät auswirken. Zuvor waren lediglich rund 100 Erbanlagen für diesen komplexen Entwicklungsschub bekannt. Mediziner haben immer wieder beobachtet, dass ein frühes Einsetzen der Pubertät das Risiko für Tumore der Brust, der Eierstöcke, der Gebärmutter und der Prostata minimal erhöhen kann. "Wahrscheinlich liegt das daran, dass diese Organe dann über das gesamte Leben länger dem Einfluss der Geschlechtshormone ausgesetzt sind, wodurch das Krebsrisiko etwas gesteigert wird", sagt Perry. Deswegen gehört ein später Beginn der Wechseljahre ebenfalls zu den Risikofaktoren für die genannten Tumoren, die Frauen betreffen.

Die Umstellung kann erst beginnen, wenn das Überleben gesichert ist

Die Analyse an insgesamt fast 370 000 Frauen erbrachte zwar zahlreiche genetische Varianten für den Pubertätsbeginn von Mädchen, etliche davon wirken sich aber auch auf den Beginn des Stimmbruchs von Jungen aus. "Die entdeckten genetischen Faktoren erklären vielleicht ein Viertel des Einflusses der Vererbung auf den Pubertätsbeginn", schätzt Perry. "Wahrscheinlich sind insgesamt mehr als Tausend Gene am Übergang vom Kind zum Erwachsenen beteiligt und zusätzlich noch zahlreiche Umweltfaktoren und andere äußere Einflüsse."

Schließlich hat sich der Beginn der Pubertät in den vergangenen Jahrhunderten immer weiter nach vorne verschoben. Im 19. Jahrhundert bekamen Mädchen ihre erste Periode erst im Alter zwischen 15 und 17 Jahren, mittlerweile liegt der Durchschnitt bei etwa zwölf Jahren. Im Januar kam eine Übersichtsarbeit zu dem Schluss, dass mindestens 20 Prozent der Variabilität des Pubertätsbeginns auf Umweltfaktoren zurückzuführen sind.

"Damit sind nicht nur Erziehung und soziales Umfeld gemeint, die Umweltfaktoren beginnen ja schon mit der Schwangerschaft", sagt Felix Beuschlein, Chef der Endokrinologie am Unispital Zürich. "Vorgeburtlich verzögertes Wachstum bringt beispielsweise einen früheren Pubertätsschub mit sich, aber auch Stress in der Kindheit, Ernährung, Bewegung und chemische Umweltgifte können sich darauf auswirken." So ist bekannt, dass Plastikweichmacher den Hormonstoffwechsel stören können.

"Auch ein bestimmtes Körpergewicht und eine Menge Fett sind nötig, um überhaupt in die Pubertät zu kommen", sagt Beuschlein. "Die Pubertät beginnt erst dann, wenn das Überleben gesichert ist - weswegen starkes Untergewicht oder extremer Ausdauersport den Beginn der Geschlechtsreife verzögern und Übergewicht ihn früher einleitet."

Zudem ist die genetische Ausstattung des Menschen zwar vorgegeben, aber das Programm lässt sich modulieren. "Durch Umweltfaktoren verändert sich die Aktivität vieler Erbanlagen. Manche werden stimuliert, andere geradezu abgeschaltet", sagt Felix Beuschlein. "Auf diese Weise tragen sowohl die Erbanlagen als auch viele äußere Einflüsse zur wohl wichtigsten Phase eines jungen Menschen bei."

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